ContraDie Digitalisierung dient zuerst der Wirtschaft
In der Zukunft werden zunehmend Roboter menschliche Arbeitskraft ersetzen. Unternehmer streichen Arbeitsplätze, ohne dafür neue zu schaffen. Das führt zu wachsender sozio-ökonomischer Ungleichheit und neuen Ursachen von Armut.
Menschliche Arbeitskraft ist bedroht – von Maschinen, Robotern, Algorithmen. Schon heute ersetzen Roboter in großem Stil menschliche Arbeitskraft. Eine Studie der ING-DiBa Bank prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 in Deutschland 59 Prozent der Arbeitsplätze, durch Technisierung und Robotisierung wegfallen könnten. Besonders betroffen sind Büro- und Sekretariatsberufe, Hilfsarbeitstätigkeiten, Tätigkeiten im Bereich Mechanik und Transport. Führungskräfte und Akademiker, so wie überhaupt alle Berufe, die eine gewisse Expertise erfordern, hätten dagegen kaum etwas zu befürchten, heißt es.
Kritiker sehen Roboter, die anstrengende oder gefährliche Arbeiten übernehmen, als fortschrittliche Entlastung der Arbeitnehmer. Wenn aber geringqualifizierte Arbeitskräfte ohne Alternativen und Weiterbildungsmöglichkeiten auf dem Abstellgleis landen, dient ein solcher Fortschritt hauptsächlich der wirtschaftlichen Gewinnmaximierung.
Weniger Arbeitsplätze, mehr Maschinen
Maschinen arbeiten präziser und mit geringerem Zeitaufwand als Menschen, sie werden nicht krank, gehen in der Regel nur am Ende einer langen Lebenszeit kaputt und kosten weniger Steuern. Gerade in Produktionsprozessen versprechen Roboter einen optimierten Ressourceneinsatz und damit Effizienzsteigerung.
Doch während die Wirtschaft neue Gewinne einsackt, bleiben die Arbeitnehmer auf der Strecke. Besonders betroffen ist die Automobilindustrie, in der in Deutschland 1,5 Millionen Menschen beschäftigt sind. Im Jahr 2017 kündigte Volkswagen in seinem „Zukunftspakt“ an, 23.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland bis zum Jahr 2020 zu streichen.
Digitalisierung als Generator von Ungleichheit
Arbeitslosigkeit ist eine der Hauptursachen von Armut. Und sie wird durch die digitale Aushöhlung des Arbeitsmarktes steigen. Die Armutsquote, die im Jahr 2005 noch bei 14,7 Prozent lag, steht im Jahr 2015 bei 15,7 Prozent. Das ist ein geringer, aber nicht zu vernachlässigender Anstieg. Doch wir scheinen zu verdrängen, was wir längst wissen: Die Auswirkungen der Digitalisierung lassen die Schere zwischen arm und reich auseinandergehen.
Professor Marcel Fratscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht den technologischen Wandel als einen der bedeutendsten Auslöser für Ungleichheit der Zukunft. Vor allem Arbeitsplätze, die eine außergewöhnliche Qualifizierung erfordern, fielen weg. Das habe zur Folge, so Fratscher, dass eine wachsende Zahl geringqualifizierter Arbeitnehmer um immer weniger Arbeitsplätze konkurriere und mit dem sinkenden Arbeitsangebot letztlich auch die Löhne fielen.
Neue Armut: Eine Frage des Zugangs
Allerdings sind nicht nur Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, von Armut bedroht. Besonders arm ist heute, wer von der Digitalisierung gänzlich ausgeschlossen ist, also gar keinen Zugang zu Informationstechnologien und Internet hat. Denn nur derjenige, der über finanzielle Mittel und digitales Know-How verfügt, wird sich zukünftig auf dem immer stärker digital orientierten Arbeitsmarkt behaupten – und damit seinen Lebensunterhalt sichern können.
Dabei ist das Risiko vollends abgehängt zu werden, für die Menschen, die sowieso schon am wenigsten haben, besonders groß: Im globalen Vergleich zeigt sich, dass die digitale Revolution vor allem ein Phänomen des Nordens ist. Während hier fast niemand mehr ohne Smartphone aus dem Haus geht, haben laut Aleph Molinari, Wirtschaftswissenschaftler und Gründer der Non-Profit Organisation Fundacion Proacesso für digitale Bildung in Mexiko, 70 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Internet oder einem Computer. Molinari kämpft deshalb gegen den Digitale Divide, die Teilung der Welt, in einen Teil, der von der Digitalisierung profitieren kann, und einen anderen, der nur weiter abgehängt wird.
Diese neue Ungleichheit entsteht zwischen vielfältigen Polen: Eltern und Kindern, Digital Natives und Digital Immigrants, zwischen reich und arm, zwischen globalem Norden und globalem Süden. Denn eine 60-jährige Frau, die nicht weiß, wie man mit einem Computer umgeht, wird genauso von der Digitalisierung ausgeschlossen, wie ein zwölfjähriges Kind, das seine Hausaufgaben nicht erledigen kann, weil es keinen Internetzugang hat. So werden durch ungleich verteilte Teilhabemöglichkeiten nicht nur bereits bestehende Armutsmuster verstärkt, sondern auch neue geschaffen.