Menschenrechte sind universell – nur nicht im Flüchtlingslager
In Malawis größtem Lager für Geflüchtete leben tausende Menschen ohne Perspektive und unter strenger Reglementierung. Aber es gibt Hoffnung.
Geflüchtete sind nicht alle gleich. Sie haben unterschiedliche Hintergründe, Fähigkeiten und Qualifikationen. Eins aber ist ihnen gemeinsam: Solange sich die Politik ihnen gegenüber nicht ändert, werden tausende geflüchtete Menschen auch weiterhin leiden. Auf der ganzen Welt gibt es viele Menschen wie mich – mit Träumen, die nicht wahr werden können, solange wir in Lagern festgehalten werden.
Wie würdest du dich fühlen, wenn dein Leben hauptsächlich daraus bestünde, dich in Sicherheit zu bringen? Was würdest du mitnehmen, wenn du keine Wahl hättest als an einen Ort zu flüchten, an dem du Frieden finden kannst? Jeden Tag werden tausende Menschen gezwungen, zu fliehen – vor Kriegen, ethnischen Konflikten, Verfolgung oder religiösen Auseinandersetzungen. Auch heute. Auch in diesem Moment.
Was weißt du über Malawi?
Wahrscheinlich warst du noch nie hier. Vielleicht hast du sogar noch nie etwas von Malawi gehört. Aber selbst, wenn – hier sind ein paar Dinge, die du wissen solltest: Malawi ist eins der friedlichsten Länder der Welt. Das Land hat bewiesen, wie wichtig es ist, Asylsuchende zu schützen. Deshalb sollte man seine Flüchtlingspolitik kennen und wissen, wie die Betroffenen im Land damit leben und überleben.
Malawi ist ein kleines Land im südlichen Afrika ohne Zugang zum Meer. Seine Nachbarländer sind Sambia, Mosambik und Tansania. Die Menschen in Malawi sind sympathisch und gastfreundlich. Sie treten Geflüchteten friedlich und freundlich gegenüber. Manche betreiben sogar Unternehmen im Lager. Es gelingt uns, auf bescheidene Weise miteinander zu leben – egal, welchen gesellschaftlichen Status man hat. Obwohl Malawi eins der ärmsten Länder der Welt ist, habe ich hier meinen Glauben an die Gastfreundschaft gefunden.
1994 wurde in Dzaleka, einem Ort in Zentral-Malawi (genauer gesagt: im Distrikt Dowa, in dem sich früher ein Gefängnis für politische Häftlinge befand), ein Lager für Geflüchtete eröffnet. 10.000 Menschen, die während des Genozids in Rwanda und der Bürgerkriege in der Demokratischen Republik Kongo und in Burundi fliehen mussten, sollten dort Sicherheit finden. Man kann sich nicht vorstellen, wie es möglich ist, dass Menschen solche Entfernungen überwinden. Aber sie haben es geschafft, und jetzt ist das Lager mit über 50.000 Geflüchteten und Asylsuchenden völlig überfüllt. Wegen des andauernden Kriegs im östlichen Kongo kommen jeden Monat im Durchschnitt noch 300 Menschen dazu. Der Druck auf die Einrichtungen im Lager – Brunnen, Gesundheitsversorgung, Schulen – ist dadurch unvorstellbar gewachsen. Seitdem das Lager gegründet wurde, leben Menschen hier. Sie heiraten, bekommen Kinder, und sterben hier.
Malawis Flüchtlingspolitik
Ich finde, dass jeder Mensch Anspruch auf die Wahrung seiner Menschenrechte hat. In Malawi ist das aber nicht der Fall. Geflüchtete dürfen sich hier nicht frei bewegen und haben nicht das Recht, sich außerhalb von Dzaleka eine Arbeit zu suchen.
Das Wunderbare am Menschsein aber ist: Auch wenn man alles zurücklassen muss, was man besitzt, wenn man fliehen muss, so nimmt man doch eines mit, wohin man auch geht – und das sind die eigenen Fähigkeiten. Mein Vater ist Arzt. Auch er ist in Dzaleka gestrandet. Als Geflüchteter darf er sich in Malawi keine Arbeit suchen. Tausende Menschen im Land haben Fähigkeiten und Erfahrungen, die das Land zum Guten verändern könnten. Man müsste sie nur lassen.
Allgemein gesprochen, ist Malawi einer der sichersten Orte, den man sich vorstellen kann. Die Flüchtlingspolitik des Landes ist aber von Vorurteilen geprägt und diskriminierend, da uns grundlegende Aspekte eines menschenwürdigen Lebens versagt werden.
Wenn die jesuitische Initiative für Hochschulbildung (Jesuit Worldwide Learning) im Lager keine Bildungsangebote betreiben würde, hätte ich außer meinem Schulabschluss immer noch keine Ausbildung. Die meisten Kinder in Dzaleka bekommen nur Vorschul-, Grundschul- und Sekundarschulbildung. Was soll man mit seinem Leben anfangen ohne die Freiheit, sich im Land zu bewegen und Arbeit zu suchen, und mit nur wenigen Gelegenheiten, sich weiterzubilden, um seine Ziele zu erreichen? Die meisten Menschen im Lager geben sich damit aber nicht zufrieden und nutzen ihre Fähigkeiten einfach innerhalb des Lagers. Manche betreiben Kindergärten, andere bieten berufliche Bildung und Sprachkurse an oder eröffnen in privater Initiative Schulen für die immer weiter steigende Zahl an Bewohner_innen. Wenn man sich ansieht, was Geflüchtete alles auf die Beine stellen können, wäre es großartig, wenn der Staat die Gesetze ändern würde und uns Freizügigkeit und Arbeitserlaubnisse für das ganze Land gewähren würde.
Wie man im Lager eine Familie ernährt
Die Geflüchteten in Malawi werden vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) unterstützt. Es bietet den Menschen in Dzaleka Gesundheitsversorgung, Bildung und Programme zum Erwerb eines Lebensunterhalts an. Das Welternährungsprogramm liefert Lebensmittel wie Hafermehl, Öl und Bohnen. Die Organisation Inua Consulting beziffert den Wert dieser Lebensmittel auf 3.600 Malawi-Kwacha (MK) pro Person im Monat, was umgerechnet 120 MK oder 0,11 EUR pro Tag sind. Das ist unterhalb der Grenze zur extremen Armut.
Arbeitslosigkeit ist ein großes Problem. Die meisten Bewohner_innen des Lagers sind jung. Unter ihnen herrscht eine hohe Kriminalitätsrate; besonders die Zahl der Raubüberfälle nimmt zu. Die meisten Frauen und Mädchen im Lager sind gezwungen, für Geld sexuelle Dienstleistungen anzubieten, um ihre Familien zu ernähren.
Ein Beispiel, wie die Menschen sich Abhilfe schaffen: Dzaleka hat den größten Markt für Tomaten in der Region. Die meisten Menschen im Lager, insbesondere aus Ruanda und Burundi, sind erfahrene Landwirt_innen. Sie haben in den Nachbardörfern Land gepachtet, um Tomaten anzubauen. Da sie keine Arbeitserlaubnis haben, können nur die wenigsten von uns einer Erwerbsarbeit nachgehen, aber diejenigen, die Freiwilligenarbeit für Projekte im Lager leisten, bekommen immerhin eine Aufwandsentschädigung von 50 US-Dollar im Monat – egal, welche Arbeit sie übernehmen.
Ich beobachte die Situation und erfahre sie gleichzeitig am eigenen Leib. Ich bin überzeugt, dass der größte Wunsch des Menschen ist, dort leben zu können, wo er oder sie seine oder ihre Potenziale ausschöpfen und Fähigkeiten anwenden kann, um sich selbst zu ernähren, statt von humanitärer Hilfe abhängig zu sein.
(Übersetzung des Originalbeitrags von Bianca Walther)