Bildung leicht gemacht – mit finanzieller Unterstützung
Bildung ist der Schlüssel, um den Wandel der Arbeitsgesellschaft zu gestalten. Doch wer Bildung will, muss auch über ihre Finanzierung nachdenken. Denn Kosten können abschrecken und soziale Ungerechtigkeiten verstärken.
Wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen wird, können wir heute nur erahnen. Manche fürchten den Verlust vieler Hunderttausender Arbeitsplätze. Einige, wie die Autoren Nick Srnicek und Alex Williams, prognostizieren sogar die Abschaffung der Lohnarbeit. Demnach sollen Roboter Menschen am Arbeitsplatz bald vollständig ersetzen. Denn: Roboter werden nicht müde, sind flexibel und stellen keine Lohnforderungen. So könnte die Traumwelt so mancher Vorstandsvorsitzenden aussehen.
Andere, wie der Philosoph Christoph Quarch, betrachten den Wandel der Arbeitswelt optimistischer. Art und Inhalte der Tätigkeiten werden sich auch in diesem Szenario drastisch ändern, heißt es. Es wird damit geworben, dass langweilige Routineaufgaben verstärkt automatisiert ablaufen werden und Menschen deshalb kreativere Tätigkeiten ausüben können. Übernimmt also die Künstliche Intelligenz zukünftig das Ausfüllen der Behördenformulare, während die Verwaltungsfachangestellte sich um kompliziertere Fälle kümmert?
Fest steht jetzt schon, dass nicht ausgemacht ist, wer vom Wandel der Arbeitswelt profitieren wird. Eine gerechte Verteilung der Früchte der Digitalisierung ist absehbar die größte und drängendste soziale Aufgabe einer jeden Bundesregierung. Und die Finanzierung der Aus- und Weiterbildung als zentrale Frage der Gesellschaft darf dabei nicht wieder zu kurz kommen.
Bildung für den Anfang
Schon bei der Erstausbildung beginnt die Ungleichheit. Eine Jura-Studentin oder ein Student der Ingenieurswissenschaften zahlen für das Studium jenseits des Semesterbeitrags in der Regel keine Gebühren. Bei angehenden Erzieher_innen fallen jährlich Kosten für die Fachschulen in Höhe von 1.000€ an und für Physiotherapeut_innen sogar ca. 6.000€. Gleichzeitig müssen Essen, Miete und Mobilität bezahlt werden. Das verursacht einen Schuldenberg, der den beruflichen Durchstart erschwert. Zwar sieht der Koalitionsvertrag eine Abschaffung der Schulgebühren für Heilberufe vor. Passiert ist jedoch noch nicht viel. Einzelne Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen gehen nun selbstständig vor und erlassen die Ausbildungsgebühren für diese Berufe teilweise oder vollständig.
Schüler_innen an Fachschulen können mit einem Schüler_innen-BAföG gefördert werden. Allerdings beträgt der Höchstsatz 673€ – das sind 62€ weniger als der maximale BAföG-Satz für Studierende. Aber nur noch ca. 20 Prozent der Studierenden erhalten BAföG – fast 17 Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2012. Bereits heute ist der BAföG-Satz nicht selten zu niedrig, um gestiegene Mieten und Lebenshaltungskosten zu decken. Die derzeit verhandelte BAföG-Reform zwischen Union und SPD muss eine Trendwende schaffen.
Bildung für den Arbeitsmarkt
Erwerbs- und Bildungsbiografien der Menschen werden komplizierter. Es reicht nicht mehr, einen Beruf gelernt oder studiert zu haben und dann in diesem Beruf bis zur Rente zu arbeiten. Wir werden uns öfter neu erfinden müssen. Doch wer bezahlt die dafür nötigen Kurse und stellt die Zeit für diese Lernphasen bereit? Derzeit findet 70 Prozent der Weiterbildungsbemühungen innerhalb eines Betriebes statt. Langzeitarbeitslose sind von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Dabei hat laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bildungsstand von Arbeitnehmer_innen einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Bildungsangeboten. So besuchen Hochschulabsolvent_innen öfter Fortbildungen als Menschen in einem angelernten Beruf. Fehlt es an Interesse? Oder an Zugangsvoraussetzungen? Sicherlich knapp sind Zeit und Geld. Die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung zeichnen sich heute bereits ab. Wenn weiterhin viele Menschen von der technologischen Entwicklung abgehängt werden, droht sich der Arbeitsmarkt endgültig zu spalten. Während ein paar Spezialisten wie z.B. Statistiker_innen hohe Lohnforderungen durchsetzen können, können Menschen mit einer einfachen und mittleren Qualifikation zu weiteren Zugeständnissen gezwungen werden, um ihre unsicheren Arbeitsplätze nicht zu verlieren.
Instrumente wie z.B. der „Bildungsgutschein“ sollen Arbeitnehmer_innen helfen, um Maßnahmen für (Teil-) Qualifizierungen zu finanzieren. Diese umfassen etwa Lehrgänge für Computerprogramme und erweiterte Fachkenntnisse im ausgeübten Beruf. Die Gutscheine werden von der örtlichen Bundesagentur für Arbeit je nach regionalen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgestellt. Reichen diese Instrumente aus? Bundesarbeitsminister Hubertus Heil scheint seine Zweifel zu haben. Im September 2018 stellte er einen ersten Entwurf für ein sogenanntes Qualifizierungschancengesetz vor. Mit dem Gesetz sollen Beschäftigte unabhängig von ihrer Qualifikation, der Betriebsgröße und ihres Alters gefördert werden. Die 47-jährige Elektroinstallateurin in einem Handwerksbetrieb mit vier Angestellten soll ebenso Anspruch auf die Förderung haben, wie der 61-jährige Steuerfachanwalt einer Großkanzlei. Offen lässt der Gesetzentwurf allerdings, wie jede und jeder Arbeitnehmer_in den eigenen Weiterbildungswunsch tatsächlich gegen den Vorgesetzten oder die Vorgesetzte durchsetzen kann. Was in einem Großunternehmen mit einem Betriebsrat im Rücken gehen mag, könnte in einem Kleinunternehmen, das alle Kräfte braucht, um Aufträge zu bearbeiten, eher zu weiteren Problemen führen. Der DGB fordert deswegen ein gesetzliches Recht auf Weiterbildung.
Bildung als gesellschaftlicher Faktor
Dass Bildung auch abseits des Arbeitsmarktes einen hohen gesellschaftlichen Wert hat, kann nicht oft genug betont werden. Denn Bildung legt die Grundlage für unser alltägliches, demokratisches Miteinander. Bildung weckt aber auch individuelle Interessen, bedient unsere natürliche Neugier. Wer ein besseres Zusammenleben fördern möchte, der oder die muss auch die lebenslange Bildung eines jeden Menschen fördern. Dass die aktuellen Instrumente noch immer stark auf den Nutzen für den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind, darf nicht als Vollendung bildungspolitischer Maßnahmen gesehen werden. Es sind neue Ansätze der Bildungsfinanzierung notwendig, um persönlichen, aber auch gesellschaftlichen Bildungswünschen und -zielen gerecht zu werden. Hierfür wurden bereits erste Vorschläge gemacht. Die Idee des „Chancenkontos“ ist ein weiteres Beispiel, wie Menschen mehr Freiheit in der Gestaltung ihres Lebens erhalten können. Allerdings verstummte die Diskussion darüber, noch bevor sie richtig in Gang kam. Lieber wird stattdessen über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert. Aber zu welchem Preis?
Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung widmet sich ausführlich diesen und anderen Fragen. Weitere Infos zum Thema Finanzierung von Aus- und Weiterbildung finden sich hier: https://sagwas.net/event/lernen-fuer-morgen-finanzierung-der-aus-und-weiterbildung/