Verliebt, verheiratet, geschieden
Die Aufmerksamkeit ist sicher: Über Partnerschaft zu schreiben, lohnt sich. Investitionen da rein lohnen dagegen nicht immer. Vielleicht weil wir alle unterbewusst ständig auf der Suche nach etwas Besserem sind?
Im Idealbild der romantisch-konservativen Vorstellung von Familie wachsen wir mit Vater, Mutter und eventuell Geschwistern auf, im Vertrauen, später den passenden Deckel zu finden, um selbst eine Familie zu gründen. Dabei prägen wir als Eltern unsere Kinder, indem wir sie erziehen und dabei unsere eigenen Werte und Normen an die nächste Generation weitergeben. Damit eine solche Konstellation intakt bleibt, müssen Eltern ihr Ideal aber tatsächlich vorleben und sich immer wieder bewusst füreinander entscheiden. Eine Garantie, dass dann alles immer funktioniert, gibt es zwar nicht. Doch der viel beschworene Bund der Ehe könnte hier ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln, oder?
Bindungsangst ist real
Viele Eheleute warten nicht darauf, „bis dass der Tod uns scheidet“. Das übernehmen sie selbst. In Deutschland kursiert allerdings der Mythos, dass jede zweite Ehe geschieden werde. Laut Statistischem Bundesamt deutet jedoch keine Maßzahl in der offiziellen Scheidungsstatistik darauf hin. Die sogenannte „zusammengefasste Scheidungsziffer“ sinkt tendenziell sogar seit 2005.
Was heißt das konkret? Zum Beispiel wurden 2019 von 1.000 geschlossenen Ehen 320 wieder geschieden. Zu entscheiden, ob das nach viel oder wenig aussieht, bleibt jedem selbst überlassen. Heutzutage haben junge Menschen, gerade wenn sie aus einem gestörten Familienverhältnis kommen und die Eltern oft streiten, Angst vor einer lebenslangen Bindung. Eine „eingetragene Lebenspartnerschaft“ klingt nach einer weniger zwangshaften Vereinbarung. Diese einzugehen ist in Deutschland seit 2001 möglich, aber der Ehe gleichgestellt oder von Grundgesetz geschützt ist sie nicht. Und sie ist im Gegensatz zu anderen Ländern nur gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten.
Wie wäre es daher mit einer ganz neuen Idee, einer „Ehe auf Zeit?“ So könnte das Ganze aussehen: Ein „dynamischer“ Ehevertrag, welcher aus einem Grundvertrag von fünf Jahren besteht und anschließend der Bestätigung beider Partner bedarf. Nach Ablauf dieser Frist könnte ein Gespräch zwischen beiden Parteien unter rechtlicher Prüfung stattfinden, ob und, wenn ja, wie der Vertrag verlängert wird. So müssen sich beide Seiten bemühen, das gemeinsame Leben aufrechtzuerhalten, damit Liebe und Vertrauen nicht einseitig werden.
(Wobei: Ganz neu ist das Konzept Zeitehe übrigens nicht. Persisch „sigheh“ genannt, kennt eine schiitische Tradition seit Langem eine begrenzte Form der Eheschließung, die 30 Minuten oder 99 Jahre dauern kann.)
Vertrauen ist gut, Therapieren ist besser
Marie, 32 Jahre alt, hatte lange Zeit Probleme, sich selbst, anderen und vor allem einem Partner zu vertrauen. Vage kann sie sich an die Zeit in ihrer Kindheit erinnern, als sich ihre Eltern sich getrennt hatten. „Ich glaube, ich habe viel geweint. Lange dachte ich, dass ich schuld am Streit meiner Eltern sei. Ich hatte große Angst, wenn meine Mutter abends weggegangen ist.“
Heute weiß sie, dass solche Erfahrungen, insbesondere wenn sie sich wiederholen, sich später auf eigene Beziehungen auswirken, zum Beispiel in Form von gesteigerter Verlustangst. Manche wollen darum dem oder der Partnerin alles recht machen. Das fühlt sich weniger nach “ausgeliefert sein“ an. Aber Marie hat dazugelernt. „Man ist nie man selbst! Oder man gerät in toxische Beziehungen, weil man nicht daran glaubt, wirklich geliebt zu werden und auch nicht daran glaubt, diese Liebe zu verdienenicht zu verdienen.“
Dank einer Therapie ist Marie heute wieder zuversichtlich, glaubt an die große Liebe. „Ich bin der Meinung, dass Kinder, die eine Trennung der Eltern erleben, immer psychologische Hilfe benötigen. So eine Erfahrung sollte man nicht bis ins Erwachsenenalter als Trauma mit sich herumtragen.“ Eine Ehe auf Zeit befeuere ihrem Empfinden nach nur die Entwicklung einer Wegwerfgesellschaft. Ihr Credo lautet: Man soll an der Ehe arbeiten, bei Bedarf fachliche Unterstützung hinzuziehen und sich bewusst für oder gegen einen Partner entscheiden.
Mein Haus, Dein Auto, unser Bett
Auch Scheidungscoach Simone Koch hält von der zunächst begrenzten Eheversion nicht viel. Die 53-jährige Mutter von drei Kindern hat selbst eine Scheidung durchgemacht. Sie betrachtet das Thema Trennung pragmatisch. Menschen veränderten sich über die Jahre nunmal, Lebensumstände auch. Gerade wenn vertraute Personen sterben, das Berufsleben endet, passiert das Innehalten von ganz alleine.
„Es kann sein, dass man als Paar den gemeinsamen Weg nicht mehr weiter gehen möchte. Scheidung ist dann mitunter gar nichts so Negatives, sondern eben nur der Punkt hinter einem Kapitel. Die Zweisamkeit löst sich einfach auf, wie dies auch bei Freundschaften der Fall sein kann“, so Koch. Inwiefern ein Ehevertrag dazu beitragen kann, dass man zumindest mit Blick auf die Besitzansprüche im Guten auseinandergehen kann, hängt wahrscheinlich davon ab, wie groß das Vertrauen in die gemeinsame Zukunft ist.