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ProGerechtigkeit durch Grundeinkommen

Von Patricia Kutsch / 28. April 2017
picture alliance / ZB | Sascha Steinach

In Deutschland gibt es genug Wohlstand, der Wirtschaft geht es gut. Es wäre nur gerecht, wenn alle Menschen davon profitieren könnten. Das bedingungslose Grundeinkommen würde das ermöglichen.

Viele Menschen in Deutschland haben schlecht bezahlte Jobs. Knapp vier Millionen Menschen verdienen nur den Mindestlohn. Mehr als zwei Millionen verdingen sich sogar in zwei Jobs, um ihre Familie ernähren zu können. Derzeit gelten in Deutschland laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband 15,7 Prozent der Menschen als arm. Konkret versteht die Wissenschaft darunter eine Einzelperson, die insgesamt weniger als 979 Euro im Monat zur Verfügung hat oder zwei Elternteile mit zwei Kindern, die zusammen mit weniger als 2.056 Euro auskommen müssen. Unter Alleinerziehenden sind 44 Prozent von Armut betroffen, bei kinderreichen Familien sind es 25 Prozent.

Der Mindestlohn wurde einst eingeführt, um die Not dieser Menschen zu reduzieren. Aber was heißt Not? Der Mindestlohn ermöglicht zwar das Leben in einer reichen Gesellschaft wie der deutschen. Für einen angemessenen, nicht schambehafteten Lebensstandard reicht er gewiss nicht aus. Um soziale Gerechtigkeit zu schaffen, müssen wir weiter gehen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde insbesondere der Unterschicht und der unteren Mittelschicht helfen, am anhaltenden Wohlstand in Deutschland teilzuhaben. Es würde allen Bürgern in Deutschland ein würdiges Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen – ohne soziale Unsicherheiten und Existenzängste. Aber noch funktioniert der Plan nicht. Die Armutszahlen steigen weiterhin.

Lebenserhaltende Maßnahme: Existenzsicherung für alle

Arbeit soll sich lohnen. An den Wirtschaftszahlen lässt sich die Wahrhaftigkeit dieses Mottos bereits ablesen. Warum sollen also nicht auch alle, die zu einer guten Wirtschaftsleistung beitragen, gleichermaßen von ihr profitieren können? Gerade dies würde doch eine sozial gerechte Gesellschaft ausmachen. Das bedingungslose Grundeinkommen sichert das Existenzminimum, also das Überleben – und jeder zusätzlich verdiente Euro verbessert nicht nur die eigene finanzielle Situation.

„Anders als in totalitären Systemen gehen wir in unserer Gesellschaft grundsätzlich davon aus, dass jeder Mensch selbstbestimmt denken, handeln und auch wirtschaften kann. Gerade im Niedriglohn- und Arbeitslosigkeitsbereich kapitulieren wir jedoch bisher vor unserem eigenen Anspruch und setzen stattdessen auf Kontrolle und Zwangsmittel, mit der Folge immenser gesamtgesellschaftlicher Kosten“, sagt Rechtsanwalt und Politologe Axel Berg, der für die SPD im Bundestag sitzt.

Berg setzt die Vernunft der Menschen voraus und hegt das Vertrauen, das es braucht, um sie mit einem allgemeinen Grundeinkommen auszustatten und selbst wirtschaften lassen – und ihnen damit auch mehr Entscheidungsfreiheit für ihre persönliche Lebensgestaltung geben. Das fördert die Mündigkeit der Bürger und bietet Chancengleichheit und Wahlfreiheit.

Gleichberechtigung für unterschiedliche Lebensentwürfe

Eine gute Work-Life-Balance ist für alle Menschen wichtig. Besonders junge Leute verzichten eher auf Geld und setzen auf mehr Freizeit und flexible Arbeitszeiten. Aber auch die Pflege von Angehörigen spielt eine immer größere Rolle in der alternden Gesellschaft. Ein Grundeinkommen würde auf diese verschiedenen Lebensentwürfe eingehen, sie überhaupt erst ermöglichen, ohne dass die Menschen Angst haben müssten, in Armut zu fallen. „Das Grundeinkommen verhindert, dass ein Mensch in Existenzangst zurückgeworfen wird und verzweifelt“, sagt UN-Sonderberichterstatter Jean Ziegler.

Diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer mehr lohnarbeiten wollen und können, könnten das weiterhin. „Grundeinkommen macht genauso wenig faul, wie Erwerbsarbeit grundsätzlich fleißig macht“, sagt Arbeitspsychologe Theo Werner. Werner ist überzeugt, dass Erwerbsarbeit für die meisten Menschen ein wichtiger und richtiger Bestandteil des Alltags bliebe, um etwa das Einkommen des Haushalts auf ein bequemeres oder gar hohes Niveau zu heben.

Zwei Reformen in einer: Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt

Einen weiteren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit liefert das Grundeinkommen, weil es allen Arbeitkräften bessere Verhandlungspositionen verschafft – egal welchen Bildungsstand oder gesellschaftlichen Status sie haben. Sie müssten sich nicht mehr aus Angst vor Armut gesundheitsschädlichen, erniedrigenden Arbeitsbedingungen beugen. Arbeitgeber müssten ein gutes Arbeitsklima schaffen, um attraktiv für ihre Angestellten zu bleiben. „Die Folge wäre, dass am Arbeitsmarkt der Kern aller Freiheit, nämlich die Freiheit „Nein“ zu sagen, zur Geltung gebracht würde“, sagt Sozialwissenschaftler Claus Offe.

Schlussendlich ist das bedingungslose Grundeinkommen auch ein Instrument der Wertschätzung, der Unterstützung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements, das für jede Gesellschaft unabdingbar, aber oft Mangelware ist. Viele soziale und politische Strukturen in Deutschland werden von Ehrenamtlichen getragen. Diese arbeiten kostenlos in der Feuerwehr, im Sportverein und im Stadtrat – aber nie umsonst. Sie engagieren sich für die Allgemeinheit und opfern dafür oft nicht nur Freizeit, sondern auch potentielle Arbeitszeit und damit mehr Gehalt. Es wäre nur gerecht, sie mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu entlohnen.

 

Lies weiter bei…

Debatte | Existenzsicherung für lau?

Contra | Ein Grundeinkommen hilft den Ärmsten nicht

 



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