ProDas kapitalistische Prinzip überzeugt
Der Kapitalismus hat einen schlechten Ruf. Dabei garantiert er die größtmögliche Freiheit des Individuums. Sein Grundprinzip ist richtig, weil es den Menschen so behandelt, wie er ist – und nicht auf moralischen Wunschvorstellungen fußt.
Adam Smith schrieb vor fast 250 Jahren, was ich für das Grundprinzip des Kapitalismus halte: „Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihren Egoismus, und sprechen ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern von ihren Vorteilen.“1
Von unserem Geld kaufen wir, was wir haben möchten. Wir können das kaufen, was andere uns anbieten. Diese anderen können sich dann von unserem Geld das ihrerseits Gewünschte kaufen. So entstehen Märkte, auf denen Menschen handeln. Alle haben etwas davon: Was viele Menschen wollen, wird öfter hergestellt. Angebot und Nachfrage pendeln sich idealerweise ein, wie von einer „unsichtbaren Hand“ (Smith) gelenkt.
Menschen schauen auf ihren eigenen Nutzen
Ganz so einfach ist es in der Realität nicht, aber das Prinzip ist überzeugend. Es setzt beim Einzelnen an, es betrachtet die Menschen so, wie sie sind, nämlich eigennutzorientiert. Ganz ohne Anreize würden wohl die wenigsten nachts aufstehen, um für andere Brötchen zu backen – ich jedenfalls würde das nicht tun. Wenn ich für die Brötchen eine Gegenleistung erwarten kann, fällt mir das Aufstehen leichter.
Aber wäre es nicht schöner, wenn die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit mich motivieren könnte statt des finanziellen Nutzens? Sollte mein Antrieb nicht gemeinwohlorientiert statt egoistisch sein? Ist das Streben nach Gewinn nicht unmoralisch?
Wie Menschen handeln sollen, das ist Gegenstand der Philosophie – es gibt da verschiedenste Vorstellungen. Der Kapitalismus als Marktwirtschaftsordnung lässt zu, dass Menschen sich nach unterschiedlichen Moralvorstellungen richtig verhalten. Niemandem wird vorgeschrieben, was er mit seinem Geld machen soll, Geld ist moralisch zunächst neutral. Jeder hat die Freiheit, es so zu verwenden, wie er möchte.
Natürlich steht nicht in jeder Situation das finanzielle Interesse – oder allgemeiner gesagt: das Nutzenstreben – der Menschen im Vordergrund. Manchmal wollen wir anderen einfach nur eine Freude machen. Freundschaften kann man nicht streng nach Nutzenrechnung pflegen. Auch in der Familie können wir uns nicht vorstellen, streng nach dem Prinzip Leistung-Gegenleistung zu leben. In engen persönlichen Beziehungen gelten andere Prinzipien und Wertvorstellungen als im reinen Kapitalismus.
Den Homo Oeconomicus, mit dem Ökonomen so gerne rechnen, gibt es im wahren Leben nicht. Auch sonst läuft nicht alles rund in der kapitalistischen Welt. Unsere Kleidung nähen zu häufig Kinder in Bangladesch. Während laut Welthungerhilfe 600 Millionen Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser haben2, stellen Konzerne in genau solchen Regionen Softdrinks her, die wir dann trinken.3
Derartige Probleme legitimieren die Frage, ob der Kapitalismus das richtige System ist. Wir könnten uns beispielsweise für eine Postwachstumsgesellschaft einsetzen, die sich verstärkt auf lokale Produktion und einen engeren Gemeinschaftszusammenhalt im Ort konzentriert. Doch außerhalb dieser relativ kleinen Gemeinschaften müsste wieder das von Smith beschriebene Prinzip gelten.
Berechtige Kritik und Probleme – aber auch Lösungen
Bei allen Fragen, die der Kapitalismus aufwirft, und vor allem bei Verteilungsfragen, sollte man einige Entwicklungen im Hinterkopf behalten. Seit Ende des 19. Jahrhunderts ist die Lebenserwartung Neugeborener in Deutschland von 36 Jahren bei Männern und 38 Jahren bei Frauen auf 78 Jahre bei Männern und 83 Jahre bei Frauen im Jahr 2015 gestiegen.4 Das liegt vor allem an besserer Hygiene, medizinischer Versorgung und Ernährung.
Unsere Lebensstandards haben sich in den vergangenen drei Jahrhunderten unheimlich schnell entwickelt. Das wäre in kleinenGemeinschaften in der Form nicht möglich gewesen – und ist es auch heute nicht. Der Ökonom Milton Friedman, einer der radikalsten liberalen Ökonomen, machte das am Beispiel eines Bleistifts deutlich: Niemand kann einen Bleistift alleine herstellen. Um das Holz zu bekommen, müssen Bäume gefällt werden. Dafür braucht es Sägen. Für die Sägen braucht es Stahl. Für die Bleistiftmine braucht es Graphit und so weiter. „Tausende Leute haben zusammengearbeitet, um diesen Bleistift herzustellen“, erklärte Friedman.5
Ein anderes Beispiel ist die Gesundheitsversorgung. Wer soll Krankenhäuser bauen, wenn es keine Kooperation innerhalb einer großen Gemeinschaft gibt? Die Kooperation zwischen Menschen, die sich nicht kennen, funktioniert am besten durch das von Smith beschriebene Prinzip: Dadurch, dass jeder sich einen Vorteil erhofft – und einen Vorteil erwarten kann. Das ist Kapitalismus.
Es stimmt: der Kapitalismus braucht Regeln, damit es nicht zu moralischen Verwerfungen wie Ausbeutung kommt. Aber es ist möglich, solche Regeln einzuführen. Wir müssen uns gesellschaftlich auf Regeln verständigen und sie dann auch durchsetzen. Der Kapitalismus mag nicht das perfekte System sein. Aber er ist das beste System, das wir kennen.
1 Adam Smith, Wohlstand der Nationen (1776)
2http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/user_upload/Themen/Wasser/Fact_Sheet_Wasser_2013.pdf
3 http://www.spiegel.de/wirtschaft/wut-auf-brause-multi-umweltschuetzer-geisseln-coca-colas-wasserverbrauch-a-472470.html
4 http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138003/historischer-rueckblick?p=all und http://de.statista.com/statistik/daten/studie/273406/umfrage/entwicklung-der-lebenserwartung-bei-geburt–in-deutschland-nach-geschlecht/
5 https://www.youtube.com/watch?v=R5Gppi-O3a8
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Debatte | Kapitalismus in Deutschland: Rücksicht auf Verluste