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Malen nach Schönheitsidealen

Von Anna Steinmeier / 15. Januar 2020
picture alliance / Westend61 | Julio Rodriguez

In den sozialen Medien folgen wir Personen, die so sind, wie viele gern wären: Schön, schlank und scheinbar immer im Urlaub. Dass auch Influencer ihre Realität offen hinter Filtern verstecken, spielt dabei kaum eine Rolle. Das unerreichbare Ideal zählt, auch wenn es nicht glücklich macht, wie ich selbst feststellen konnte. Ein Drama in sechs Akten.

Wie alles begann

Als ich 2013 in den USA lebte, entdeckte ich eine App, die mich meine Bilder mit meinen Freunden zuhause teilen ließ: Instagram. Auch danach postete ich fleißig einfach alles, von Landschaften über Essen bis hin zu Selfies. Obwohl ich nur die besten Bilder nahm, stellte ich schnell fest, dass die Fotos anderer Nutzer irgendwie bunter, außergewöhnlicher und fast wie aus einer Traumwelt waren. Ihre Körper hatten die perfekten Proportionen, für die ich irgendwann das passende Hashtag kennenlernte: #bodygoals.

1. Ich mal mir die Welt…

Die App Facetune lernte ich 2017 kennen. Während einer Summer School aß ich mit mehreren Mädchen zu Mittag, als eine von ihnen, nennen wir sie Chloé, ihre Selfies checkte, die sie zuvor gemacht hatte, um eines für Instagram auszuwählen. Konzentriert wischte sie nach rechts und links, um kurz darauf aufzuschreien: „Why didn’t you guys tell me how pale I am?!“ Die Mehrheit der erfolgreichen Influencerinnen auf Instagram ist weiß. Allerdings auch wieder nicht so weiß, wie Chloé anscheinend auf ihrem Foto aussah. Mit wenigen Klicks suchte sie sich eine “passendere“ Farbe für ihre Haut aus und fand sich erst danach schön genug, um das Foto unter #bodygoals zu teilen.

2. Von Malern und Musen

Die #bodygoals-Hysterie, die durch Instagram ausgelöst und dank Influencern und App-Filtern verstärkt wurde, basiert auf Normen, die älter sind als jede Social Media-Plattform: Schönheitsideale. Zu Zeiten des flämischen Barock-Malers Peter Paul Rubens waren es üppige, „rubenesque“ Frauen, die als Inbegriff von Schönheit galten – ein Ausdruck, der heute noch zur Beschreibung übergewichtiger Frauen benutzt wird. Damals aber galten diese meist adeligen Frauen mit ihren Körperformen als erstrebenswertes Ideal, das Wohlstand repräsentierte. Nicht nur die Inspirationsquellen, auch die Definition dessen, was eine schöne Frau ausmacht, haben sich im Laufe der Zeit also mehrfach gewandelt. Galt in den 1960er Jahren noch Marilyn Monroe mit ihrer schlanken Taille auf Filmplakaten und in Magazinen als weibliches Körperideal, so übernahm in den ’70ern die durchtrainierte Jane Fonda mit ihren Fitnessvideos den Thron.

3. Körpervielfalt im Netz

Das Internet stellt seit den frühen 2000ern den Ursprung für den Kult um den (eigenen) Körper dar. Waren in den 1990ern dünne Supermodels wie Kate Moss nur auf Magazincovern und internationalen Laufstegen von Modemetropolen zu finden, so verbreitete sich dieses gehypte Körperbild online plötzlich in Windeseile durch Fashionblogs und in vernetzten Communitys wie der “ProAna“-Bewegung für Magersüchtige. Zeitgleich gab es mit der Dove-Werbekampagne zu “Body Positivity“ eine mediale Gegenbewegung, die sich mit normalgewichtigen Models bewusst zur Wehr zu setzen wusste. Grundsätzlich kann man festhalten, dass durch das Internet und seine vielfältigen Medienformate verschiedene Körperideale geradezu zelebriert werden.

4. #bodygoals

Mit Instagram trat bald ein fragwürdiger neuer Körpertrend in Erscheinung: Die Fitnessinfluencerin. Inspiriert wurde dieser Look – eine junge, trainierte Frau, oft mit ausladendem Hintern und flachem Bauch – von den Kardashian-Schwestern, die vor allem durch ihre gleichnamige Reality-Show einem Millionenpublikum auch außerhalb der USA bekannt wurden. Die Bloggerin Cassey Ho analysierte 2019 die „Top 100 Influencerinnen auf Instagram“ – also jene mit den meisten Followern, Likes und Kommentaren. Die meisten ausgesuchten Persönlichkeiten entsprachen dem derzeit geltenden Ideal. Sie hatten zudem große Augen, volle Lippen, große Brüste und eine kleine Nase. Ob sie im Alltag so aussehen, bleibt offen. Mit Facetune und Photoshop kann sich jeder die gewünschten Eigenschaften verpassen. Den Kardashians wurde mehrfach nachgewiesen, dass ihre Fotos vor der Veröffentlichung gründlich “geschönt“ worden waren.

5. Kontrolle und Kontrollverlust

Dass bestimmte Plattformen und Apps einer Person erlauben, vollkommene Kontrolle darüber zu erhalten, wie die Außenwelt sie wahrnimmt, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Jeder kann seinen Newsfeed optimieren und ohne sichtbaren Makel “auftreten“: Kleine Veränderungen, wie das Retuschieren von Pickeln, Hautrötungen und Fältchen, lassen sich jederzeit ohne großen Aufwand vornehmen. Doch das hat seinen Preis, insofern das kontinuierliche Selbstoptimieren und Retuschieren des eigenen Körpers letztlich das Selbstbild verzerrt. Wissenschaftler der britischen Royal Society for Public Health (RSPH) fanden in einer Studie heraus, dass Instagram vor allem junge Mädchen dazu verführt, ihren eigenen Körper abzulehnen und ihr ungefiltertes Erscheinungsbild sowie alltägliches Leben als minderwertig zu empfinden. Auch in meinem Alltag ist der Druck, einem Idealbild zu entsprechen, mittlerweile angekommen.

6. Schön – nur nicht ich

Obwohl es mir damals seltsam vorkam, wie Chloé sich selbst retuschierte – zumal jeder ihrer Freunde weiß, wie sie “in echt“ aussieht – benutzte ich kurz darauf selbst zum ersten Mal Facetune. Ich hatte meine Bachelorarbeit abgegeben und wollte das natürlich mit der gesamten Welt teilen. Nur hatte ich die Nächte vorher durchgearbeitet. Dementsprechend ungesund blass war meine Haut und umso dunkler meine Augenringe. So ein Abbild von mir wollte ich nicht posten. Ich probierte Facetune aus. Ich gab meiner Haut eine gesündere Farbe, eliminierte meine Augenringe und machte nebenbei auch gleich noch meine Arme dünner. Danach postete ich zufrieden das Bild und bekam viele Likes. Ich sah wirklich gut aus – nur nicht wie ich selbst.

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