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In Krisenzeiten braucht es Mut

Von Christina Mikalo / 7. Juli 2021
picture alliance / Bildagentur-online/Blend Images | Blend Images/Don Mason

Trotz aktuell sinkender Inzidenzwerte sorgt die Pandemie weiter für Unmut. Vielen klagen über mangelnde Planungssicherheit und sorgen sich, was die Zukunft bringt. Zu viel Angst kann jedoch gefährlich werden.

Die Corona-Krise nimmt offenbar kein Ende. Immer, wenn sie überwunden scheint, tauchen neue Mutationen auf, wie zuletzt die Delta-Variante.

Viele, sehr viele Menschen verunsichert das. Kein Wunder: Existenzen stehen auf dem Spiel. Laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) sind von Mai 2020 bis April 2021 nicht weniger als 888.185 Arbeitsuchende aus der Arbeitslosenversicherung in den Bereich des Zweiten Buchs des sogenannten Sozialgesetzbuchs (SGB II) geraten – sie bekommen jetzt „Hartz IV“. Das ist ein Zuwachs von 56,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die coronabedingten Einschränkungen haben dem DGB zufolge viel mit den Jobverlusten zu tun. Sie rauben zahlreichen Menschen aber noch mehr als Beschäftigung und Einkommen. So steigt laut einer europaweiten Umfrage im Auftrag des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR) infolge der Pandemie bei vielen Deutschen die Skepsis gegenüber der Europäischen Union (EU). Fast die Hälfte der Befragten gab gegenüber dem ECFR an, aufgrund der Impfstoffpolitik weniger oder sogar sehr viel weniger Vertrauen in die EU zu haben.

Junge Menschen plagen Zukunftssorgen

Auch die Politik in Deutschland bekommt diese Entwicklung zu spüren. Gerade junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren haben einer Umfrage der Generation Stiftung zufolge das Gefühl, von der derzeitigen Regierung in ihren Interessen ignoriert zu werden. Fast 55 Prozent sehen sich durch keine Partei mehr vertreten. Und erschreckende 70 Prozent verbinden das mit einer großen Angst vor der Zukunft in 50 Jahren.

Damit einhergeht bei vielen Jugendlichen ein Gefühl der Vereinsamung infolge der sich häufenden Lockdowns. Auch psychische Probleme und finanzielle Sorgen sind dem Deutschen Ärzteblatt zufolgestärker als noch vor Corona unter jungen Menschen verbreitet.

Die Ängste der Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben dabei Folgen für den Arbeitsmarkt. Betriebe melden, dass sie weniger Bewerbungen erhielten und dadurch weniger Auszubildende als sonst einstellen könnten. SchulabgängerInnen gäben sich unsicher, ob Branchen wie die Gastronomie und der Tourismus auf Dauer noch Bestand hätten.

Ängste machen anfälliger für Manipulationen

Diese Sorgen seien zwar laut den Unternehmen unbegründet – allerdings fällt es ihnen in Zeiten fehlender Jobmessen und Praktika schwerer, diese Botschaft an SchulabgängerInnen zu vermitteln.

Was dagegen viele beim „Couching“ daheim vermehrt erreicht, sind Inhalte, die über das Internet, Fernsehen und Radio vermittelt werden. So stieg nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen der Medienkonsum während der Pandemie deutlich an – verschiedenen Berichten zufolge auf durchschnittlich mehr als zehn Stunden pro Tag.

Eine Gefahr dabei: Nicht nur seriöse, sondern auch Falschmeldungen verbreiten sich rasch über die diversen Kanäle. Für manche Menschen, die wegen der Pandemie bereits starke Ängste plagen, kann das zur Gefahr werden.

So vermeldet die Bundeszentrale für politische Bildung, dass diejenigen Personen, die schlecht mit Unsicherheiten, wie die momentane Krise sie erzeugt, umgehen können, anfälliger für Verschwörungstheorien seien. Denn diese reduzieren komplexe Inhalte auf einfach erklärbare Phänomene und geben ihnen dadurch Sicherheit.

Wie wichtig ein Gefühl von Sicherheit für die Menschheit im Allgemeinen ist, zeigt bereits die sogenannte Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow aus dem Jahr 1943. „Sicherheit“, bezogen zum Beispiel auf die Wohn- und Einkommenssituation, steht dort gleich nach den Grundbedürfnissen wie Essen, Schlafen und Sex. Menschen streben demnach ihrer Natur gemäß eher nach Schutz und Stabilität, anstatt sich auf als ambivalent und chaotisch empfundene Zustände wie die derzeitigen einzulassen.

Aus der Krise neuen Mut für Veränderungen schöpfen

Fakt ist aber: So schnell werden weder Covid noch die damit verbundenen existenziellen Ängste enden. Eher wirken diese lähmend auf die Betroffenen. Doch in Pandemie-Zeiten sollten wir uns nicht davon abhalten lassen, etwas zu wagen und Neues auszuprobieren. Selbst wenn dies aktuell mehr Kraft, Mut und Überwindung kosten mag als vor Corona.

Bei allen Risiken bieten Ausnahmesituationen wie die jetzige nämlich immer auch Chancen – auf eine Umgestaltung der Arbeitswelt beispielsweise durch mehr Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes, was der Vereinbarkeit von Job und Familie zugutekommen könnte.

Zudem hat die Pandemie bei allen (berechtigten) Sorgen auch gute Seiten. Während der Lockdowns 2020 sank der weltweite CO2-Ausstoß auf einen historisch niedrigen Wert. Die Digitalisierung nahm in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens an Fahrt auf. Und sogar die körperliche Betätigung stieg während der Pandemie an, so einige Statistiken.

Neue Entwicklungen geben Anlass zur Hoffnung

In diesem Zusammenhang erscheint das Folgende vielleicht nur wie die logische Schlussfolgerung: Im März 2021 gab es in Deutschland so viele Geburten wie zuletzt vor 20 Jahren um diese Zeit. Und nachdem 2020 oft von gegenteiligen Meldungen die Rede war, wuchs das Vertrauen in die Wissenschaft laut dem globalen 3M State of Science Index 2021 – kurz SOSI-Index – zuletzt wieder.

Vielleicht ist also das die Botschaft, die wir aus dieser Zeit übernehmen sollten: Mut, sich auf Neues einzulassen und Vertrauen zu entwickeln, lässt sich offenbar auch in Krisenzeiten finden.

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