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Ich bin ein Star – wer arbeitet hier für wen?

Von Martin Wilhelm (Politikorange) / 11. Juni 2024
picture alliance / dpa-tmn | Christin Klose

Arbeiten die Teilnehmer*innen für die Einschaltquoten des Senders? Oder arbeiten die Produzent*innen für die Karriere der Teilnehmer*innen?

Vielleicht arbeiten auch die Produzent*innen für die Unterhaltung der Zuschauer*innen? Oder sind doch die Teilnehmer*innen für die Unterhaltung der Zuschauer*innen zuständig?

„Das geht ja mal gar nicht!“

Auf der einen Seite kann man kritisieren, dass im RTL-Dschungelcamp Menschen vorgeführt werden. Die Teilnehmer*innen werden die ganze Zeit gefilmt, müssen sich vor den Zuschauer*innen beweisen und sich in den sogenannten „Dschungelprüfungen“ Sterne verdienen, um mehr Essen zu erhalten. In diesen Prüfungen sollen beispielsweise Tiere wie Maden, Kakerlaken oder Ratten für den gewissen „Ekelfaktor“ sorgen. Wenn ein*e Teilnehmer*in gegen die Regeln der Produktion verstößt, sind Bestrafungen die Folge. Im diesjährigen Dschungelcamp wurden, einer Schätzung der Augsburger Allgemeinen nach, von der Produktion zwischen 15.000 und weit über 100.000 Euro pro Teilnahme ausgegeben. Die Gagen hängen von der Bekanntheit der teilnehmenden Person ab, obwohl sich alle Teilnehmer*innen denselben Herausforderungen stellen.

Meiner Ansicht nach ist es kritisierbar, dass man Menschen bezahlt, damit sie würdelose Dinge vor ganz Deutschland tun. Dies dient dann der Unterhaltung und Belustigung von Zuschauer*innen.

„Entertainment pur“

Fakt ist aber, dass es wissenschaftlich erforschte Gründe gibt, warum viele Menschen Reality-TV-Formate schauen. Die Medienwissenschaftlerin Dr. Laura Sūna von der Universität Siegen berichtet aus ihrer Forschung, dass Menschen, die regelmäßig solche Sendungen schauen, eine emphatisch-emotionale Bindung zu den Teilnehmer*innen entwickeln. Außerdem bilden diese Zuschauer*innen sogenannte „Emotionsgemeinschaften“. Damit ist gemeint, dass die Zuschauer*innen oft gemeinsam mit

Freund*innen solche Sendungen schauen und sich über die Sendungen austauschen. Dabei lästern sie oft über die Teilnehmer*innen und grenzen sich dadurch von ihnen ab. Zu dieser Abgrenzung gehören Sätze wie: „Die nehmen da doch freiwillig teil“, „Die wissen doch worauf sie sich einlassen“ oder „Die bekommen doch Geld dafür, dass ich es mir anschaue. Also warum beschweren die sich?“

Ich schaue selbst seit Jahren gerne „Ich bin ein Star holt mich hier raus“ und habe mir bisher nicht viele Gedanken über meinen Konsum gemacht. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich mehr mit ethischen und moralischen Fragen beschäftigt. Kritikpunkte wie der, dass Menschen für Geld vorgeführt werden, kann ich nachvollziehen. Allerdings spricht der Erfolg des Dschungelcamps für sich. Beispielsweise sahen laut Rheinischer Post über fünf Millionen Menschen die Auftaktfolge der diesjährigen Staffel.

Für mich persönlich hat die Sendung einen „Lagerfeuer-Charakter“ (im doppelten Sinne), da es sich um nichts Weltbewegendes handelt und man sich sehr gut über solche Banalitäten am nächsten Morgen im Büro oder Hörsaal austauschen kann. Die Sendung dient dem Entertainment und man kann dabei super vom stressigen Alltag abschalten. Ich fühle mich nicht schlecht, wenn ich die Sendung schaue. Die Teilnehmer*innen haben freiwillig bei vollem Bewusstsein den Vertrag unterschrieben und verdienen sich eine goldene Nase. Viele Menschen in Deutschland träumen von so einem Gehalt. Entweder kommen Teilnehmer*innen aus kleineren Formaten und wollen die Chance nutzen, sich einem größeren Publikum zu präsentieren. Oder sie versuchen Jahre nach dem ersten Durchbruch wieder in die Öffentlichkeit zu treten. Außerdem gibt es die Sendung bereits seit 2004, sodass beide Seiten (Zuschauer*innen und Teilnehmer*innen) wissen, was auf einen zukommt. Auch zu erwähnen ist, dass in so einem Format gesellschaftlich relevanten Themen eine Plattform gegeben werden kann. Beispielsweise sprach die Gewinnerin der diesjährigen Staffel, Lucy Diakovksa, im Camp über ihre Homosexualität. Meiner Meinung nach macht sie das zu einem Vorbild für viele Menschen. Außerdem finde ich, dass es einer der Mitgründe war, warum sie Dschungelkönigin wurde.

Aufgrund der genannten Gründe, finde ich es nicht verwerflich, wenn man das Dschungelcamp schaut. Klar ist, dass jede zuschauende Person es mit ihrem eigenen Gewissen selbst vereinbaren muss. Jeder (volljährige) Mensch ist für sein eigenes Handeln und Auftreten verantwortlich. Egal, ob auf der Seite der Zuschauer*innen, der Teilnehmer*innen oder der Produzent*innen.

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