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Die universelle Sprache des Tanzes

Von Madlen Schäfer / 6. Mai 2020
Credit: privat

Tanzen begleitet das Leben von Ihab Sabbah, seit er denken kann. In Deutschland hat der Palästinenser den Verein Yalla Dabka gegründet. Damit andere Menschen die arabische Kultur durch das Tanzen des traditionellen Gesellschaftstanzes aktiv erleben können.

Wenn in Ihab Sabbahs Heimat Dabka getanzt wird, dann gibt es meist etwas zu feiern. Eine Hochzeit oder ein erfolgreicher Universitätsabschluss. Anlässe, zu denen viele Menschen aus dem Ort zusammenkommen, sich an den Händen fassen und zu tanzen beginnen. „Es ist eine Tradition und du zeigst damit auch deine Solidarität, dass du dich für den anderen freust“, erläutert Ihab Sabbah, der aus dem kleinen Ort Nablus nördlich von Jerusalem stammt. Dabka bedeutet übersetzt so viel wie “auf den Boden zu stampfen”. In einer Runde tanzen bis zu 100 Leute unterschiedlichen Alters immer wieder dieselben Bewegung nach, die ein Vortänzer der Gruppe vorgibt.

Mit zehn Jahren hat Sabbah angefangen, Dabka zu lernen. „Das war eigentlich zu spät“, sagt der heute 28-Jährige. Mit 16 Jahren tanzte er dank seines Talents überall, wo es ihm möglich war, und hörte auch nicht damit auf, als er zum Studieren an die Universität nach Jerusalem ging. Sogar wenn er auf Demonstrationen protestierte, wurde getanzt. „Egal wo ich hingehe, ich tanze. Ich bin glücklich, wenn ich tanze. Ich fühle mich dann zu Hause“, sagt Sabbah. 2017 verschlug es ihn für seinen Freiwilligendienst weit weg – nach Berlin. „Ich habe hier Freiheit erlebt und konnte nicht mehr dahin zurück, wo ich mit weniger Freiheit hätte leben müssen“, begründet er seinen Entschluss, auch nach dem Ende seines Freiwilligendienstes in Deutschland zu bleiben.

Einzigartige Gruppenidentität

In Deutschland lebt er seine Tanzleidenschaft weiter aus. Alle zwei Wochen zeigt er anderen Menschen, wie sie Dabka tanzen können. Und dann tanzen alle gemeinsam wie in seiner Heimat, halten sich an den Händen und kommunizieren, selbst wenn sie die Sprache des anderen nicht sprechen, allein über die Bewegung. „Bei Dabka sind alle gleich, sie machen alle dieselben Bewegungen, halten sich an den Händen und haben Spaß. Als Gruppe entwickelt man dabei sozusagen eine eigene Identität. Wir sind als Gruppe wie ein einzigartiger tanzender Körper, dem sich alle zugehörig fühlen“, erklärt Sabbah. Aufgrund der Pandemie finden die Kurse aktuell über die App Zoom statt. Ungefähr 20 Menschen nehmen in der Regel an den virtuellen Tanzworkshops teil. Dabei ist eine Kamera auf Sabbahs Füße, eine weitere auf seinen gesamten Körper gerichtet. Dadurch können die Teilnehmer seine Bewegungen zu Hause nachmachen. „Natürlich ist es nicht dasselbe, aber es bereitet uns trotzdem Freude.“

Ihab Sabbah (li.) in Aktion. (Foto: Yalla Dabka)

Die ersten Schritte unternahm der Verein Yalla Dabka vor einigen Jahren. Sabbah, ein schmaler junger Mann mit schwarzer Kurzhaarfrisur, Bart und sympathischem Lächeln, besuchte in Berlin einen Integrationskurs und hatte dennoch das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören. „Ich wollte die deutsche Kultur selbst erfahren und wusste, das geht nur, wenn ich Deutsch kennenlerne”, erläutert Sabbah. Deshalb ergriff er die Initiative und stellte verschiedene Projekte auf die Beine, um mit Deutschen in Kontakt zu kommen und ihnen gleichzeitig seine eigene Kultur näherzubringen. Bei einem Kochkurs kochte er Gerichte aus seiner Heimat und lehrte die Teilnehmer nebenbei die arabischen Namen einzelner Zutaten. Danach versuchte er es mit einem Arabischkurs, um interessierten Menschen hier seine Muttersprache beizubringen. All das hatte aber nicht den gewünschten Erfolg. „Es war nicht interaktiv, häufig schauten die Leute nur zu. Die Sprache war vielen zu schwer, sodass sie nicht dabeiblieben.”

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Kontakt, aber keinen Zugang

Im Integrationskurs lernt er jedoch Mohamad aus Syrien kennen, in den Pausen tanzen beide Dabka. Sie beschließen, anderen Menschen ihre Kultur durch Dabka quasi ‚ertanzbar‘ zu machen. Mit bis zu 30 Menschen verabredeten sie sich damals und tanzten in Berliner Parks. Ein großer Vorteil: Beim Tanzen braucht man nicht viel, nur den eigenen Körper. „Die Tanzworkshops wurden viel besser angenommen, weil es interaktiv war. Es ist leichter, als zum Beispiel eine Sprache zu lernen, und man beschäftigt sich dennoch miteinander und der Kultur des anderen“, sagt Sabbah. Sprachbarrieren spielen keine Rolle mehr, alle Teilnehmer vereint der Tanz. „Die Menschen fühlen sich nicht unter Druck gesetzt, etwas können zu müssen. Sie haben einfach Spaß”, erklärt Sabbah. Denn die Sprache des Tanzes sei universell, ist Sabbah überzeugt.

Mittlerweile wohnt Ihab Sabbah in Hamburg und studiert IT-Management und Consulting. Regelmäßig Dabka tanzt er auch in der Hansestadt. Die Initiative Über den Tellerrand fördert Yalla Dabka, gemeinsam veranstalten sie nun Tanzworkshops in Hamburg. Und auch auf Reisen, wenn Sabbah für eine NGO Seminare abhält, tanzt er häufig mit den Teilnehmenden. Denn er ist überzeugt: „Tanzen bringt Menschen so schnell und mit so viel Freude zusammen, wie nichts anderes sonst”.

Links:

https://yallahamburg.net/2020/03/14/yalla-dabka

https://www.facebook.com/yalladabka/

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