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Ein bisschen Facebook reicht nicht aus

Von Christoph Deeg / 23. April 2015
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg / picture alliance / dpa | How Hwee Young

Die Digitalisierung ändert alles, auch den Kunst- und Kulturraum. Kulturvermittlung muss deshalb neu gedacht werden.

Social Media, Mobile Internet, Gaming und das Internet der Dinge stehen für einen umfassenden Kultur- und Medienwandel, welcher letztlich alle Bereiche unserer Gesellschaft beeinflusst. Dabei geht es weniger um neue Technologien, sondern vielmehr um eine neue Form der Wahrnehmung, Erschließung und Vermittlung von Inhalten.

Eigentlich müssten sich Kulturschaffende und die Verantwortlichen in Theatern, Opernhäusern, Bibliotheken, Museen, Galerien und Literaturhäusern freuen ob der vielfältigen Möglichkeiten, die sich für sie dadurch ergeben. Eigentlich müsste der Kultursektor der digital-analoge Innovationsträger unserer Gesellschaft sein. Aber das Gegenteil ist der Fall: Die digitale Kulturvermittlung steht immer noch am Anfang. Sie wird noch immer nicht als Kernaufgabe einer jeden Kulturinstitution angesehen.

Der Kultursektor ist noch immer analog

In der Diskussion über digitale Medien als Kulturvermittler wird sehr gerne auf die vielfältigen digitalen Aktivitäten mancher bekannten Kulturinstitution verwiesen. Einige Institutionen verfügen tatsächlich über eine eigene Webseite und sind in sozialen Medien aktiv. Jedoch handelt es sich dabei zumeist nicht um Vermittlung von Kultur, sondern um Öffentlichkeitsarbeit und Marketing. Außerdem wird oft kulturelles Erbe digitalisiert, aber es entstehen dabei keine innovativen Konzepte, die sich mit der Vermittlung der digitalisierten Inhalte beschäftigen. Die Bewahrung des kulturellen Erbes ohne eine umfassende und innovative Vermittlung macht wenig Sinn.

Der Kultursektor befindet sich noch immer in einer Art digital-analogen Schockstarre. Es gibt eine Vielzahl von Gründen für diese Situation, beispielsweise die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Institutionen bis heute keinen freien Zugang zum Internet hat, also noch immer viele Seiten und Plattformen gesperrt sind. Außerdem verfügen längst nicht alle Mitarbeiter von Kulturinstitutionen über ein ausreichendes digitales Basiswissen. Und noch immer dürfen die meisten Mitarbeiter das Internet während der Arbeitszeit nicht privat nutzen, was eine sinnvolle Nutzung letztlich unmöglich macht. Die meisten Kulturinstitutionen sind nicht mit der digital-analogen Lebensrealität der Menschen kompatibel.

Wir brauchen eine neue Vision für Kulturvermittlung

Kulturvermittlung in und mit digitalen Medien funktioniert nicht, wenn man versucht, klassische Konzepte in ein digitales Format zu kopieren. Der digitale Raum bedarf einer kompletten Neudefinition von Kulturvermittlung und -institution.

Er ist von Menschen erschaffen worden und wird von ihnen gestaltet. Dies betrifft vor allem die Inhalte. Die Anbieter der verschiedenen Plattformen wie Facebook oder Google haben selbst nie eigene Inhalte ins Netz gestellt. Es waren die Nutzer, die den digitalen Raum zu dem gemacht haben, was er heute ist. Es hat sich eine eigene Kulturvermittlung ohne den Einfluss der Kulturinstitutionen entwickelt. Diese neue Kulturvermittlung basiert nicht auf einer „Kultur-Lehre“, sie kennt keine Deutungshoheit, wohl aber einen Dialog auf Augenhöhe.

Um in diesem Bereich erfolgreich agieren zu können, müssen zuerst die digital-analogen Lebensrealitäten der Menschen verstanden werden. Dies funktioniert nicht durch die Lektüre von Büchern und Magazinen oder den Besuch einer entsprechenden Konferenz. Ein solches Kulturverständnis entsteht durch Ausprobieren und Teilhabe.

Während der Kultursektor noch über die Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen an Kunst und Kultur diskutiert, sollte er eigentlich über seine eigene Teilhabe an der Lebensrealität der Menschen diskutieren.

Wie viele Mitarbeiter der Kulturinstitutionen haben sich im digitalen Raum wirklich umgesehen? Wie viele haben bis jetzt die Computerspielmesse Gamescom besucht oder ein stARTcamp, bei dem Mitarbeiter aus dem Kultursektor zusammenkommen können, um u.a. über Kulturvermittlung im digitalen Raum zu diskutieren?

Digitale Kulturvermittlung und digitale Kunst

Digitale Medien sind nicht nur eine Bühne für kulturelle Inhalte und deren kooperative und interaktive Erschließung, Vermittlung und Kommunikation. In vielen Fällen sind sie selber Kunstwerk und kultureller Inhalt.

Vor allem die Computerspiele sind interessant. Diese virtuellen Lebensräume sind Plattform und Werk zugleich. Ihnen entspringt eine Kultur, die jeder anderen Kultur- oder Kunstform ebenbürtig ist. Sie sind eine große Herausforderung für das Selbstverständnis von Kunst, denn sie verfügen über eine Besonderheit, die wir so bei keiner anderen Kunstform beobachten können.

Kunst darf generell für sich alleine stehen. Sie ist keiner Funktion unterworfen. Sie muss nicht verstanden werden. Die Vermittlung der Kunst ist nicht Aufgabe des Kunstwerkes. Ein Computerspiel funktioniert aber nur, wenn es gespielt wird. Gespielt wird es nur dann, wenn der Spieler motiviert wird, es zu spielen. Es bedarf eines motivierenden Gameplays und eines ebenso aktivierenden Zugangs zum Werk.

Von dieser Verbindung zum Rezipienten in Computerspielen können Kulturinstitutionen sehr viel lernen. Der Fokus darf zunächst nicht auf dem liegen, was vermittelt werden soll, auf den „Lernzielen“, sondern auf den Lebensrealitäten der Menschen, die man erreichen will.

Kulturvermittler sind also zuerst Übersetzer von Inhalten in neue Wahrnehmungsräume. Sie reduzieren die Inhalte auf ihre Kernaussagen und vernetzen diese mit der Lebensrealität der Menschen, die sie erreichen wollen. Diese Vernetzung, kombiniert mit einem Dialog auf Augenhöhe, bildet den Zugang zum Werk. Hierfür ist es aber notwendig, dass der gesamte Kultursektor akzeptiert, dass der digitale und der analoge Raum gleichwertig sind und dass es keine Trennung zwischen digital und analog gibt.

Kultur muss mehr gestalten und weniger verwalten

Kulturschaffende müssen verstehen, dass es die Aufgabe der Kulturvermittlung ist, den digitalen Raum aktiv zu gestalten. Der Kultursektor muss sich vom Internet-Besucher zum Internet-Bewohner entwickeln.

Niemand braucht ein Museum auf Facebook. Was wir brauchen, sind vernetzte Institutionen, die gemeinsam den digitalen und den analogen Raum gestalten und weiter entwickeln. Um dies zu ermöglichen, brauchen wir eine neue aktivierende Kulturpolitik und eine digital-analoge Kultur-Agenda.

Wir müssen die Aus- und Weiterbildungsangebote im Kultursektor, die Definition des Kulturmanagements, die Infrastruktur und vor allem die Kulturförderung hinterfragen und den gesamten Kultursektor einem digitalen Stresstest unterziehen. Wenn heutige Kulturinstitutionen zu digital-analoger Vermittlung nicht in der Lage sind, müssen wir uns überlegen, wer es dann machen kann. Vielleicht brauchen wir dazu eine neue digitale Exzellenz-Initiative, vielleicht brauchen wir auch ein neues Verhältnis zwischen Institutionen und der Kultur- und Kreativwirtschaft. Der Status Quo ist auf jeden Fall nicht akzeptabel. Ohne eine starke digitale Kulturvermittlung ist Kulturvermittlung zwar möglich, aber sinnlos.

Eine Antwort zu “Ein bisschen Facebook reicht nicht aus”

  1. Von Anna Neumann am 12. Juli 2018

    das ist wahr: Niemand braucht ein Museum auf Facebook. Was wir brauchen, sind vernetzte Institutionen, die gemeinsam den digitalen und den analogen Raum gestalten und weiter entwickeln.

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