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ProMehr als Beauty-Blogger

Von Alex Wolf / 8. September 2017
picture alliance / Zoonar | lev dolgachov

In der öffentlichen Wahrnehmung geben viele Medien nicht genügend Freiraum für unterschiedliche Sichtweisen. Blogger können mehr Vielfalt in die Debatten bringen.

Sie polarisieren, verdrehen und spitzen zu: Nicht wenige Medien kämpfen mit aufsehenerregenden Schlagzeilen um jeden Leser. Diese tägliche Dröhnung von Sensations-Geilheit und Skandal-Rhetorik, die besonders gern in sozialen Medien eingesetzt wird, kann selbst den hartnäckigsten Leser mit der Zeit abschrecken.

In die aufputschende Berichterstattung über die „Flüchtlingskrise“ beispielsweise sind sie alle eingestiegen, lediglich im Tenor haben sich die Verlagshäuser unterschieden. So haben klassisch linke Print- und Onlinemedien wie die taz und der Freitag sowie etwas weiter im Zentrum stehende Zeitungen wie die Zeit und die Süddeutsche anfangs für eine bedingungslose Aufnahme der Geflüchteten geworben. Eher konservative Medien wie die FAZ und die Welt positionierten sich hingegen als Bewahrer der deutschen Identität und Schützer der deutschen Grenzen. Lesenden bot sich somit die Wahl zwischen zwei Lagern – immer: links oder rechts, schwarz oder weiß, gut oder böse. Soviel Wahl muss sein. Dass es sich bei diesen deutlichen Positionierungen eher um Stimmungsmache als um objektive Berichterstattung handelte, hat im Nachhinein auch Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo erkannt, als er in einem Interview reumütig sagte: „Wir waren Mitgestalter statt Beobachter.“

Informationen werden gebeugt

Auch wenn es um die Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland geht, kann der aufmerksame Zeitungsleser zwischen zwei ideologischen Lagern wählen. Während klassisch linke Medien stetig vor steigender Ungleichheit warnen, wird die Gegenseite nicht müde zu betonen, dass die Gerechtigkeitsfrage in Deutschland gar nicht so dramatisch sei. Bei diesen Betrachtungen handelt es sich jeweils vor allem um Zahlenjonglage – Betrachtungszeiträume werden nach Belieben verkürzt oder verlängert, einzelne Indikatoren umdefiniert. Jeder kleistert sich aus den Fakten seine eigene Wahrheit zusammen.

Sind das Fakenews? Jein. Vor allem zeigen diese Praktiken eines: Nicht immer existiert eine objektive, reine Wahrheit. Vielmehr gibt es unzählige Grautöne, die darauf warten, dass der Leser sie mit dem eigenen Scharfsinn, dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden und der eigenen Vorprägung interpretiert und zum Leben erweckt.

Blogger können aufmischen

Das eröffnet Spielraum für clevere Blogger. Wissend, dass bestehende Medien vorhersehbare Positionen vertreten, öffnet sich ihnen eine Nische, in die sie eindringen können: die Nische des „Aufklärers“. Im besten Fall kann ihre Aufgabe darin bestehen, die Berichterstattung etablierter Medien zu hinterfragen und dem Lesenden verschiedene Gedankengänge anzubieten. Unter den abertausenden von Blogs gibt es nämlich nicht nur oberflächliche Beauty-Ratgeber, sondern auch viele politisch-gesellschaftlich relevante Inhalte.

Der Blog „Steuermythen“ beispielsweise hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mutmaßungen rund um Steuern auf Herz und Nieren zu prüfen und Fehlannahmen aufzudecken. Auch bei der Flüchtlingsberichtserstattung gibt es Hoffnung: Die großen Tageszeitungen haben erkannt, dass Blogs für eine diversifizierte Debatte unerlässlich sind. Mit „Hier. Und jetzt?“ lässt die FAZ Geflüchtete selbst zu Wort kommen. Die Zeit hat unter dem Hashtag „#AskRefugees“ eine Plattform für die Erfahrungen von unmittelbar Betroffenen eingerichtet.

Nicht noch einer von „denen“

Kluge Blogger werden sich hüten, unumsichtig Position zu beziehen, um somit nicht nur einer von vielen Meinungsbildnern zu werden. In dieser Rolle hätten Einzelne gegen die „Großen“ auch gar keine Chance – weder im Hinblick auf deren Informationsquellen noch auf deren finanzielle Möglichkeiten.

Blogger haben neben der Position des Aufklärers noch ein zweites Ass im Ärmel, das sie jederzeit ausspielen können: Mit einer Prise Ironie und einem Fünkchen Sarkasmus verfeinert, können sie mit ihren Texten und multimedialen Beiträgen die Absurdität bestimmter Ereignisse zum Ausdruck bringen. Vielleicht erreichen sie auf diese Weise gar ein Publikum, das sich nicht regelmäßig über das Weltgeschehen informiert. Junge Zuschauer spricht der Videoblog „Jung & Naiv“ in erster Linie an, der seine oftmals provozierenden Fragen an die Interviewgäste bewusst unerläutert lässt.

Auf die Auswahl kommt es an

Doch auch beim Lesen von Blogs ist große Vorsicht geboten: Häufig befinden sich hinter den herausgebenden Autoren geschasste Ex-Journalisten und Publizisten, die sich eine Plattform geschaffen haben, um weiterhin Gehör für ihre eigene Agenda zu finden und bewusste Stimmungsmache betreiben. Selbst das ist legitim und eine Bereicherung in der Debatte – sollte jedoch mit Vorsicht genossen werden.

Trotz der vielen Vorteile, die Blogs für die Vielfalt in der Medienlandschaft bieten. Sie sind kein Wunderheilmittel für eine verbesserte mediale Glaubwürdigkeit. Sie können aber vermitteln, dass es nicht nur die eine Meinung gibt, sondern jede Antwort auf eine Frage womöglich nur eine von vielen ist.

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Debatte | Liest doch noch oder bloggst du schon?



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