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DebatteSolidarisch – aber mit wem und zu welchem Preis?

Von Barbara Engels / 29. Juni 2018
picture alliance / Bildagentur-online/Ohde | Bildagentur-online/Ohde

Der Solidaritätszuschlag ist ein Evergreen der Steuerdebatte. Dabei ist er noch nicht mal offiziell eine Steuer – spült aber viel Geld in die Bundeskassen. Noch. Die ursprünglich kurzfristige anberaumte Maßnahme zum Aufbau Ost soll nach knapp drei Jahrzehnten nun wirklich eingestellt werden.

Provisorien halten am längsten, lautet ein sarkastisches Sprichwort. Das gilt auch für den Solidaritätszuschlag, vom Volksmund verniedlichend zum Soli verkürzt. Es gibt wenige finanzielle Instrumente, die seit Jahrzehnten so heiß diskutiert werden, wie diese sogenannte Ergänzungsabgabe. Das liegt auch an den zahlreichen folgenlosen Ankündigungen der vergangenen Jahre, den Soli abzuschaffen.

Ursprünglich sollte der Soli nur für eine eng begrenzte Zeit erhoben werden, um zunächst den Golfkrieg und schließlich den Aufbau Ost zu finanzieren. Der Bundestag hatte den Soli zum 1. Juli 1991 auf ein Jahr befristet eingeführt. Im Juni 1993 kam er erneut auf die politische Agenda, 1995 trat die Neuauflage des Gesetzes in Kraft: Dieses Mal ohne Befristung und vor allem mit dem Zweck, den Aufbau Ost zu fördern und die Deutsche Einheit auf diese Weise zu festigen. Zunächst betrug der Satz 7,5 Prozent, 1998 wurde er auf 5,5 Prozent gesenkt – die gelten heute noch immer. Dabei hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl, der den Soli eingeführt hatte, bereits im Jahr 1996 versprochen: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“

Abschaffung hoch im Kurs

Es kam bekanntlich anders. Derzeit steht die Abschaffung des Soli wieder ganz oben auf der Agenda. 2019 läuft der Solidarpakt II aus, die Einigung zwischen Bund und Ländern, den ostdeutschen Bundesländern im Rahmen des Länderfinanzausgleiches Finanzmittel zuzuwenden. Auch wenn Solidarpakt und Solidaritätszuschlag nicht miteinander verwechselt werden sollten, bietet sich das Datum offensichtlich an, um die Abgabe zumindest intensiv zu überdenken. Generell gibt es keine rechtliche Verpflichtung, den Soli beizubehalten. Der Bund könnte ihn ohne Zustimmung der Länder abschaffen.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, den Soli schrittweise auszudünnen und ihm schließlich doch ein Ende zu setzen. In einem ersten Schritt sollen dem Vertrag zufolge bis zum Jahr 2021 rund 90 Prozent aller Soli-Zahler entlastet werden.

Wer mehr hat, gibt mehr

Der Soli ist unbeliebt vor allem aus einem einfachen Grund: Er erhöht die Steuerlast. Zwar ist der Soli formal nur ein Zuschlag auf fällige Steuern. Da er aber direkt an das Steuersystem gekoppelt ist, nehmen ihn Steuerzahler als solche wahr. Der Zuschlag wird proportional zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftssteuer erhoben: Wer 10.000 Euro Lohnsteuer zahlt, muss 5,5 Prozent davon, also 550 Euro, Soli drauflegen. Wer nur die Hälfte an Steuern zahlt, zahlt auch nur entsprechend die Hälfte an Solizuschlag.

Da in Deutschland höhere Einkommen stärker besteuert werden – der Einkommensteuertarif ist progressiv – zahlen Besserverdienende relativ und absolut mehr Solidaritätszuschlag. Daher rührt auch der Name der Abgabe: Wer ein höheres Einkommen erzielt, leistet solidarisch eine höhere Abgabe als Steuerzahler mit geringem Einkommen. Steuerzahler mit einer Einkommensteuerlast bis 972 Euro sind von der Zahlung des Soli ausgenommen. Das bedeutet, dass der Aufbau Ost im Wesentlichen von Menschen mit höherem Einkommen finanziert wird – gemäß der Sozialen Marktwirtschaft.

Mehr Einnahmen als Ausgaben für Aufbau Ost

Entgegen anderslautender Vermutungen werden nicht nur westdeutsche Steuerzahler zur Kasse gebeten, sondern alle Steuerzahler unabhängig von der Region. Die Einnahmen läppern sich: 2017 spülte die Ergänzungsabgabe rund 18 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes.

So viel Geld gibt der Bund allerdings bei weitem nicht für den Aufbau Ost aus. Schätzungen zufolge übertreffen die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag im Zeitraum des Solidarpakts II von 2005 bis 2019 die Ausgaben für den Aufbau Ost um etwa 55 Milliarden Euro. 2019 soll nur noch etwa ein Fünftel der Einnahmen zur „Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem bestehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft“ an die ostdeutschen Bundesländer fließen. Der Rest geht in den Bundeshaushalt.

Insgesamt sorgt der Soli für rund sechs Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Bundes. Auch deshalb ist seine Abschaffung umstritten: Es geht um eine Menge Geld. Viele Politiker auf Landesebene nutzen die aktuelle Debatte, um die Überführung des Soli in das Steuersystem anzuregen. Dann nämlich würden die Einnahmen aus der Einkommenssteuer zu 57,5 Prozent in die Kassen aller bundesdeutschen Länder und Kommunen fließen. Folglich setzen sich auch zahlreiche Kommunen gegen die Abschaffung des Soli beziehungsweise für dessen Integration in die Einkommensteuer ein.

Bundespolitiker hingegen experimentieren mit verschiedenen Freigrenzen und Abschaffungsetappen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellt sich eine Abschmelzung des Soli über elf Jahre vor. Die FDP brachte einen deutlich höheren Freibetrag ins Spiel, gemäß dem viele gar keinen Soli mehr zahlen müssten. Laut Medienberichten, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz aber dementiert, soll der Soli zu einer Art „Reichensteuer“ werden. Der Abschied vom Soli fällt offensichtlich schwer – auch wenn die in den vergangenen Jahren kräftig gestiegenen Steuereinnahmen ihn leichter machen sollten.



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