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Rechte nicht links liegen lassen

Von Gina Chaja Reimann / 13. März 2017
picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Tabubruch ist ein Prozess. Bis aus Abneigung Hass und aus Hass letztendlich handfeste Gewalt würde, verginge einige Zeit. Davon ist Sebastian Jende von der Bundesarbeitsgemeinschaft ‘Ausstieg zum Einstieg’ (BAG) überzeugt, als er am am diesjährigen Weltfrauentag das neue Positionspapier seines Vereins im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorstellt. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl will der Jendes […]

Tabubruch ist ein Prozess. Bis aus Abneigung Hass und aus Hass letztendlich handfeste Gewalt würde, verginge einige Zeit. Davon ist Sebastian Jende von der Bundesarbeitsgemeinschaft ‘Ausstieg zum Einstieg’ (BAG) überzeugt, als er am am diesjährigen Weltfrauentag das neue Positionspapier seines Vereins im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorstellt.

Rechtzeitig vor der Bundestagswahl will der Jendes Verein, der seit 2014 aus einem Zusammenschluss von neun bundesweit agierender Initiativen besteht, der Politik ein richtungsweisendes Handlungspapier vorlegen. Die Arbeitsgemeinschaften bieten Anlaufstellen für Rechtsextreme, die den Willen zum Ausstieg aus der Szene haben. Ebenso beraten und betreuen sie Verwandte, Freunde und allgemein Menschen, in deren Umfeld Rechtsextremismus ein Thema ist.

Erklärtes Ziel ist die Aufwertung der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit, so Jende gegenüber den geladenen Pressevertretern. Schließlich beinhalte diese mehr als den rechtsextremen Klienten beim Ausstieg(-svorhaben) helfend zur Seite zu stehen. Es gehe vor allem um Präventionsarbeit. Der Schlüssel dazu, wiederholt Jende immer wieder, sei gute Jugend- und Sozialarbeit. Man müsse die Jugendlichen erreichen bevor sie Kontakt zur rechten Szene aufnehmen und sich radikalisieren.

Abgehängt und radikal

Gerade in den gefährdeten Gegenden, der ostdeutschen Provinz, den kleinen, abgehängten Städten Sachsens, Brandenburgs und Thüringens fehle es bis heute an einem flächendeckenden Versorgungsnetz von Beratungsstellen und präventiven Maßnahmen. Eine der ersten Fragen ergibt sich fast von selbst und lautet, was man ganz konkret tun könne.

„Erst einmal muss man bundesweit die Versorgungsdichte erhöhen“, so Jende. Denn rechtsextreme Gruppierungen sind nicht nur hervorragend miteinander vernetzt, sie hätten überall dort ihre Leute, wo besonders häufig Kinder und Jugendliche anzutreffen sind: In Kultur- und Sportvereine, sowie Erziehungs- und Freizeitstätten. Das sei ein großes Problem. Außerdem vermittle die hiesige politische Stimmung durch den Erfolg der AfD (spart bewusst aus) als angeblich volksnahe Partei, dass Rassismus durchaus salonfähig ist, wenn man ihn denn gesellschaftsfähig verpackt.

Neuanfang nicht behindern, sondern ermöglichen

Aus den Reihen der rund ein Dutzend Journalisten mutet eine weitere Frage auf den ersten Blick seltsam an. „Für wen genau ist denn dieses Positionspapier erstellt worden“, will einer der Pressevertreter wissen. „Es ist für alle Parteien gleichermaßen geschrieben worden,“ antwortet Jende. Es gebe zu diesem Thema in allen Parteien Aufklärungsbedarf. Insbesondere zum Thema Resozialisierung hat der Sprecher der Initiative eine klare Meinung.

Besonders wichtig für eine gelungene Rückkehr in den moderaten Schoß der Gesellschaft seien realistische Angebote für die Zeit nach dem Ausstieg, wie beispielsweise die Aussicht auf Wohnraum, auf Ausbildungs-, Schul- und Arbeitsplätze. Jendes Hinweis ist so offensichtlich, wie unbeachtet: Oftmals müssen Aussteiger den Wohnort wechseln, um sich zu schützen, einen Neuanfang zu bewältigen. Es sei deshalb elementar wichtig, dass man potentiellen Aussteigern in dieser Hinsicht eine Perspektive biete. „Besonders dann, wenn es außerhalb der Szene keinerlei soziale Kontakte mehr gibt.“ Andernfalls verhindern nicht selten die fehlende Aussicht auf Unterstützung was es braucht, um einen gefassten Ausstiegsentschluss tatsächlich umzusetzen.

Ein langer Weg

Doch nicht nur die Politik, auch das gesellschaftliche Umfeld muss sich Jendes Kritik gefallen lassen. “Man muss den Rechtsextremen zu verstehen geben, dass Hass, Gewalt und Ausgrenzung zwar Dinge sind, die zu keiner Zeit und unter keinen Umständen in dieser unserer Gesellschaft toleriert werden dürfen, wir als Gemeinschaft aber dazu bereit sind, den Männern und Frauen nach ihrem Ausstieg Respekt entgegen zu bringen und ihnen die Möglichkeit auf einen Neustart und damit das Dasein als produktiver Teil der Gesellschaft ermöglichen.“ Nur so könne auf lange Sicht die Motivation der Aussteiger, nie wieder Teil der rechten Szene zu werden, aufrecht erhalten werden.

Hier stößt jedoch auch der engagierte Vereinsvertreter an die harte Wahrheit der Realität und gibt zu, dass man niemals alle Rechtsextremen erreichen werde. „Es gibt definitiv Luft nach oben“, heißt es da auf die Frage, wie hierbei die Erfolgsquote sei. (Akzeptanz der Ausstiegsarbeit) Ein Ausstieg aus der rechten Szene, so Jende, sei eine langwierige Angelegenheit. Sowohl die KlientInnen als auch als deren BetreuerInnen bräuchten Geduld. Doch von der erwartbaren Frustration während des Aussteigeprozesses gilt es nicht zurückzuschrecken. Gerade angesichts der aktuellen völkisch-nationalistische Positionen, die einmal mehr auch in Deutschland präsent sind, gelte es das gesellschaftliche Klima vor den Bundestagswahlen positiv zu beeinflussen, so Jende.

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