ContraNicht weniger Sicherheit, sondern neue Methoden
Die Terroranschläge in Europa hinterlassen Entsetzen, Trauer und Angst: Angst, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein; Angst, geliebte Menschen zu verlieren, und Angst, dass die derzeitige Politik den Terror nicht stoppen kann. Aber wir dürfen und müssen uns nicht mit weniger Sicherheit zufrieden geben, denn es gibt noch viele Möglichkeiten, die Sicherheit zu stärken.
Ein Blick in die Presse lehrt das Schaudern: es häufen sich Berichte über Tod, Gewalt und Grausamkeit, die sich längst nicht mehr nur in weit entfernten Kriegsgebieten abspielen. Es scheint, als sei der Terror unaufhaltsam. Die innere Sicherheit ist gefährdet – und damit der Schutz des Lebens und Eigentums aller Bürger sowie die öffentliche Ordnung.1
Die richtige Dosierung: Zwischen Freiheit und Sicherheit
Müssen und wollen wir unser gewohntes Maß an Freiheit zugunsten der Sicherheit beschränken? Der Staatsrechtler Christoph Gusy von der Universität Bielefeld beantwortet diese Frage folgendermaßen: „Ohne ein Mindestmaß an Freiheit und Sicherheit ist keine Gesellschaftsbildung möglich. Umgekehrt kann es in einem Gemeinwesen weder grenzenlose Freiheit noch vollständige Sicherheit geben.“
Doch das ist kein Aufruf zur Resignation! Sicherheitslücken innerhalb der Staaten müssen geschlossen werden, ohne dabei eine „europäische Festung“ zu errichten. Es gibt noch viele Mittel, um die Sicherheit zu stärken.
Dabei müssen wir uns unserer europäischen Werte wieder stärker bewusst werden. Doch wie soll eine Botschaft des Zusammenhalts aussehen, wenn Großbritannien mit dem Ausstieg aus der EU liebäugelt, manche Franzosen, Polen und Deutsche mit anti-europäischen Parteien sympathisieren und Länder unter den Auswirkungen der Euro- und Flüchtlingskrise leiden? Der Rückfall in nationale Lösungsstrategien erschwert die Zusammenarbeit. Dabei ist es gerade jetzt wichtiger denn je, das Signal eines vereinten Europas auszusenden.
Eine weitere Sicherheitsmaßnahme könnte ein schnelles und effizientes Informationssystem zwischen den Staaten sein, welches auf gegenseitigem Vertrauen basiert, etwa in der Form eines europäischen Geheimdienstes oder eines europäischen Anti-Terror-Zentrums. Doch dazu müssen die 28 Mitgliedstaaten bereit sein, Misstrauen abzulegen und nationale Interessen hinter europäische zurückzustellen.
Wenn alleine in Brüssel sechs Ortspolizeigruppen und eine nationale Polizei existieren, die Informationen untereinander nicht austauschen, wundert es nicht, dass Attentäter unbehelligt Polizeikontrollen passieren. Dies zeigt, wie verkrustet viele alte Verwaltungsstrukturen sind. Sie stammen aus einer Zeit, in der nationale Interessen Priorität hatten und vom Kampf gegen den Terrorismus noch keine Rede war. Alte Strukturen müssen durch zeitgemäße abgelöst werden.
Einschränkung des Datenschutzes als Preis für Terrorbekämpfung
Selbstredend würde der vermehrte Austausch von Informationen, die für eine solche Zusammenarbeit benötigt würden, auf dem Rücken des Datenschutzes ausgetragen werden müssen. Dies birgt auch das Risiko, dass Daten in die falschen Hände geraten. Dennoch sollte dieser Schritt gegangen werden, um Menschenleben zu retten und die innere Sicherheit zu erhalten. Um es mit den Worten des deutschen Innenministers Thomas de Maizière auszudrücken: „Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten hat Sicherheit Vorrang.“2
Doch damit allein ist es nicht getan. Die Ursachen für die gegenwärtigen religiösen Spannungen in Nahost müssen wir in ihrem historischen Kontext sehen, um Lösungsansätze entwickeln zu können. Wenn uns das Hintergrundwissen fehlt, sind wir nicht in der Lage, diese Spannungen zu verstehen oder ihnen gar entgegenzuwirken.
Perspektivlosigkeit als Keimzelle des Terrors
Ein weiteres Problem, das Terror begünstigt, ist die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen. Sollte es uns nicht gelingen, in der EU Perspektiven für Flüchtlinge zu schaffen, könnten diese in eine Parallelgesellschaft gedrängt werden, die von Terrormilizen rekrutiert und radikalisiert werden könnte.
Wir müssen uns nicht mit weniger Sicherheit zufriedengeben. Dabei gilt es, wie schon Alt-Kanzler Helmut Schmidt einst vor dem Hintergrund der RAF-Bedrohung sagte, „ trotz unserer Wut einen kühlen Kopf zu bewahren.“ 3
1 Schubert, Klaus/Martina, Klein: Das Politiklexikon, 5. Auflage, Bonn 2011.
2 Interview v. 22.3.2016 um 22.15h gegenüber Tagesschau.
3 Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, vor dem Hintergrund des RAF-Terrors.#
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