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Internet nicht verstanden

Von Sagwas-Redaktion / 31. August 2012
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Der Politik wird häufig vorgeworfen, die Mechanismen des Internets nicht zu verstehen, häufig kurzsichtige Entscheidungen zu treffen. Wenn ich mir den vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ansehe, dann trifft dieses Urteil in diesem Punkt leider zu. Aus Sicht der großen Verlage liegt es nahe, dass sie eine Einnahmequelle wittern, wenn Plattformen […]

Der Politik wird häufig vorgeworfen, die Mechanismen des Internets nicht zu verstehen, häufig kurzsichtige Entscheidungen zu treffen. Wenn ich mir den vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ansehe, dann trifft dieses Urteil in diesem Punkt leider zu. Aus Sicht der großen Verlage liegt es nahe, dass sie eine Einnahmequelle wittern, wenn Plattformen wie Google, zum Beispiel mit Google News, Werbeerlöse erzielen, auf denen kurze Ausschnitte und Links zu Inhalten der Verlage gelistet werden. Den Verlagen, die das Leistungsschutzrecht maßgeblich erfunden haben, ist somit kein Vorwurf zu machen. Sie handeln im eigenen Interesse.

Politische Entscheidungen müssen jedoch mehr bedenken, als die Interessen einer Gruppe. Und da stelle ich einfach fest: Das Leistungsschutzrecht wird, wenn es so beschlossen wird, unabsehbare und im negativsten Fall katastrophale Folgen haben für das Internet, wie wir es heute kennen.

Negative Folgen für die Vielfalt und die Freiheit von Informationen und des Netzes insgesamt. Was passiert zum Beispiel, wenn die vom Leistungsschutzrecht betroffenen Angebote – bleiben wir beim Beispiel Google –  nicht mehr gelistet werden, weil sie möglicherweise mit allen möglichen Content-Anbietern einzelne Verträge abschließen müssten? Kann es denn wirklich im Interesse der Verlage sein, wenn in Zukunft Presseangebote von Suchergebnissen ausgenommen werden?

Zudem ist völlig unklar, wer nach dem Gesetz eigentlich unter das Schutzrecht fällt. Theoretisch müsste das jeder sein, der regelmäßig journalistische Inhalte publiziert. Die Nutzer profitieren doch aber gerade davon, dass Inhalte im Internet leicht und zielgerichtet zu finden sind und andererseits profitieren auch die Content-Anbieter vom kleinen Blogger bis zum größten Verlag genau davon, dass sie über Suchmaschinen gefunden werden. Der Charakter des Internets ist geprägt vom Suchen, Auffinden, Teilen und Verlinken von Inhalten. All das könnte durch ein Leistungsschutzrecht, wie es die Koalition beabsichtigt, konterkariert werden. Wie sich das Leistungsschutzrecht genau auswirken wird, ist derzeit völlig unklar und wird wohl erst in zahlreichen Gerichtsverfahren wirklich deutlich werden. Doch warum die Inkaufnahme all dieser Unwägbarkeiten und Kollateralschäden? Zumal alle großen Verlage schon heute mit  Hilfe einer einfachen technischen Routine und auf Basis des geltenden Urheberrecht leicht alle Inhalte aus einer Suchmaschinen entfernen könnten, wenn sie dort nicht mehr auftauchen möchten. Und wer hat sie überhaupt gezwungen, ihre Inhalte kostenfrei ins Netz zu stellen und einseitig auf eine Werbefinanzierung zu setzen?

Deshalb nochmal mein Urteil zur Diskussion um das Leistungsschutzrecht: Es ist das gute Recht der Verlage eine solche Regelung einzufordern. Politik muss jedoch möglichen Folgen in einer Gesamtbetrachtung abwägen. Und hier überwiegen für mich eindeutig die Risiken und Unwägbarkeiten sowie die erwartbaren Kollateralschäden für die Kommunikationsfreiheit und für ein freies und offenes Netz.

Über den Autor:

Lars Klingbeil, Jahrgang 1978, sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Er ist netzpolitischer Sprecher der Fraktion im Unterausschuss Neue Medien und in der Enquete-Kommission “Internet und Digitale Gesellschaft”. Außerdem sitzt Klingbeil im Verteidigungsausschuss und im Ausschuss für Kultur und Medien. Darüber hinaus ist er bei D 64, dem SPD-nahen „Zentrum für Digitalen Fortschritt“, engagiert.

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