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Für Europa werben – eine junge Perspektive

Von Anna Julia Schmidt / 6. Oktober 2015
picture alliance / ZUMAPRESS.com | Tolga Akmen

Der britische Premierminister David Cameron hat angekündigt, bis Ende 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU durchzuführen. Da die Entscheidung vor allem Folgen für die junge Generation haben würde, wird über eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre diskutiert. Eine junge Meinung zu diesem Thema hat Anna Wilson, Vertreterin des Young European Movement (YEM) in GB.

Anna, du engagierst Dich beim Young European Movement UK (YEM). Was ist eure Mission?

YEM ist eine Organisation für junge Menschen bis zu einem Alter von 35 Jahren. Derzeit sind wir etwa 1.200 Mitglieder. Die Zahl steigt aufgrund des anstehenden Referendums stetig an, da das Interesse für die EU, sowohl positiv als auch negativ, ansteigt. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir überparteilich arbeiten. Dadurch vereinen wir sehr viele verschiedene Blickwinkel und individuelle Hintergründe. Es ist uns möglich, ein großes Netzwerk an Pro-Europäern für nationale und internationale Themen zu mobilisieren. Wir werden uns bald der Ja-Kampagne für das EU-Referendum anschließen, um unsere Unterstützung für Europa zu zeigen.

Warum engagierst du dich bei YEM?

Ich habe mich YEM angeschlossen, nachdem ich realisiert hatte, dass das Konzept der EU-Freizügigkeit für mich unglaublich wichtig ist. Ich habe es für selbstverständlich gehalten, dass ich mich einfach in ein Flugzeug setzen und innerhalb Europas überall hinfliegen kann, ohne ein Visum beantragen zu müssen. Auch die Möglichkeit, dass man im europäischen Ausland studieren kann, was ich momentan mache, fasziniert mich. Ich bin überzeugt, dass „Zuhause“ überall dort sein kann, wo ich es möchte. Es gibt jedoch gegenwärtig auch sehr viele anti-europäische Stimmungen und Meinungen gegen die europaweite Freizügigkeit. Daher habe ich mich YEM angeschlossen, um Europa und dessen Werte, welche auch meine Werte sind, zu verteidigen.

Anna Wilson ist überzeugte Europäerin. Bei YEM engagiert sie sich für den Verbleib Großbritanniens in der EU.
Anna Wilson ist überzeugte Europäerin. Bei YEM engagiert sie sich für den Verbleib Großbritanniens in der EU.

Wie würdest du die Partizipationsbereitschaft von Jugendlichen in England bezüglich Europa einschätzen? 

Wie eigentlich überall hat die politische Partizipation in traditionellen politischen Organisationen in den vergangenen Jahren leider abgenommen. Besonders junge Menschen scheinen sich weniger in traditionellen politischen Organisationen engagieren zu wollen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich Menschen weniger mit Politik beschäftigen. Während immer weniger Menschen wählen gehen, organisieren sich mehr und mehr Menschen bei Demonstrationen, unterzeichnen Online-Petitionen oder treten Organisationen wie YEM bei, um ihre politischen Ansichten auszudrücken. Die politische Partizipation ist sozusagen unkonventioneller gewordern.

As a European, as long as I am within our borders, I am home.

Die überwältigend große Demonstration Solidarity with Refugees, die Mitte September in London stattgefunden hat, ist ein Beweis dafür, dass Europa ein wichtiges Thema für die Briten ist. Die aktuelle Flüchtlingskrise findet große Beachtung, vor allem unter Jugendlichen. Ich glaube, dass auch das anstehende EU-Referendum bereits das Interesse vieler junger Menschen geweckt hat.

Wie ist die Stimmung mit Hinblick auf das EU-Referendum? 

Momentan gibt es in Großbritannien eine weitverbreitete Skepsis gegenüber der EU. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass es sich dabei um eine laute Minderheit handelt. Diejenigen, die gegen die EU sind, tendieren dazu, ihre Ansichten provokativ und fremdenfeindlich auszudrücken. Dies erregt mehr Aufmerksamkeit und hat zur Folge, dass Großbritannien als anti-europäisches Land wahrgenommen wird. Ich bin davon überzeugt, dass das Referendum mit einem Ja zur EU gewonnen werden kann, wenn jede und jeder abstimmen wird. Es ist unsere Aufgabe, für das Abstimmen zu werben.

Wie argumentierst du für einen Verbleib Großbritanniens in der EU? 

Die Organisation YEM hat zum Ziel, für engere Verbindungen innerhalb der Europäischen Union zu werben. Wir glauben, dass das Vereinigte Königreich uneingeschränt mitwirken sollte, wenn es alle Vorteile der EU nutzen will. Unsere Organisation vereinigt zahlreiche verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Ich persönlich befürworte die weitere Integration Großbritanniens in Europa.

“Working for a stronger European Union with the UK at its heart” ist euer Slogan. Was bedeutet Europa für dich persönlich?

Persönlich ist mir Europa sehr wichtig, weil ich stark an seine Fähigkeit glaube, Frieden herzustellen und Menschenrechte zu wahren. Ich glaube, dass es eine unfassbare Leistung ist, dass ein Kontinent, der sich über hunderte von Jahren im Krieg befand, es geschafft hat, innerhalb von 80 Jahren zum friedlichsten Kontinent der Erde zu werden. Nach Jahrzehnten des Krieges haben wir endlich einen Zustand erreicht, bei dem allein der bloße Gedanke an einen Krieg mit einem anderen europäischen Land vollkommen unvorstellbar ist. Dieser unfassbare Schritt hätte ohne die EU nicht geschehen können.

Denkst du bei den „gewahrten Menschenrechten“ wieder an die Freizügigkeit?

Absolut. Die Idee, dass eine Person ihr ganzes Leben in einem Land verbringen muss, weil sie dort geboren wurde, erscheint mir vollkommen irrational und veraltet. Aufgrund von Europa sind wir nun in der Lage, uns frei zwischen verschiedenen Ländern zu bewegen, die wir uns selbst aussuchen können. Wir sind nicht mehr an etwas Willkürliches wie nationale Grenzen gebunden. Diese Freiheit kann nur Europa garantieren. Das sind nur zwei von unzählig vielen Gründen, warum ich Europa unterstütze.

Wenn du dir etwas von der europäischen Politik wünschen könntest, was wäre das? Was muss sich an der Europapolitik ändern?

Momentan würde ich mir eine Einigung der Mitgliedstaaten bezüglich einer Quotenregelung für die Verteilung der Flüchtlinge wünschen. Wir müssen uns daran erinnern, dass die EU eine Union ist. Die EU besteht nicht nur aus wenigen Staaten, die hart für das Wohl aller arbeiten. Es gibt eine humanitäre Krise, der Europa mit der nötigen Humanität entgegentreten muss.

8 Antworten auf „Für Europa werben – eine junge Perspektive“

  1. Von Anonymous am 6. Oktober 2015

    Super Artikel! 🙂

    1. Von Anonymous am 6. Oktober 2015

      Wirklich toll!
      Tolles Interview, interessante Fragen.
      Super!

  2. Von Anonymous am 6. Oktober 2015

    Interessant mal den Blickpunkt einer jungen EU-Befürworterin zu hören. Gut dargestellt!

  3. Von Turtle am 6. Oktober 2015

    Klasse Bericht! Nicht nur interessante Antworten, die tiefgründig sind, sondern auch spannende Fragen. Besonders die Antwort bei Frage 6 ist super. Großes Lob! 🙂

  4. Von Anonymous am 7. Oktober 2015

    Was für ein großartiger und interessanter Bericht! 🙂

    Sie hat vollkommen Recht. Europa ist eine Chance, eine Errungenschaft, in der wir alle an einem Strang ziehen sollten und das gilt eben auch für die Flüchtlingskrise.

    1. Von Anonymous am 7. Oktober 2015

      Sehe ich auch so! Die Flüchtlingskrise betrifft ganz Europa. Leider drücken sich zu viele Länder vor der Verantwortung.

  5. Von Udo Seiwert-Fauti am 8. Oktober 2015

    Es lohnt sich vielleicht darauf hinzuweisen, dass in Schottland beim Unabhängigkiets- Referendum bereits 16 – 18 Jhare junge Wähler abstimmen durften…und die EU und Europalage north of the border sich ganz anders darstellt als die in dt. Medien verbreitetetn London-zentrierten Berichte es wahrmachen wollen….London ist schon lange nicht mehr gleich UK!

  6. Von Marion Heil am 10. Oktober 2015

    Hallo,

    meine Freunde in England fragen, ob es den Artikel auch in englischer Sprache gibt?

    Ich hatte ihn nur in der deutschen Version geteilt.

    Viele Grüße
    Marion

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