ContraZeit für zeitgemäße Vorgehensweise
Die Kritik an der Globalisierung und den Folgen neoliberaler Politik ist vielseitig. Wird sie aber nicht von ernstzunehmenden Akteuren und aus einer konstruktiven Position heraus geäußert, bringt sie wenig oder dient den Falschen.
Mit einer polarisierten Gesellschaft geht Kritik an der Globalisierung nicht zwingend mit einem Kampf für eine gerechte und offene Welt einher. Viele Menschen sehen sich von der Globalisierung bedroht und wenden sich populistischen Parteien zu. So belegt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2016, dass 78 Prozent der AfD-Wähler_innen von „Globalisierungsängsten“ getrieben sind. Sie fürchten, infolge der Globalisierung als Verlierer_innen wirtschaftlich und sozial abgehängt zu werden und sehen sich durch Immigration bedroht.
Insbesondere rechtspopulistische Parteien verstehen es, solche diffusen Ängste zu instrumentalisieren. Sie agieren aus einer tief verwurzelten Gegnerschaft zur Globalisierung und suchen ihr Heil im Nationalstaat. Sie machen Geflüchtete zu Sündenböcken und schüren fremdenfeindliche Szenarien. Auch verschwörungstheoretische und antisemitische Tendenzen sind Teil dieser Globalisierungskritik. Das ist gefährlich und bedroht die Demokratie.
Unrealisitische Ziele, mangelnde Identifikation
Der Erfolg rechtsgerichteter Kritiker_innen ist ein Indiz dafür, dass es linken globalisierungskritischen NGOs wie Attac, den Gewerkschaften und anderen Netzwerken in den letzten Jahren seltener gelungen ist, die breite Öffentlichkeit von ihren eigenen Ideen zum Thema globale Gerechtigkeit zu überzeugen. Viele Menschen aus der Mitte der Gesellschaft identifizieren sich nicht mit klassischen globalisierungskritisch handelnden Personen. Deren Ziele werden oft als unrealistisch wahrgenommen.
Um zivilgesellschaftliche Interessen angemessen vertreten zu können, muss innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung die Zivilgesellschaft in ihrer Breite schichten- und milieuübergreifend repräsentiert sein. Konkrete Ziele müssen öffentlichkeitswirksam über den begrenzten Kreis ständiger Mitglieder der Bewegung hinaus artikuliert werden. Um zeitgemäß zu sein, muss sich Globalisierungskritik in die Gesellschaft hinein öffnen und parteiübergreifende Allianzen gegen extreme Ränder bilden.
Eine permanent sichtbare Kritik
Richtig ist, die Globalisierung hat bis dato nicht das Versprechen „Wohlstand für alle“ eingelöst. Die Schattenseiten der Globalisierung prangern ihre Kritiker_innen zwar im Rahmen des Protests gegen Gipfeltreffen der großen Industriestaaten deshalb zu Recht an. Kommt es im Umfeld solcher Veranstaltungen aber zu Ausschreitungen, überschatten Bilder von Gewalteskalationen die eigentlichen Inhalte des Protests. Angesichts dessen, stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln es gelingen kann, friedlich und gleichzeitig sichtbar zu protestieren.
Die Antwort ist: Der Weg führt an großen Demonstrationen nicht vorbei. Bei den Protesten gegen das Freihandelsabkommen TTIP waren allein in Berlin im Jahr 2015 über 200.000 Teilnehmende auf der Straße. Das Abkommen kam unter anderem aufgrund des öffentlichen Drucks nicht zustande – ein Erfolg der Globalisierungskritik. Doch der Kampf für globale Gerechtigkeit müsste permanent sichtbar sein und nicht lediglich auf punktuelle Aktionen setzen. Schließlich findet Globalisierung jeden Tag statt.
Zu extrem, zu nationalistisch
Globalisierungskritik muss sich auch der Digitalisierung besser anpassen. Die Occupy-Bewegung zeigte im Jahr 2011, inspiriert unter anderem von der „Facebook-Revolution“ im arabischen Raum, wie man sich über die ganze Welt verstreut digitale Kommunikationsräume zur Vernetzung und Mobilisierung schaffen kann. Allerdings scheint dieser Raum mehr denn je bedroht zu sein. Soziale Netzwerke werden zunehmend ein Ort, der Hatespeech zulässt und Menschen extrem manipulieren kann.
Der Vorwurf des massiven Datenhandels durch Facebook zeigt zudem, welche Risiken damit einhergehen, wenn wenige große, demokratisch nicht legitimierte Konzerne über Zugriff auf persönliche Informationen verfügen. Doch wer ist schon bereit, sich deshalb Facebook zu entziehen? Eben. Globalisierungskritik muss aber auf die New Economy ausgeweitet werden und Schutzmechanismen miterarbeiten. Das betrifft auch die Schaffung alternativer, sicherer Kommunikationsräume als Teil einer globalisierungskritischen Digitalisierung.
Alles in allem driftet die momentane Form der Globalisierungskritik zu sehr in Extreme, Kleinteilige und Nationalistische ab. Sie sollte stattdessen zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit über nationalstaatliche wie auch Partei- und Milieugrenzen hinweg dauerhaft forcieren. Und die negativen Konsequenzen der Digitalisierung nicht außer Acht lassen. Erst wenn dies gelingt, erreicht Globalisierungskritik (wieder) die Höhe der Zeit.
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