Flüchtlingskrise: Wo Du jetzt mit anpacken kannst
In Deutschland werden dieses Jahr bis zu eine Million Flüchtlinge erwartet – und viele von ihnen wollen bei einem erfolgreichen Asylantrag in Deutschland bleiben. Unterstützung wird dringend gebraucht – aber wo und wie?
Die Bilder am Münchener Hauptbahnhof gingen weltweit durch die Medien. Tausende Flüchtlinge waren kurzfristig in der Landeshauptstadt angekommen – und obwohl die Polizei vor Ort war, fehlte es an allem. Nur durch das spontane Engagement der Münchener war es möglich, die Menschen schnell zu versorgen.
Der Vorfall zeigt: Die Kommunen und Länder sind mit der momentanen Situation überfordert. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres sind knapp 200.000 Asylanträge in Deutschland eingereicht worden – laut des Bundesamts für Migration mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Insgesamt werden bis zu eine Million Menschen erwartet.
Wo die Politik nicht vorbereitet ist, springt vielerorts die Zivilgesellschaft ein. 16 Hamburger Organisationen, darunter der Arbeiter-Samariter-Bund und das Diakonische Werk Hamburg, erklärten kürzlich in einem Appell an die Öffentlichkeit: „Wenn alle mit anpacken, schaffen wir das!“
Was kann ich machen?
Wer helfen möchte, sollte sich gut überlegen, was er machen will. „Helfer sollten nicht nur schauen, was im Moment gebraucht wird, sondern auch, wo die eigenen Stärken und Grenzen liegen“, rät Andrea Kothen von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Die Arbeit könne mitunter sehr anstrengend sein. Es sei deshalb wichtig, dass man sich selbst nicht überfordere und auch bei eigenen Projekten professionelle Hilfe von erfahrenen Organisationen einhole.
Die Anzahl der Angebote für Flüchtlinge ist in den vergangenen Wochen massiv gestiegen. In vielen Bereichen sind Bürger dort aktiv, wo eigentlich der Staat zuständig wäre: beispielsweise bei der Ausstattung von Wohnungen oder bei der Besorgung von Lebensmitteln, Kleidung und Windeln. „Großartig, dass es die aktuelle zivilbürgerliche Bewegung gibt“, sagt Kothen. Wichtig sei es aber auch, Projekte zu entwickeln und zu unterstützen, bei denen der Staat nicht zuständig ist, beispielsweise rund um die Integration der Neuankömmlinge in den Alltag. Dazu gehörten Freizeitangebote wie Sportvereine und Musikclubs.
Welche Projekte gibt es in meiner Nähe?
Wer helfen möchte, aber nicht weiß, welche Projekte es gibt, kann auf der Seite von Pro Asyl nach Initiativen in der Umgebung suchen. Außerdem kann man sich bei den jeweiligen Flüchtlingsräten vor Ort informieren. In diesen organisieren sich die verschiedenen Flüchtlingsinitiativen des jeweiligen Bundeslandes. Hier findet man ihre Kontaktdaten.
Aktuelle Projekte, die Helfer suchen, findet man auch über die Flüchtlingsräte. Ein Beispiel für eine Initiative ist FreiZeit für Flüchtlingskinder, die zum Verein Exil – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge gehört. Dort werden regelmäßig Aktionen für Flüchtlingskinder angeboten, die in Erstaufnahmeeinrichtungen in Osnabrück und Umgebung leben.
Wer eine eigene Initiative im Sportbereich starten will, hat die Chance auf finanzielle Zuschüsse. Für die Einbindung von Flüchtlingen in Sportvereine gibt es unter Umständen Fördergelder. In Baden-Württemberg unterstützt der Landessportverband Sportvereine finanziell, wenn sie Projekte für Flüchtlinge planen. Über eine Zusatzversicherung sind diese auch versichert. Ähnliche Maßnahmen gibt es auch in Schleswig-Holstein und anderen Bundesländern. Ob die Sportverbände Fördergelder bereitstellen oder andere Unterstützung bieten, kann man bei diesen direkt erfragen. Die Kontaktdaten findet man hier.
Kann ich Deutsch unterrichten?
Rund 40 Prozent der Asylanträge wurden laut Innenminister Thomas de Maizière im vergangenen Jahr positiv beschieden. Das heißt: Die Menschen bleiben in Deutschland. Umso wichtiger ist es deshalb, dass sie Deutsch lernen. „Eigentlich liegt Deutschunterricht in der Verantwortung des Staates“, sagt Andrea Kothen von Pro Asyl. „Trotzdem klappt das bisher kaum. Deshalb sollte man bei Interesse nach lokalen Initiativen suchen.“ Es gebe kein bundesweites Angebot, sondern viele kleine Projekte.
Dazu gehört auch die Arbeit der nordrhein-westfälischen Kirchengemeinde Kelzenberg, wo mehrmals pro Woche Kindern und Erwachsenen Deutsch beigebracht wird. Um zu unterrichten, muss man keine Fachkraft sein, wie Pro Asyl bestätigt. Das gleiche gilt für andere Förderungen wie Computer- und Bewerbungstrainings.
Wie helfe ich durch das Bürokratie-Labyrinth?
Flüchtlinge, vor allem diejenigen mit geringen Deutsch- und Englischkenntnissen, haben es im Bürokratie-Alltag schwer. Deshalb suchen viele Organisationen Freiwillige, die geflüchtete Menschen bei Behördengängen, Arztbesuchen oder bei der Anmeldung in der Schule begleiten. Vor allem bei Flüchtlingsberatungen ist der Bedarf groß. Kontaktdaten findet man hier. Am besten einfach anrufen und Hilfe anbieten.
Ein weiteres großes Problem, bei dem Hilfsbedarf besteht, ist die Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen. Laut des Bundesfachverbands Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge sind allein 2014 mehr als 10.000 Minderjährige nach Deutschland gekommen, die meisten von ihnen aus Syrien, Somalia und Afghanistan. Die Kinder haben ein Recht darauf, durch das Jugendamt betreut und versorgt zu werden – und dass sie einen sogenannten Vormund bekommen. Häufig sind für diese Aufgaben von der Kommune nur wenige Stellen vorgesehen, sodass immer Ehrenamtliche gesucht werden, die Vormundschaften übernehmen wollen. Dafür kann man sich beispielsweise beim Kinderschutzbund Hamburg melden.
Eine Vormundschaft bedeutet nicht, dass das Kind beim Vormund einzieht. Dieser vertritt das Kind nur rechtlich und soll bei Entscheidungen helfen, beispielsweise darüber, wo das Kind unterkommt und wo es zur Schule geht. Weitere Infos hier.
Ich will Arbeitsplätze vermitteln!
Asylsuchende und Geduldete dürfen in den ersten drei Monaten nicht arbeiten. Danach gilt das Prinzip des „bevorrechtigten Arbeitnehmers“, bei dem geprüft werden muss, ob es nicht auch einen EU-Bürger gibt, der den Arbeitsplatz besetzen könnte. Diese Regelung setzt erst nach 15 Monaten aus. Das heißt: Es ist für Flüchtlinge schwierig, Arbeit zu finden. Um das zu ändern, gibt es seit kurzem die Ausbildungs- und Arbeitsplatzbörse workeer.de. Das Projekt, das im Rahmen der Bachelorarbeit von zwei Berliner Studenten entstanden ist, versucht Arbeitgeber und geflüchtete Menschen zusammenzubringen. Wer eine freie Arbeitsstelle kennt, kann diese eintragen. Eine Jobvermittlung gibt es auch bei anderen Initiativen. Eine davon ist die schleswig-holsteinische Initiative Mehr Land in Sicht. Wo man sonst noch Jobs für Flüchtlinge melden kann, wissen die Flüchtlingsräte.
Ein wichtiger Tipp: Die Arbeitsagenturen sind verpflichtet, anerkannten Flüchtlingen bei der Suche nach Jobs zu beraten. Sie sind nicht verpflichtet, diese zu vermitteln, aber sie müssen eine Beratung durchführen. Deshalb kann sich ein Besuch bei der Arbeitsagentur für Flüchtlinge lohnen.
Wo kann ich Sachspenden abgeben und was wird gebraucht?
Flüchtlinge kommen häufig mit nicht mehr Besitz nach Deutschland als den Klamotten am Leib. Deshalb sind Sachspenden wichtig. Es ist sinnvoll, bei lokalen Initiativen zu fragen, woran es aktuell besonders mangelt. Viele Organisationen veröffentlichen Bedarfslisten, zum Beispiel die Liste der Inneren Mission München. Dort wird im Moment Winterkleidung und Unterwäsche gebraucht, aber keine Damenkleidung. Ein weiteres Beispiel ist die Bedarfsliste der Initiative Moabit hilft, die ständig aktualisiert wird. Dort sucht man im Moment unter anderem Fahrräder, Fußbälle und Kosmetikartikel.
Wohin soll ich Geld spenden?
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) bietet eine Übersicht über die meisten Hilfsorganisationen, die man überstützen kann. Spezielle Hilfsorganisationen, die sich um Flüchtlinge bei ihrer Fahrt über das Mittelmeer kümmern, sind Ärzte ohne Grenzen, Seawatch und Alarmphone. Internationale Hilfsorganisationen in diesem Bereich sind das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und Medico International. In Deutschland sind bekannte Organisationen Aktion Deutschland Hilft, ein Bündnis deutscher Hilfsorganisationen, sowie die Diakonie Katastrophenhilfe.
Wer nicht nur eine Organisation sucht, sondern auch einzelne Projekte unterstützen will, kann sich beispielsweise auf der Seite von betterplace.org umsehen. Betterplace ist nach eigenen Angaben die größte Spendenplattform Deutschlands, auf der Initiativen ihre Projekte vorstellen, um Spendengelder und Unterstützer zu finden. Die Seite finanziert sich über Privat- und Unternehmensspender. So gehen alle Spenden zu 100 Prozent an die jeweiligen Organisationen. Mittlerweile gibt es allein 70 Hilfsprojekte für Flüchtlinge auf der Seite. Um diese schneller zu finden, hat die Organisation die neue Seite fluechtlingshilfe.betterplace.org eingerichtet. Ein aktuelles Projekt ist vom Verein ÇAR-DEST, der Geld für den Aufbau einer Feuerwehr in Rojava in Nordsyrien sammelt.
Ich habe ein Zimmer frei!
Durch die stark gestiegenen Flüchtlingszahlen sind viele Aufnahmeeinrichtungen überfüllt. Privatsphäre gibt es für die Menschen dort kaum und im Winter werden viele der provisorischen Zeltstädte nicht mehr genug Schutz für die Menschen bieten. Deshalb versuchen viele Initiativen, private Unterkünfte zu vermitteln.
Wer in einer Wohngemeinschaft lebt und ein Zimmer frei hat, kann sich bei der Initiative Flüchtlinge Willkommen melden. Die Organisation vermittelt Flüchtlingen Zimmer und hilft bei dem Papierkram, der dafür nötig ist. Die Miete wird durch die offiziellen Stellen übernommen oder durch Mikrospenden von Privatleuten finanziert, bei deren Sammlung die Organisation ebenfalls helfen kann.
Über Flüchtlinge Willkommen wurden schon 80 Zimmer an Menschen aus Ländern wie Afghanistan, Irak und Iran vermittelt.
Ich will meine Wohnung vermieten!
Um eine Wohnung anzubieten, meldet man sich am besten bei der Kommunalverwaltung und lässt sich an die zuständige Behörde weitervermitteln. Unterstützt diese die Privatunterbringung von Flüchtlingen, kann man seine Wohnung prüfen lassen. Eignet sie sich aus Sicht des Amts für die Unterbringung, schließt man mit diesem einen Mietvertrag ab. Weitere Informationen gibt es in der Broschüre von Pro Asyl.