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Die Energieform der Zukunft und ihre Kehrseite

Von Felix May / 16. Dezember 2020
picture alliance / Fotostand | Fotostand / K. Schmitt

Deutschland ist Autoland. Etwa 800.000 Arbeitsplätze hängen hierzulande an der Automobilindustrie, die mitten in einer großen Transformation steckt. Auslöser ist Branchenriese und E-Auto-Pionier Tesla. Im selben Zuge wächst jedoch die Kritik.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Brandenburg einmal eine bedeutende Rolle für die deutsche Automobilindustrie spielen würde? Nun verschafft der 1971 in Südafrika geborene, kanadisch-amerikanische Unternehmer Elon Musk dem ostdeutschen Bundesland – konkret dem bisher eher unbekannten Ort Grünheide bei Berlin – weltweite Aufmerksamkeit durch den Bau einer Tesla-Gigafactory. Im Eiltempo werden vollendete Tatsachen geschaffen, während der nächste Coup bereits angekündigt ist: eine lokale Zellproduktion in Deutschland, die den Bedarf der Fabrik decken soll.

Teslas Börsenwert ist ins Unermessliche gestiegen

Die etablierten deutschen Autohersteller belächelten lange Zeit den kalifornischen Vorreiter in Sachen Digitalisierung und E-Mobilität. Trotzdem unterhielt Daimler in den Anfangsjahren von Tesla sogar zwischenzeitlich zehn Prozent der Unternehmensanteile und rettete in den Nullerjahren das finanziell schwache Start-Up vor dem Ruin. Unter der Führung von CEO Dieter Zetsche stieß der Konzern die Anteile jedoch wieder ab. Heute übersteigt der Börsenwert von Tesla den von Daimler um ein Vielfaches.

Aber nicht nur hiesige Autobauer, sondern auch die deutsche Politik war anfangs der E-Mobilität gegenüber zurückhaltend. So gibt es derzeit in der gesamten Bundesrepublik lediglich 30.000 öffentliche Ladesäulen und das ohne einheitliches Bezahl- oder Registrierungssystem. Die deutschen Autohersteller kündigten jedoch Milliardeninvestitionen in die Elektromobilität an und auch die Regierung fördert den Kauf von E-Autos bereits massiv. Bis 2030 sollen zudem eine Million öffentliche Ladestationen installiert werden. Der neue Kurs steht also.

Die klimaunfreundliche Seite des E-Autos

Während die Technologie zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt, nehmen allerdings die Zweifel an der Umweltfreundlichkeit des E-Autos zu. Der wichtigste Bestandteil eines E-Autos, die Batterie, bedarf großer Mengen an Lithium. Dieser Rohstoff wird unter hohem Wasserverbrauch gewonnen, u.a. in Chile. Die Folgen für Mensch und Umwelt in den Abbaugegenden, die ohnehin mit Wasserknappheit zu kämpfen haben, sind fatal. Lithium ist außerdem nur einer von vielen Rohstoffen, der für die Herstellung eines E-Autos benötigt wird. Genauso problematisch ist der Bezug von Cobalt. Mehr als die Hälfte der bekannten Reserven liegen im Südostkongo, einer politisch hochgradig instabilen afrikanischen Region. Auch erfolgt die Stromversorgung in den Produktionsländern häufig auf Basis fossiler und nicht erneuerbarer Energien.

Die Produktion eines E-Autos spielt demnach eine entscheidende Rolle bei der Klimabilanz. Wird die Autofabrik mit Strom aus fossiler Energie versorgt, findet nur eine Verlagerung der CO2-Emissionen von der Straße in das Kraftwerk statt. Dasselbe passiert allen E-Autobesitzern, die nicht mit Grünstrom tanken. Was in Deutschland, das sich die Energiewende auf die Fahnen geschrieben hat, gar nicht mal so einfach ist. Schließlich enthält der gegenwärtig verfügbare Mix immer noch viel Strom aus Kohlekraftwerken.

Die Transformation der Branche hat begonnen

Um den Boom des E-Autos vollends zu verstehen, gilt es, den Blick nach China zu wenden. Die Volksrepublik hat die E-Mobilität bereits früh auf ihre Agenda gesetzt. Nicht nur, weil sie einen großen Teil der seltenen Erden besitzt, die für die Produktion des E-Autos nötig sind, sondern auch, weil insbesondere chinesische Großstädte mit dem Smog der Abgase seit Jahren zu kämpfen haben. E-Autos sollen Abhilfe versprechen. Für die deutsche Automobilindustrie ist China darum nicht irgendein Land. Allein Volkswagen unterhält als weltgrößter Automobilhersteller mit Joint-Venture-Partnern im gesamten Staatsgebiet jetzt schon 33 Werke.

Doch nicht nur das Absatzvolumen in China ist für VW, BMW und Mercedes von Bedeutung. Alle wissen, die Transformation hin zu einer neuen Energieform für die Automobilindustrie ist längst in vollem Gange. Deutsche Hersteller müssen sich in einer neuen Technologie behaupten, ob gewollt oder nicht. Das E-Auto hat einen großen CO2-Ballast durch den schmutzigen Abbau endlicher Rohstoffe, es hat gleichzeitig jedoch ordentliches Potenzial durch eine klimaneutrale Produktion, wie sie unter anderem Tesla anstrebt. Gleiches gilt für den Strom beim Laden. Und je leichter die Wagen sind, desto besser schneiden sie gegenüber Verbrennern ab: Brennstoffzellen verschwenden nicht wenig Energie durch ihren geringen Wirkungsgrad. Eine weitere häufig genannte Alternative sind E-Fuels, künstlich erzeugte Kraftstoffe, die beim Verbrennen nur so viel CO2 freisetzen, wie ihn bei der Produktion zugeführt wurde. Ein weiterer Pluspunkt also, aber noch nicht marktreif.

VW als Vorreiter der deutschen Autohersteller

Gerade fünf Jahre ist es her, dass der Dieselskandal das Land erschütterte. Die Manipulation der Abgaswerte kostete den VW-Konzern Milliarden – und Ansehen. Doch Krisenzeiten und die Notwendigkeit zum Umdenken könnten nun zu einer Chance für die Wolfsburger werden. Wie es scheint, investiert kein anderer deutscher Autohersteller so konsequent in Elektromobilität und Digitalisierung wie der VW-Konzern unter dem aktuellen österreichischen CEO Herbert Diess. Mit dem ID.3 hat VW dieses Jahr sein erstes vollelektrisches Modell der ID-Familie auf die Straße gebracht. Den ID.3 in einer Reihenfolge mit Käfer und Golf zu platzieren, nicht nur das ist das erklärte Ziel, sondern auch eine Ära mitzugestalten, deren Klimafreundlichkeit davon abhängt, wie die Produktions- und Lieferketten sowie die Ladeinfrastruktur ausgestaltet werden.

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