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Junge Utopien für Europa

Von Hilke Kaspar / 26. Mai 2019
Bild von Bahar Mahzari/ CUBE

Null Bock und keinen Plan. Das ist meist der erste Gedanke, der durch den Kopf schießt, wenn man an Jugendliche und Politik denkt. Doch seit der „Fridays for Future“-Bewegung, den Artikel 13-Protesten und Aktivistinnen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer wird deutlich: Junge Menschen interessieren sich sehr wohl für ihre Zukunft und sind bereit, sich für ihre Ziele einzusetzen.

Aber das Gefühl des „Nicht-ernst-genommen-Werdens“ bleibt im Bewusstsein der Jugendlichen. Das soziale Projekt CUBE. Your Take on Europe hat sich daher etwas zur Aufgabe gemacht, was zunächst sehr banal klingt und dennoch immer wichtiger wird: jungen Menschen aufmerksam zuzuhören. Was sind eigentlich die Probleme, die unsere nächste Generation bewegen? Und welche Ideen hat sie, um diese zu lösen?

Um das zu beantworten, war CUBE in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit im Februar und März 2019 an vierzehn verschiedenen Schulen in ganz Bayern unterwegs. Um vor der Europawahl möglichst viele junge Menschen zu erreichen, wurden für dieses Projekt dreißig neue Facilitator*innen ausgebildet, gemeinsam mit den Schüler*innen Ideen auszuarbeiten und im anschließenden Dialog mit einer*m lokalen*r Politiker*in zu diskutieren. Dabei stand eine Frage in diesen vier Wochen im Vordergrund: Wie sieht deine Utopie der politischen Teilhabe aus?

Die „neuen“ sozialen Medien

Ein Thema, das Jugendliche aller Schulen beschäftigte, liegt auf der Hand: Politik in sozialen Netzwerken. Was die EU eigentlich tut, bekommt von den Schüler*innen keiner so wirklich mit – auch, weil sie sich abseits der Institutionen auf anderen Kanälen informieren. Die Schülerinnen der Ursulinen-Realschule in Landshut machten den Dialogpartner Joachim Menze von der Vertretung der Europäischen Kommission in München auf genau diesen Punkt aufmerksam. Während viele politische Akteure weiterhin die Plattformen Facebook oder Twitter nutzen, sind junge Menschen zunehmend auf Instagram und Snapchat unterwegs. Menze antwortete in der Fishbowl-Diskussion mit den Schülerinnen prompt: „Das liegt morgen in Brüssel!“ Weitere Ideen reichten von verschiedene Hashtag-Kampagnen, kurzen Videos zu aktuellen Themen bis hin zu Umfragen, deren Ergebnisse direkt im EU-Parlament vorgetragen werden sollen und Übertragungen von Landtags-, Bundes- und EU-Parlamentssitzungen. Ziel war aus Sicht der Schüler*innen vor allen Dingen, das Problem der mangelhaften Wissensvermittlung in Schulen und sozialen Netzwerken zu lösen.

Dner, LeFloid und BibisBeautyPalace

Hinter diesen Namen verstecken sich drei junge Menschen, die eine Gemeinsamkeit haben: Sie sind Influencer*innen. Um sie dreht sich vieles auf den „neuen“ sozialen Medien. Das Potential, ihre Communities auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen oder für bestimmte Probleme zu sensibilisieren, griffen unter anderem auch die Schüler*innen der Georg-Rexroth-Realschule aus Lohr am Main auf. Eine wichtige Erkenntnis aus den Workshops: Schüler*innen wissen nicht, wie sie sich eigentlich (außerhalb von Parteien) genau engagieren sollen. Im Dialog mit dem Bürgermeister der Stadt, Dr. Mario Paul, stellten sie ihr Projekt vor, das in Kooperation mit Influencer*innen vor allen Dingen darüber informieren soll, wie, wo und warum man sich eigentlich gesellschaftlich oder politisch engagieren kann und sollte. Erweitert wurde diese Idee von einer Gruppe des Gymnasiums in Herzogenaurach mit der Idee eines Instagram-Accounts, auf dem kurze Statements bekannter Influencer*innen und YouTuber*innen zum Thema „Wie beeinflusst euch die EU im Alltag?“ veröffentlicht werden sollen.

Die EU vor Ort erleben

Doch nicht alle Utopien drehten sich um die Themenfelder Digitalisierung und soziale Medien. Einige Schüler*innen sahen großes Potenzial stattdessen in Projekten, die in Zusammenarbeit mit ihrer jeweiligen Schule stattfinden sollen. Beispielsweise arbeitete eine Gruppe des Gymnasiums in Ergolding an der Idee einer Exkursion nach Brüssel in der 9. Klasse als Lösung für das fehlende Interesse ihrer Mitschüler*innen. Einen anderen Ansatz verfolgte eine zweite Gruppe der Georg-Rexroth-Realschule. Ihr Konzept beinhaltete die Organisation eines EU-Sommerfestes. Dabei sollte jede Klasse ein Mitgliedsland durch Esskultur, landestypische Musik oder aktuelle Politik repräsentieren, um so ebenfalls Interesse und Lust an europäischer Politik und Kultur zu wecken.

Die Zukunft von Parteien

Schüler*innen des Gymnasiums in Regensburg thematisierten eine sehr spannende Entwicklung. Ihr Vorschlag sah die Gründung einer sogenannten „Zukunftskommission“ vor. Bei dieser Idee handelt es sich um eine parteiübergreifende Gruppe junger Menschen, die sich speziell auf Themen ihrer Zukunft, z.B. Umwelt und Bildung, konzentrieren sollte. Auch die Shell-Studie betrachtete 2017 genau diesen Trend. Demnach wuchs zwar die Bereitschaft junger Menschen, sich für ihre Zukunft einzusetzen und sich politisch zu engagieren, Parteien profitierten von dieser Veränderung weitestgehend allerdings nicht. Der Grund: Jugendlichen fällt es zunehmend schwer, sich für die eine, „richtige“ Partei zu entscheiden. Auch die fehlende Entscheidungsgewalt einzelner (junger) Menschen innerhalb einer Partei betrachteten viele Schüler*innen als Hindernis.

Der Dialog geht weiter

Diese und neue Ideen wurden und werden von CUBE gesammelt und durch den Aufbau einer Jugendlobby zunehmend in den europäischen Institutionen hörbar gemacht. Bereits jetzt konnten wir erste kleine Erfolge in der Umsetzung der Utopien sehen. Beispielsweise wurde die Idee von wöchentlichen Zusammenfassungen der Sitzungen des Bayerischen Landtages in den sozialen Netzwerken von Schüler*innen des Gymnasiums in Königsbrunn aufgeworfen und prompt vom Dialogpartner Dr. Fabian Mehring (Freie Wähler) umgesetzt: in jeder Sitzungswoche wird nun ein Kurzvideo zu den wichtigsten Themen und Initiativen hochgeladen. Um Jugendliche in ganz Europa weiterhin darin zu bestärken, sich einerseits aktiv mit politischen Strukturen zu beschäftigen, die ihr Alltagsleben und ihre Zukunft prägen, und andererseits ihre eigene Meinung zu vertreten und als wichtigen Teil der Gesellschaft anzusehen, hört der Dialog nach den Workshops allerdings nicht auf, sondern wird hoffentlich in Zukunft in unserer Gesellschaft weitergeführt.

Der allumfassende CUBE-Abschlussbericht mit sämtlichen Ideen zur Verbesserung der gegenwärtigen politischen Kommunikation erscheint nach seiner Fertigstellung auf http://cubeyourtake.eu/ und geht außerdem an relevante politische Akteure in europäischen Institutionen. 

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