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ProDeutschland muss sich einmischen

Von Dorit Kristine Arndt / 5. Februar 2015
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | MICHAEL SOHN

Deutschland ist Fußballweltmeister, führende Wirtschaftsmacht und ein Schisser. Es ist Zeit, dass sich Deutschland seiner Verantwortung in der Welt angemessen stellt und diese in der Gesellschaft diskutiert. Militärische Schritte dürfen dabei kein Tabu sein.(*) Am liebsten sind wir Pazifisten. Deutschland diskutiert nicht über Bodentruppen für den Nahen Osten. Deutschland diskutiert auch sonst nicht über große […]

Deutschland ist Fußballweltmeister, führende Wirtschaftsmacht und ein Schisser. Es ist Zeit, dass sich Deutschland seiner Verantwortung in der Welt angemessen stellt und diese in der Gesellschaft diskutiert. Militärische Schritte dürfen dabei kein Tabu sein.(*)

Am liebsten sind wir Pazifisten. Deutschland diskutiert nicht über Bodentruppen für den Nahen Osten. Deutschland diskutiert auch sonst nicht über große militärische Mitverantwortung am internationalen Krisengeschehen. Der gemeine Bundesbürger sieht die Überlegungen von Außenminister Steinmeier, Bundespräsident Gauck und Verteidigungsministerin von der Leyen, die allesamt für einen verstärkten Bundeswehreinsatz im Ausland plädieren, mehr als skeptisch.

Laut des ARD-DeutschlandTrends 2014 lehnen 61 Prozent der Befragten einen Ausbau deutscher Einsätze in Krisengebieten ab. Kein Wunder: Deutschland ist durch lange Jahre der internationalen Selbstzufriedenheit gegangen. Zum Teil, weil es wichtige nationale Aufgaben gab. Zum Teil, weil es eh gerade gut lief. Zum Teil, weil uns die Krisen nicht berührten, schließlich befindet sich Deutschland in einem der sichersten Teile der Welt, in Europa. Aber damit das so bleibt, dürfen Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Die Aufgaben der Armee wandeln sich

Jahrzehntelang unterhielten die Deutschen eine Armee, deren Raison d‘Être darin bestand, die Eskalation zu verhindern, also nicht eingesetzt zu werden. Die damaligen westdeutschen Truppen sollten das Gebiet der Bundesrepublik und das der Partner im NATO-Bündnis gegen mögliche Angriffe des Ostblocks verteidigen. Die Frage nach einem bewaffneten Einsatz „out of area“ stellte sich nicht. Lediglich an humanitären Einsätzen war die Bundeswehr von Anfang an weltweit beteiligt.

Inzwischen hat sich die sicherheitspolitische Lage grundlegend verändert: Der Kalte Krieg ist zu Ende, die DDR existiert nicht mehr, Deutschland ist wiedervereinigt, seine Verantwortung ist gewachsen, ebenso die Erwartungen der Nachbarstaaten und Verbündeten.

Hohe Erwartungen an Deutschland

Die Forderungen des Auslands an Deutschland sind hoch. Vor wenigen Wochen veröffentlichte das Auswärtige Amt die „Review 2014“ – eine Untersuchung, im Rahmen derer Experten, Bürger und Diplomaten aus aller Welt zur deutschen Außenpolitik befragt wurden.

Deutschlands Bestimmung sei es, „Europa dazu zu führen, die Welt anzuführen“, heißt es da etwa. Deutschland solle „die Europäische Union revitalisieren“, ein „interkultureller Vermittler“ sein sowie eine „Brücke“ zwischen dem reichen Norden und dem „aufstrebenden Süden“. Es solle nicht weniger tun als „Russland europäisieren“ und „Amerika multilateralisieren“.

Alles bleibt schlimmer

Ein einzelner Satz reicht nicht mehr aus, um die derzeitig schlimmsten Brennpunkte der Welt zu nennen. In Syrien herrscht Bürgerkrieg, der IS kämpft vom Libanon bis in den Irak um sein Herrschaftsgebiet, Putin besetzt die Krim, in Nigeria verübt die Terrormiliz Boko Haram Massaker.

Die Welt ist nicht friedlicher geworden, aber globalisierter – damit rücken Konflikte näher. „Entwicklungen in Regionen an Europas Peripherie und außerhalb des europäischen Sicherheits- und Stabilitätsraumes können unmittelbar Einfluss auf die Sicherheit Deutschlands entfalten“, heißt es etwas verquast in den Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesverteidigungsministeriums vom Mai 2011.

Globale Kriege und Krisen finden vor unserer Haustür statt

Die Welt ist zusammengewachsen. Krisen, die weit entfernt abzulaufen scheinen, können sich schnell zu Konflikten vor der eigenen Haustür entwickeln. Anders als früher können außenpolitische Auseinandersetzungen wahnsinnig schnell innenpolitisch relevant werden. Wenn Islamisten in Pakistan eine Schule stürmen und mehr als 130 Kinder ermorden, tragen hinzulande einige Bürger das Thema umgehend auf die Straße. Deutschland sollte sich wieder mehr mit der Frage beschäftigen, warum internationale Fragen und Außenpolitik auch ein nationales Interesse begründen.

Rund 2.470 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind derzeit im Ausland im Einsatz. Die Streitkräfte operieren gemeinsam mit Soldaten der Bündnispartner und befreundeter Nationen.

Insgesamt agiert die Bundeswehr bei 15 Einsätzen im Namen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der NATO. All diese Einsätze sind vom Bundestag legitimiert worden, denn bevor deutsche Streitkräfte im Ausland stationiert werden können, muss der Bundestag zustimmen.

Nicht wegschauen, wenn Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind

Bei den aktuellen Einsätzen handelt es sich hauptsächlich um kleinere technische oder humanitäre Hilfsoperationen, Ausbildungs- und Überwachungsmissionen.

Sie sind notwendig, auch wenn viele gegen humanitäre Interventionen wettern: Man wisse gar nicht, wo man mit dem Intervenieren beginnen und wo man damit aufhören solle. Mit der Zunahme der Krisen- und Konfliktfälle wächst die Überforderung. Doch die Tatsache, dass wir nicht alle humanitären Katastrophen auf einmal lösen und die Menschenrechte an jeder Front verteidigen können, darf nicht bedeuten, dass wir es deshalb erst gar nicht versuchen. Das betonte schon der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping.

Auch die jetzige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich für ein stärkeres internationales Engagement der Bundeswehr ausgesprochen. Auf die Frage, ob Deutschland mehr internationale Verantwortung übernehmen müsse, antwortete die CDU-Politikerin dem Magazin „Der Spiegel“, Deutschland könne „nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, schon allein aus humanitären Gründen“.

Entwicklungszusammenarbeit im Schatten des Militärs

Natürlich lassen sich Krisen mit militärischen Mitteln allein nicht lösen. Das muss immer Hand in Hand gehen mit zivilem Aufbau, mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit.

Für Entwicklungsminister Müller verfolgen Entwicklungshelfer und Soldaten dann auch „die gleiche Zielsetzung mit unterschiedlichen Instrumenten, die sich ergänzen“. Verteidigungsministerin von der Leyen argumentierte: „Für mich ist klar, dass wir künftig bei jeder Entscheidung für einen militärischen Einsatz vom ersten Tag an darauf achten müssen, die Staaten auch im zivilen Bereich zu stärken, zum Beispiel beim Aufbau von eigenen Sicherheitskräften oder durch Entwicklungshilfe.“

Den Dialog mit der Bevölkerung suchen

Genau so kann es gehen. Militärische Hilfe sollte heutzutage mitgedacht werden. Deutschland unterhält eine Armee und kaum jemand im Auswärtigen Amt zweifelt daran, dass Berlins Rolle auf dem internationalen Parkett, vor allem bei der Bewältigung von Kriegen und Krisen, in diesem Jahr zunehmen wird.

Nur wäre es gut, wenn das auch die Bevölkerung juckt. Denn Außenpolitik und besonders militärische Einsätze brauchen nicht nur Politiker, Streitkräfte und Diplomaten – Außenpolitik braucht auch den Rückhalt der Menschen in Deutschland. Interessen in einem demokratischen Land kann man eigentlich nur durch Streit definieren. Eine breite Debatte ist notwendig, damit der Einsatz der Bundeswehr und die selbstbewusste Sicherheitspolitik der Regierung nicht losgelöst von der Bevölkerung passieren.

(*)Die in diesem Artikel geäußerten Einschätzungen und Auffassungen liegen in der Verantwortung der Autorin und spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Herausgeber wider.



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