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DebatteDarf man Umweltschäden für den Klimaschutz in Kauf nehmen?

Von Jonas Waack / 30. Dezember 2020
picture alliance / REUTERS | Hannibal Hanschke

Klima- und Umweltschutz werden oft behandelt, als seien sie das Gleiche. Dabei gibt es zahlreiche Situationen, in denen Klimaschutz der Umwelt schadet oder Umweltschutz dem Klimaschutz im Wege steht. Alles nur vergeudete Energie?

Zu welch bizarren Situationen der Konflikt zwischen Klima- und Umweltschutz führen kann, wird wohl nirgendwo deutlicher als im mecklenburgischen Kreien. Hier wehrt sich die Gemeinde seit Jahren gegen die Errichtung eines Windparks und hat eigens dafür einen Nistplatz für Fischadler eingerichtet, um die gefährdete Art anzulocken. Denn wo der Fischadler nistet, darf kein Windrad stehen. Nur ist der Windparkbetreiber auch nicht untätig geblieben und hat neben der vorgesehen Niststätte einen Lautsprecher aufstellen lassen. Aus diesem plärren Hundegebell, Motorenlärm und Bohrmaschinengeräusche in Richtung Nest, was bislang die Ansiedlung des Adlers effektiv verhindert hat.

So albern es auch wirken mag, zeigen die Kreiner*innen, dass Umwelt- und Klimaschutz nicht identisch sind. Und das kann dazu führen, dass der Ausbau von Stromtrassen und Windrädern aus Umweltschutzgründen gehemmt wird, obwohl er für die Begrenzung der Erderhitzung ungeheuer wichtig ist – immerhin ist der Energiesektor für etwa 84 Prozent aller Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich.

Von Vermaisung, Atomkraft und Bergbau

Damit hängt auch die Förderung von Biogasanlagen zusammen, in denen weitgehend CO2-neutral Strom und Wärme erzeugt werden, indem die Gase verbrannt werden, die Biomasse beim Vergären freisetzt. Dafür besonders geeignet ist Mais. Für den Boden ist er allerdings besonders schlecht. Bereits durch zu große einheitliche Anbauflächen, auf denen mit der Zeit oft Monokulturen ihren Platz finden, nimmt die Artenvielfalt ab, was zu weniger natürlicher Schädlingsbekämpfung und verstärktem Einsatz von Pestiziden führt.

Ein weiteres Konfliktfeld ist die Atomkraft, aus der Deutschland seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 nach und nach aussteigt. Eine der zentralen Gründungsforderungen der Grünen entpuppt sich jedoch aktuell als zweischneidiges Schwert: Weil Deutschland gleichzeitig aus Kohle- und Kernenergie aussteigen will, müssen 35 statt 23 Prozent der Energieversorgung des Landes anderweitig beschafft werden. Nur wie? Genau: mit Windkraft, Biogas und fossilem Erdgas.

Der Bedarf an erneuerbaren Energien wird in Zukunft auch noch steigen, weil Eisenbahnen und Elektroautos Verbrenner ersetzen sollen. Letztere sind insofern ein Problem, als es bei der Förderung ihrer wichtigsten Rohstoffe – Cobalt und Lithium – zu massiver Umweltzerstörung kommt. Die Cobaltförderung kann Flüsse, Seen und Grundwasser verseuchen. Lithium wird vor allem aus Salzseen gewonnen, wofür riesige Mengen Wasser notwendig sind, deren Förderung den Grundwasserspiegel senkt und die Salzschicht zerstört. Das ist für die dortige Tier- und Pflanzenwelt offenkundig schädlich und trifft so indirekt auch die lokale Bevölkerung, die von ihr und dem Abbau von Salz wirtschaftlich abhängig ist.

Erderhitzung bedroht die Biodiversität

An anderer Stelle gehen Klima- und Umweltschutz durchaus Hand in Hand. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES stellt in seinem aktuellen Biodiversitätsreport fest, dass naturbasierte Lösungen, die Biodiversität fördern, 37 Prozent der für das Erreichen des „Zwei-Grad-Ziels“ notwendigen Maßnahmen ausmachen können. Zugleich bedroht der Klimawandel zunehmend die Artenvielfalt. Einerseits wegen der höheren Durchschnittstemperaturen und des geringeren Niederschlags, andererseits weil durch ihn Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Stürme und Überflutungen wahrscheinlicher werden. Dazu kommen noch die Folgen des Meeresspiegelanstiegs und der Versauerung der Meere, wodurch zum Beispiel Korallenriffe absterben, die Lebensraum für eine Vielzahl seltener Tierarten bieten.

Obwohl Umweltschutz dem Klimaschutz im Wege stehen kann, hilft es der Umwelt langfristig, der Klimakrise entgegenzuwirken. Und es gibt zahlreiche Ideen für den Schutz von Klima und Umwelt. Zentral ist laut IPBES vor allem die Bewahrung bereits existierender Wälder, Moore und küstennaher Vegetation wie Mangrovenwälder.

Vieles wissen wir einfach nicht

Bei einigen Klimaschutzmaßnahmen ist der Einfluss auf die Umwelt schlicht nicht bekannt. Das prominenteste Beispiel ist Geo-Engineering, bei dem durch technische Erfindungen Ozeane und Atmosphäre verändert werden sollen, um die Erderhitzung zu stoppen. Zum Beispiel hat im Jahr 2012 der amerikanische Unternehmer Russ George 120 Tonnen Eisensulfat in den Pazifik gekippt, um eine Planktonblüte zu erzeugen, die per Photosynthese CO2 binden könnte. Das Problem: Es ist nicht vorhersehbar, welche anderen Auswirkungen diese 120 Tonnen Eisensulfat auf das Ökosystem Ozean haben.

Als mahnendes Beispiel können die Torfmoore in Schottland dienen. Nachdem es in den 1980er Jahren in Großbritannien dank Steuererleichterungen finanziell sehr attraktiv wurde, Bäume zu pflanzen – die konservative Regierung wollte die Nutzholzproduktion fördern –, machten sich Unternehmer*innen daran, Moore trockenzulegen, um dort Bäume zu pflanzen. Auf den ersten Blick scheint das auch als Klimaschutzmaßnahme geeignet, schließlich binden Bäume viel CO2. Weil gesunde Moore CO2 aber viel besser speichern, werden die damals gepflanzten Bäume heute wieder gefällt, um die schottischen Torfmoore zu regenerieren und sie als CO2-Senken zu erhalten. Die Vorstellung mutet absurd an: Bäume fällen fürs Klima. Aber es zeigt, dass wir in vielen Fällen die Auswirkungen unseres Handelns nicht ausreichend verstehen. Und selbst in den Fällen, in denen wir sie kennen – Batterien, Kernkraft, Biogas – sind Aushandlungsprozesse und Kompromisse zwischen Klima- und Umweltschutz nötig.

Und hier ein paar Einschätzungen aus der deutschen Bevölkerung zum Thema:

Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 4.-5.12.2020 ca. 2.500 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Einzelergebnisse findet sich unterhalb der jeweiligen Kategorien.


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