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Ego-Boost Reality-TV

Von Luzie Funke (Politikorange) / 11. Juni 2024
picture alliance / Zoonar | Khosrow Rajab Kordi

Die Geissens teilen seit 2011 ihr luxuriöses Leben mit der Welt; Formate wie das „Dschungelcamp“ oder „Germany’s next Topmodel“ gibt es seit rund zwei Dekaden. Doch woher kommt der Erfolg? Wie beeinflussen diese Sendungen unsere eigenen Gefühle und zwischenmenschlichen Beziehungen?

„Rooooobert!“ plärrt Carmen über das Deck der Indigo-Star, der Luxus-Jacht der Geissens und das nun schon seit 2011. Seitdem wurden 22 Staffeln über die „schrecklich glamouröse“ Familie gedreht; mittlerweile haben die beiden Töchter ihre eigene Show. Auch das „Dschungelcamp“ gibt es bereits seit 20 Jahren und „Germany’s Next Topmodel“ geht inzwischen in die 19. Runde. Trotz wachsender Kritik genießen die Unterhaltungsshows hohe Einschaltquoten. Ein Erfolgskonzept – aber woran liegt das? Was macht Reality-TV aus?

Sendepause, aber nur für das Hirn

Zunächst einmal zeichnet sich das Format in seiner Einfachheit aus. Reality-TV ist eine wunderbare Ablenkung nach einem langen Arbeitstag. Es gibt keine komplexen Handlungsstränge, Konzentration ist nicht zwingend erforderlich. Einschalten, sich berieseln lassen und wenn man etwas verpasst, ist das auch kein Problem. Einfache Unterhaltung also, die gleichzeitig auch noch als Ego-Boost fungiert. Die Medienwissenschaftlerin Dr. Laura Sūna der Universität Siegen hat zu diesem Thema geforscht und begründet dies so: Durch das gemeinsame Schauen von Reality-TV-Formaten entstehen Emotionsgemeinschaften, die verschiedene Aspekte des Zuschauens beschreiben: freundschaftliche Zusammengehörigkeit, die Lästergemeinschaft oder das Fremdschämen.

(Anti)soziales Fernsehen

Der Ego-Boost kommt durch die Lästergemeinschaft zustande. Man setzt sich von den Teilnehmer*innen der Reality-TV Formate ab, lästert über deren Erscheinungsbild und Intellekt oder verspottet deren Verhalten. Man erfreut sich daran, dass andere Menschen sich öffentlich zum Affen machen. Durch den Vergleich mit sich selbst und der sozialen Abgrenzung im Anschluss fühlt man sich selbst klüger, besser, kultivierter. Ein Ego-Boost also, der von einem Gefühl der Überlegenheit gefüttert wird.

Neben der Lästergemeinschaft spielt auch die Freundesgemeinschaft eine Rolle. Reality-TV Formate werden oft in Gruppen konsumiert und fördern somit die Entstehung sozialer Bindungen. Das gemeinsame Schauen wird zu einem Ritual und einem Fernseherlebnis, das mit Freude, Gemütlichkeit und Geborgenheit verbunden ist. Der Austausch mit anderen Zuschauer*innen stärkt das Zugehörigkeitsgefühl. Dank Social Media kann dies auch über den Bekanntenkreis hinaus gehen. So werden Zuschauer*innen Teil von etwas Größerem – sie werden Teil der Gruppe der Popkulturfans, so die Wissenschaftlerin Laura Sūna.

Dieser identitätsstiftende Gedanke lässt sich auch noch weiterspinnen. Reality-TV als Bestandteil der Popkultur prägt Generationen. Ob in der Schule oder im Arbeitsumfeld, ob mit engen Kontakten oder lockeren Bekanntschaften, Reality-TV Formate sind ein ergiebiges Gesprächsthema. Selbst wenn man das jeweilige Format nicht exzessiv angeschaut hat und nur beim Durchzappen gelegentlich draufgestoßen ist, hat man doch oft schon etwas darüber gehört. Und sei es nur durch ein aus dem Kontext gerissenes Meme. Käsekönigin Susanne, Claudia Oberts Champagnervorliebe oder auch Heidis Phrase „Heute habe ich leider kein Foto für dich“ werden somit zu popkulturellen Referenzen. Zudem ist es sehr leicht seine Meinung zu diesen Formaten zu äußern, da sie, wie schon der Begriff „Trash-TV“ ahnen lässt, negativ konnotiert sind. Kaum jemand wird sich also für die Qualität dieser Formate aussprechen. Dass sich die Meinungen in einer Gruppe ähnlich sozialisierter Menschen überschneiden, ist folglich relativ wahrscheinlich. Dementsprechend ist die Gefahr, jemanden vor den Kopf zu stoßen, begrenzt. Und da wären wir wieder bei der Lästergemeinschaft.

Reality-TV ist ein gemeinschaftsförderndes Format, das reichlich Gesprächsstoff bietet. Sich austauschen, echauffieren und mit dem Finger auf andere zeigen, ohne jegliche Konsequenz, schweißt zusammen. Anders als bei einer fiktiven Geschichte geht es bei dem Format Reality-TV um reale Menschen mit vermeintlich echtem Verhalten und Reaktionen. Es ist ein nahbares Format, das zu einem direkten Vergleich mit dem eigenen Leben einlädt. Ein Alleinstellungsmerkmal des Reality-TVs, wie bereits der Name verrät. Als Erfolgskonzept scheint es sich bewährt zu haben, was die Zuschauer*innenzahlen beweisen.

Und so bleibt uns auch nächstes Jahr Heidis Model-Expertise nicht aus. Neben der 20. Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ ist für das Jubiläumsjahr sogar schon eine weitere Show mit Heidi Klum angekündigt worden. Auch das Jetset-Leben der Geissens zwischen Monaco, Saint-Tropez und Dubai geht weiter und kann in der aktuell ausgestrahlten 22. Staffel mitverfolgt werden.

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