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Der stehende Staatsbürger – Duran Vatandaş

Von Erdem Gunduz / 16. September 2013
picture alliance / dpa | Ralf Hirschberger

Es ist immer dieselbe Frage, „Wie hast du es geschafft, acht Stunden lang zu stehen, ohne dich zu bewegen?“ Meine Antwort ist immer dieselbe: „Es war der innere Aufschrei, der mir diese Kraft gab. Ich hätte noch bis zum nächsten Tag stehen bleiben können.“ Ich heiße Erdem Gündüz, bin 34 Jahre alt und ein Modern […]

Es ist immer dieselbe Frage, „Wie hast du es geschafft, acht Stunden lang zu stehen, ohne dich zu bewegen?“ Meine Antwort ist immer dieselbe: „Es war der innere Aufschrei, der mir diese Kraft gab. Ich hätte noch bis zum nächsten Tag stehen bleiben können.“

Ich heiße Erdem Gündüz, bin 34 Jahre alt und ein Modern Dance – Künstler. Jahrelang tanzte ich auf Bühnen, auf der Straße und sogar an Universitäten. Um Grenzen und Barrieren zu durchbrechen, habe ich mich minutenlang auf der Bühne gegen eine Wand geschmissen, sechs Minuten lang, immer wieder… Um gegen Ungleichbehandlung zu protestieren, haben zwei Kommilitonen und ich Kopftücher in den Lesungsräumen getragen. Es ging uns um die Rechte der Studentinnen, die damals mit Kopftuch nicht in die Universitäten hineingelassen wurden.

Das waren alles Performances. Meine persönlichen Performances.

All diejenigen, die im „Duran Adam“, im „stehenden Mann“ –  der auf zwei riesige türkische Fahnen und auf ein Poster von Mustafa Kemal Atatürk schaut –  eine Performance erkennen wollen, täuschen sich allerdings.

Da stand der Staatsbürger der türkischen Republik, Erdem Gündüz. Meine Blicke waren gerichtet auf den Gründer der Republik Atatürk, dessen Motto, „Friede im eigenen Land, Friede auf der ganzen Welt“ war und der einmal gesagt hat: „Wenn es um die Nation geht, ist alles andere zweitrangig“. Als ich da stand, wollte ich eine Beschwerde „stumm“ herausschreien. Für mich war dies ein Aufstand gegen die Ausbeutung und Ausplünderung der Natur, gegen die Vernichtung von Frauenrechten, gegen die Intoleranz gegenüber den unterschiedlichen Farben in unserer Gesellschaft. Ein Aufstand gegen eine neue Klasse von islamisch-Konservativen in unserem Land, die religiöse Werte propagieren, aber kapitalistisch und profitgierig agieren. Dabei hatte unsere Republik ursprünglich das Ziel einer klassenlosen Gesellschaft.

Ich, Staatsbürger Erdem, oder wie ihr sagt , der „Standing Man“, ich komme mit der Mentalität der islamisch Konservativen nicht klar, die in den Bäumen, Seen, Flüssen, grünen Tälern, überall wo sie hinschauen, nur Profit erkennen.

Ich komme mit einer Einstellung nicht klar, die den Frauen diktiert, wie viele Kinder sie zu gebären haben, wie sie sich kleiden sollen, dass sie doch bitte Kopftücher zu tragen haben. Und zu deren Denkweise es gehört, dass schwangere Frauen auf der Straße verpönt sind.

An jenem  Tag waren ganz wenige Menschen auf dem Taksim-Platz.Die Polizei hatte alle Zufahrtsstraßen abgesperrt und dafür gesorgt, dass der Platz weitgehend menschenleer war. Es war kein geplanter Akt, vielmehr hat mich mein Körper dazu gezwungen, etwas zu tun.

Meine Wut brachte mich zum Stehen!

Danach hat man mich behandelt, als sei ich eine Ikone. Das war aber nicht mein Ziel. Die echten Helden dieser Tage sind die Menschen im Gezi-Park gewesen, die ununterbrochen, 19 Tage lang, gegen jede Art von Tyrannei friedlich gekämpft haben. Sie haben uns allen gezeigt, wie eine auf Gleichheit und Brüderlichkeit basierende Welt aussehen kann. Märkte und Büchereien haben sie gegründet, aus denen jeder sich kostenlos so viel nehmen konnte wie er oder sie es nötig hatte. Eine faszinierende Intelligenz kam zum Vorschein mit kreativen Slogans, die sie geschrieben und gerufen haben. Frau oder Mann, jung oder alt, politisch rechts oder links, sie alle respektierten sich, wie man es vorher noch nie erlebt hatte. Eigentlich hatten wir alle nur ein Ziel. Eine Welt, in der es viel mehr Frieden und Respekt gibt. Alles in allem war dieser Aufstand eine Aufgabe, ja sogar ein Muss, die wir den nächsten Generationen schuldig waren.

Natürlich möchte ich mich mit diesem Blog auch für die Auszeichnung in Potsdam, den M100 Medienpreis, bedanken. Als ein Künstler der gegen die Wände kämpft, war es für mich etwas sehr Besonderes, in einer Stadt wie Berlin zu sein, die  es ja bekanntlich geschafft hat, ihre Mauer loszuwerden. Preise an sich haben für mich keine große Bedeutung. Menschen kennen zu lernen und ihnen näher zu kommen, bedeutet dagegen für mich sehr viel. Ich denke, dass ist mir in Deutschland gelungen.

Die Aktion, „Stehender Mann“ war schon an dem Abend, als ich den Taksim-Platz verließ, Geschichte geworden.

Ein Politiker bin ich nicht und werde es nie sein.

Als Künstler und Tänzer werde ich weiter leben.

Wenn ich es geschafft habe, eine kleine Notiz für  mehr Gleichheit in die Geschichte zu schreiben, werde ich sehr glücklich sein.

Euer

Erdem Gündüz.

 

4 Antworten auf „Der stehende Staatsbürger – Duran Vatandaş“

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    Erdem Gündüz; İzmir’in Türkiye’de,Türkiye’nin Dünyada gurur duyduğu, Atatürk’ün TC.’yi emanet ettiği Türk Gençliğinin idolü, Yutta Barış Dünyada Barış sözünün sembolüdür.Erdem’i yetiştiren annesi Meziyet Hanım, babası Altan Bey ile CHP İzmir-Konak ilçe teşkilatında, CHP’yi iktidara getirmek için birlikte omuz omuza çalışmaktan gurur duyuyorum. Selam ve Sevgilerim ile. A.ATALAR Mak.Müh. İzmir İl Genel Meclisi AR-GE Komisyonu Başkanı.

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