FÜXE oder Ein beklemmend günstiges WG-Zimmer
Das erste Mal in der Geschichte des Kurzserienfestivals „die Seriale“ waren dieses Jahr auch langformatige Serien zugelassen. Gewinner war die in Hessen produzierte vierteilige ZDF Dramaserie „Füxe“.
Welchen Haken könnte ein Zimmer haben, das nur 150 Euro Warmmiete pro Monat kostet? Diese Frage stellt sich auch BWL-Erstsemesterstudent Adem Karemi. Der junge Mann mit kosovarischen Wurzeln möchte den armen Familienverhältnissen entkommen. Und braucht unbedingt ein Zimmer. Als er das Angebot der Studentenverbindung „Gotia“ auf einem Onlineportal entdeckt, ändert er bei der Bewerbung seinen Namen in Adam Karem und versucht sein Glück. Ohne zu wissen, was ihn erwartet.
Eine Chance für Adem?
Kurz zuvor hat Adem bei der Wohnungssuche eine junge Jurastudentin und Sozialarbeiterin kennengelernt, die mehr Glück als er bei einer linksalternativen WG hatte. Es beginnt eine Liebesbeziehung zwischen den beiden, während Adem zugleich erlebt, was es bedeutet, Teil einer Studentenverbindung zu sein. Die reine Männer-WG wohnt in einer großen Villa. Im Treppenhaus hängen Bilder von allen Mitgliedern der Gruppe, insbesondere den Alt-Herren, die zum Teil sehr erfolgreich sind und das WG-Leben finanzieren. Adem sieht seine Chance. Er lässt sich auf endlose Besäufnisse ein, lernt das Fechten und nimmt die starren Traditionen und Hierarchien an.
Seine Mitgliedschaft in der Gruppe verschweigt er seiner Freundin, bis sich beide auf einer Party begegnen. Er ist mit seinen Mitbewohnern dort, die natürlich zum Trinken da sind. Er flieht aus der Situation, kann sie aber wiedergewinnen. Er erklärt ihr, dass die Traditionen zwar schrullig seien, aber er von der Gemeinschaft nur profitieren würde. Er lädt sie zu einer Party in der Villa ein, um sie davon zu überzeugen, dass seine Mitbewohner weder rechts noch gefährlich seien. Tatsächlich gefällt ihr die Feier, die, wie so oft, in einem fröhlichen Besäufnis endet.
Das Böse blitzt durch
Während seine Freundin beginnt, ihre Meinung zu dem Corps, wie sich die Studentenverbindung selbst nennt, zu ändern, beichtet er einem Mitbewohner seinen richtigen Namen und seine Herkunft. Die Stimmung kippt. Das Corps-Mitglied beschimpft ihn und droht damit, allen davon zu erzählen. Fatal für Adem, insbesondere weil er gerade dank der Verbindung einen Job in einer Vermögensberatung erhalten hat. Der Vater des Seniors der Gruppe sieht in ihm seinen Zögling, während er von seinem eigenen Sohn enttäuscht ist.
Der Mitbewohner stellt Adem vor eine bösartige Wahl. Entweder werden alle von seiner Lüge erfahren – und er wird alles wieder verlieren – oder er hilft ihm dabei der neue Senior der Verbindung zu werden. Adem, hin- und hergerissen zwischen Auszug und Intrige, nutzt schließlich diese vergiftete Chance. Der Senior steht wegen einer Prüfung kurz vor der Exmatrikulation, ein unverzeihliches Vergehen in den Kreisen des Corps. Am Abend vor der Prüfung trifft Adem den Senior beim Lernen an. Er bietet ihm am, ihm beim Lernen zu helfen, wie er es bisher häufig getan hatte. Der Senior ist gut vorbereitet. Adem schlägt vor, jedes Mal ein Bier zu trinken, wenn der Senior richtig liegt und stößt damit das nächste Besäufnis an, bei dem der Senior miteinsteigt. Bis dieser zusammensackt und auf dem Boden einschläft. Adem macht dann das Licht aus – für ihn und für seinen Mitbewohner für immer.
Ein gelungenes, hochaktuelles Gesellschaftsdrama
„Füxe“ erzählt meisterhaft davon, wie das Böse unter dem Mantel der Normalität und einer starken Männerfreundschaft immer wieder hervorblitzt. Wie maßloser Alkoholkonsum als Spaß kaschiert wird, auch wenn er schon längst regelmäßiger Kontrollverlust geworden ist. Eine Pflicht ebenso wie das Fechten, das mit ernsthaften Reden und kruden Zeremonien begleitet wird. Narben im Gesicht werden als eine Auszeichnung glorifiziert. Die Ungewissheit darüber, was im Corps erlaubt ist, lässt den Zuschauer mitfiebern. Einerseits feiert das Corps in einer normalen Disco zu moderner Partymusik und gibt sich lässig beim Alkoholtrinken. Der Senior räumt ein, dass es zwar schwarze Schafe bei den Corps gebe, aber sie nicht dazu gehören würden; andererseits bestätigt die hassvolle Reaktion des Mitbewohners auf die Beichte von Adem das Bild einer fremdenfeindlichen, rechten Gruppierung, die aus Intrigen besteht. Genauso wie die demütigenden Liegenstütze- oder Saufeinheiten, die die Füxe von ihren Anwärtern verlangen.
Dadurch kommt die Serie vermutlich der Realität sehr nah. Die Eindeutigkeit von Labels wie „konservativ“ oder „rechts“ trifft auf eine Realität mit hoher Ambiguität. Ist jede Studentenbindung rechts und was heißt das überhaupt? Auch wenn „Füxe“ eine so pauschale Frage nicht in Gänze beantworten kann, durchbricht die Serie das Schubladendenken und verdeutlicht zugleich, welche Wahrheit in diesem stecken kann. Denn das Böse ist meistens ziemlich eindeutig erkennbar.