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Den eigenen Körper verkaufen

Von Sagwas-Redaktion / 27. Juli 2020
Credits: picture alliance / Image Source | Stephen Stickler;

Sexualität ist in den Medien oft ein kontroverses Thema. Sexarbeit und Behinderung sowieso. Wir wollen eine Sexualbegleiterin für Menschen mit Handicap zu Wort kommen lassen, die akustische Eindrücke aus einer Welt ermöglicht, die viel zu oft übersehen wird. Heute in Folge 2: Den eigenen Körper verkaufen

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6 Antworten auf „Den eigenen Körper verkaufen“

  1. Von Andrea am 28. Juli 2020

    liebe Bloggerin, auch ich habe etwas gegen das „ProstSchG“ und den Pflichtausweis; und viele Menschen die sich mit dem Thema befassen, haben mittlerweile erkannt, dass dieser Versuch nichts gebracht, sondern eher noch mehr geschadet hat. Die am meisten zu Schützenden werden sowieso mit keinem der Gesetze bezüglich der „Sexarbeit“ in Deutschland geschützt: die Ausgebeuteten, die „freiwillig“, in Wirklichkeit aber unfreiwillig und extrem abhängig „arbeitenden“ (tatsächlich Ausgebeuteten), werden damit nicht erreicht. Gut, dass auch Du den gravierenden Mangel einer sinnvollen Gesetzgebung erkennst.
    Ich kann auch verstehen, dass Du gegen das „Nordische Modell“ bist, weil es Dir Deine aktuelle Einnahmequelle nehmen würde, sobald es in Kraft tritt. Ich möchte aber zu Bedenken geben, dass der Schutz der meisten manchmal mehr wiegt als die individuellen Vorteile Einzelner. Und die meisten werden nunmal leider ausgebeutet. „Sexarbeit“, also sexuelle Dienstleistung gegen Geld beutet immer eine Bedarfssituation aus, es werden Tatsachen verdreht und die Erfüllbarkeit eigentlich so nicht erfüllbarer Wünsche suggeriert.
    Sucht jemand durch diese Dienstleistung eine emotionale Befriedigung (also nicht nur die rein körperliche Triebabfuhr), begeht er/sie sowieso Selbstbetrug: Gefühle kann niemand kaufen oder verkaufen. Selbst das freundliche Lächeln der Verkäuferin im Supermarkt ist geschenkt – oder geheuchelt.
    Bloß für die rein sexuelle Triebabfuhr eine andere Person einzubeziehen, halte ich auch bereits für grenzwertig (OK, es gibt Leute, die sind ständig auf der Jagd nach anonymem Sex ohne weitere Konsequenzen. Ich finde es zwar abstoßend – meinem Empfinden nach werden essentielle Bestandteile des menschlichen Umgangs miteinander dabei völlig ausgeblendet, aber solange das beide einvernehmlich und ohne Bezahlung machen, ist es ihre Sache).
    Aber wenn eine Person für Geld eine andere befriedigen soll, überschreitet das für mich eine fundamentale Grenze. Der Empfänger einer sexuellen Dienstleistung wünscht sich bestenfalls „nur“ ein befriedigendes sexuelles Erlebnis. Er will das nicht alleine erreichen (per Selbstbefriedigung zum Beispiel), sondern jemand soll ihm das „geben“, indem er/sie ihm/ihr „zu Diensten“ ist – gegen Geld. Aber das ist nicht „auf Augenhöhe“, kann es nie sein. Denn Geld drückt ein Machtverhältnis aus.
    Leider sucht der (meist männliche) Käufer über den erkauften Sexualdienst auch gezielt und bewusst diese Macht. Und spätestens da beginnt mein grundsätzliches Veto gegen Sex „-Dienstleistungen“: Schon alleine die gesetzlich legalisierte Möglichkeit suggeriert, dass Menschen durch einen „Kauf-“ oder „Mietvertrag“ über die andere Person diese körperliche Macht erlangen „dürfen“, nämlich das Recht, sexuell von dieser Person befriedigt zu werden. Solche Leute übertragen diesen Grundgedanken dann auf alle Menschen und/ oder schlussfolgern, ein „Recht“ auf sexuelle Befriedigung durch andere Menschen grundsätzlich erlangen zu „dürfen“.
    Dieses „Recht auf Sex“ mit einer Legalisierung von Sexdienstleistungen zu suggerieren, tritt in meinen Augen Menschenrechte mit Füßen. Das klingt jetzt krass, aber logisch gedacht, ist es doch so, dass wenn es ein „Recht auf Sex“ gäbe, man dieses ja auch einklagen könnte. Nun stell Dir aber vor, kein Mensch auf der Erde würde zu einem Zeitpunkt X den „Beruf Sexdienstleistung“ anbieten, und dann kommt ein Mensch daher und klagt sein „Recht auf Sex“ ein. Soll der Staat dann eine Person zwangsprostituieren, damit dieser Mensch zu seinem Recht kommt? Absurd?
    Ich würde mich auf eine kontroverse Debatte an diesem Punkt freuen.
    Übrigens: im Internet aufgeschnappt: in dem einzigen US-Bundesstaat in dem sexuelle Dienstleistungen legal sind, ist die Gewalt gegen Frauen statistisch am höchsten. Frage: welches Menschenbild wird mit dem Angebot „Sex als Dienstleistung“ suggeriert?

    1. Von Maria am 28. Juli 2020

      Dass Sexarbeit besonderer Kontrolle bedarf, eben weil sie viele Gelegenheiten für Missbrauch bietet, ist ohne Frage. Hier muss (endlich wirklich) angesetzt werden. Ich teile auch deine romantische Sichtweise auf ein erfülltes Liebesleben, wenn es auch nur bedingt der Realität entspricht. Aber zu argumentieren, dass eine Industrie kein Existenzrecht hätte, weil es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, finde ich einen völlig falschen Ansatz. In so vielen „harmlosen“ Berufsfeldern sind Arbeitsbedingungen ein himmelschreiendes Unrecht, vgl. Tönnies. Oder die menschenverachtenden Herstellungsketten für die Modeindustrie in Indien. Hier ist nicht die Sache an sich der Fehler im System, sondern die aufgestellten Strukturen und der Umgang mit den dort arbeitenden Menschen ist es! Etwas zu verbieten, heißt nicht, dass damit der Wunsch danach oder Akzeptanz dessen sinkt. Und mit dem Verbot der Sexualbegleitung als Ausdruck von Sexarbeit entsteht zudem der Eindruck, als wäre gerade hier die Nachfrage an sich ungehörig und falsch.

      1. Von Martin am 29. Juli 2020

        Ja genau: die Nachfrage, eine sexuelle Dienstleistung erkaufen zu wollen, ist an und für sich falsch. Wer das anfragt, hat eine Vorstellung von Sex im Kopf, die einem gleichberechtigten und auf gegenseitiger Achtung basierenden Austausch von Gefühlen zutiefst entgegensteht.
        Was ist denn Sex? Worum geht es ursprünglich und eigentlich beim sexuellen Austausch? Entschuldige, aber wenn ich diese Frage komplett ausklammere, und alle sonstigen Gefühle außer der rein körperlichen sexuellen Erregung dabei weglasse, dann bleibt nur die hormongesteuerte Triebabfuhr übrig. Wie geil. Dann kann ich mir auch einen runterholen, das ist genauso triebabführend. Die Bloggerin hat in einem Beitrag auf diesen Kinderversuch verwiesen: da geht es aber genau um die Gefühle, die fehlen. Deshalb sind die Babys gestorben. Wenn ich nur Sex ohne echte Gefühle bekomme, „sterbe“ ich auch irgendwann, etwas in mir wird dann doch krank oder absterben. Und die Bloggerin hat selbst geschrieben, nach anfänglichen Versuchen hat sie nicht nur das Küssen, sondern die sexuelle Interaktion insgesamt weggelassen. Sie macht es nur mit der Hand. Also bringt sie ihre eigenen „echten Gefühle“ nicht mit ein. Also Danke, dann kann ich auch auf die fremde Hand verzichten.
        Ich glaube, wir haben viel „kranken“ Sex in der Gesellschaft, weil die Gesellschaft krank ist. Und wegen der kranken Gesellschaft gibt es auch andere Ausbeutung (bei Tönnies, in Bangladesh usw.)

  2. Von Martin am 29. Juli 2020

    @Maria: Du schreibst: „…zu argumentieren, dass eine Industrie kein Existenzrecht hätte, weil es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, finde ich einen völlig falschen Ansatz.“
    Es gibt Dinge, die sind komplett verboten, weil sie vom Grundprinzip her falsch sind und deren Existenzrecht deshalb abgesprochen wird. Deshalb finde ich es nicht einen „völlig falschen Ansatz“, Sexdienstleistungen grundsätzlich verbieten zu wollen. Denn: wenn erkannt wird, dass eine „Industrie“ oder eine bestimmte Handlungsweise einem Grund- oder Menschenrecht vom Prinzip her entgegensteht, oder es sich erweist, das diese „Industrie“ oder Handlungsweise grundsätzlich schädlich ist (und nicht nur in einer unkontrollierten Art, sie auszuüben, sondern vom Prinzip der Handlung an sich), dann muss sie insgesamt verboten werden. Deswegen ist der Diskussionsansatz nicht „völlig falsch“, wenn jemand vermutet, dass Sexdienstleistungen insgesamt (und nicht nur in schlecht kontrollierten Bedingungen) falsch ist. Dann muss man der Vermutung nachgehen, und wenn es tatsächlich Belege für die prinzipielle Schädlichkeit gibt, muss man diese Handlungen oder „Industrie“ halt komplett verbieten.
    Schweine schlachten ist nicht grundsätzlich falsch, aber bei Tönnies werden bestimmte Richtlinien nicht eingehalten. Kinderarbeit ist grundsätzlich falsch, und deshalb insgesamt verboten.

    1. Von Maria am 29. Juli 2020

      „Schweine schlachten ist nicht grundsätzlich falsch“, schreibst du und übersiehst dabei, dass viele Vegetarier und Veganer oder schlichtweg Menschen, die kein Schweinefleisch essen, das aber definitiv anders sehen. Damit stellst du deine Meinung über ihre. Und dass Kinder versklavt und ausgebeutet werden, ist mehr als beschämend für uns alle, ja. Aber Kinderarbeit pauschal zu verurteilen, ignoriert den Kontext, in welchem diese oft stattfindet. Eigentlich ist die Ursache für Kinderarbeit, sprich die Ausbeutung dahinter, das tatsächliche Problem: Und zwar in Form von gewollter, weil zugelassener Armut. Dazu sehr informativ: https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/kinderarbeit-fragen-und-antworten/166982
      Ausbeutung, egal wie und wo, ist grundsätzlich falsch. Doch jede Form von Sexarbeit wie die hier besprochene Sexualbegleitung(!) mit Ausbeutung gleichzusetzen, finde ich ebenso falsch. Das ist, als würde man den klassischen Pimp mit den hier erwähnten Klienten gleichsetzen. Absurd.

      1. Von M am 29. Juli 2020

        „Aber Kinderarbeit pauschal zu verurteilen, ignoriert den Kontext, in welchem diese oft stattfindet. “ Mit oder ohne Kontext: die Ausbeutung findet statt und sie ist zu verurteilen. In jedem Falle!
        Die UNICEF begibt sich auch auf einen gefährlichen Holzweg, bestimmte Formen von Kinderarbeit zulassen zu wollen, blos weil der Kontext so schlecht ist, und die Lebensbedingungen der INdividuen durch die Kinderarbeit ein weniog gebessert werden. Die eigentliche Ursache muss bekämpft werden, und das würde niemals dadurch geschehen, indem ich den Schutzstatus der Kinder durch Auflockerung des Verbotes aushöhle.

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