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ContraWir geben so viel preis wie wir wollen

Von Maria Köpf / 31. August 2023
picture alliance / Westend61 | VITTA GALLERY

Wir können, dürfen und müssen lernen, unsere persönlichen Daten und unseren intimen Lebensraum selbstbestimmt zu verteidigen. Die gute Nachricht: Wir können Akteure unseres Lebens bleiben.

Neulich im Arztvorzimmer: Die Arzthelferin fragt mich selbstbewusst nach meiner Adresse, meiner Handynummer, meiner Krankenkasse und damit durch die Blume nach meinem sozialen Status. Ich entgegne, ob die zuletzt in der Kartei gespeicherte Nummer nicht auf 49 endet? Als die Arzthelferin dies bestätigt, werfe ich ein: „Dann ist ja alles beim Alten geblieben“. Die Arzthelferin nickt und behelligt mich nicht weiter.

Wir haben es sehr wohl selbst in der Hand haben, unser Privatleben zu schützen – auch in den Sozialen Medien. Wie oft werden wir am Counter einer Arztpraxis, einer Apotheke oder eines Schalters nach persönlichen Daten befragt und fühlen uns unbehaglich, weil Dritte mithören? Um der ungewollten Preisgabe zu entkommen, hilft die Flucht nach vorn oder der Ausweg in vage Formulierungen. Ganz ähnlich kann auch die Strategie im Umgang mit den Sozialen Medien aussehen.

Wie im Vorzimmer des Arztes kommen wir jederzeit selbst ins Spiel: Es ist niemand gezwungen, im Internet Dinge preiszugeben oder zu tun, die die eigene Rückzugsmöglichkeiten verletzen. Und falls doch, ist auch hier Eigeninitiative gefragt, um unseren persönlichen Lebens- und Intimbereich zu verteidigen. Wer eine Cookie-Anfrage erhält, muss nicht zwingend auf „Cookies akzeptieren“ klicken. In vielen Fällen lassen sich dieselben Funktionen einer Homepage nutzen, nachdem wir auf „Cookies ablehnen“ geklickt haben. Wer zu viele “Freunde“ auf Facebook hat, mit denen er die Geburt des dritten Kindes eigentlich nicht teilen möchte, kann seine Freundeliste durch einen Klick auf „Als Freund/in entfernen“ bewusst verkleinern. Oder in der abgespeckten Version: Wir können in den Einstellungen einer sozialen Plattform häufig von „öffentlich“ auf „privat“ wechseln, sodass Eingaben nicht für Unbekannte einsichtig sind.

Digital wie analog gleichermaßen nützlich: konsequent ausweichend antworten auf allzu neugierige Fragen entfernter Bekannter in den Sozialen Medien nach den eigenen Befindlichkeiten oder der aktuellen Familiensituation oder auch dem „Beziehungsstatus“. Ein Themenwechsel hilft außerdem, unerwünschten Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Und nicht zuletzt ein Verschleppen der Antwort – natürlich aus Zeitmangel – lässt das gesteigerte Interesse bald abflauen. Es gibt vielfältige kommunikative Spielarten, persönliche Informationen privat zu halten.

Privat- und Intimsphäre gelten nicht im rechtsfreien Raum

Rechtlich betrachtet muss niemand das eigene Leben vor anderen ausbreiten, die digitalen Medien eingeschlossen. Wikipedia definiert „privat“ als „Angelegenheiten, die in sich geschlossen sind, also nicht offenstehen“. Im Kontext einer Person ist ein intimer, vertrauensvoller Bereich damit gemeint, der nicht der Allgemeinheit, sondern der Selbstbestimmung einer privaten Person oder Personengruppe gehört.

Intimsphäre meint nicht nur die Geschehnisse im privaten Wohnraum, sondern ebenso die intimsten Gedanken und den Sexualbereich. Die Achtung des Privat- und Familienrechts genau wie der Schutz personenbezogener Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheiten gilt in Europa als Grundrecht. Sowohl Privat- als auch Intimsphäre sind somit rechtlich in allen EU-Mitgliedsstaaten geschützt.

Die angesprochene Datenschutz-Grundverordnung ist eine Verordnung der Europäischen Union (kurz: DSGVO) und hat diesen Raum der Freiheit dem digitalen Fortschritt angepasst, um unsere Rechte besser zu gewährleisten. Allerdings steht dort deutlich: „Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht.“ Denn, so die DSGVO, dieses Recht muss gegebenenfalls verhältnismäßig gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Wenn also ein Gericht erfährt, dass genügend Indizien für kriminelle Taten eines Menschen sprechen, darf ein Wohnungsdurchsuchungsbefehl oder sogar ein Ausleuchten der verwendeten Medienträger erteilt werden.

Die Datenkrake „Social Media“ gekonnt austricksen

Wir können uns einerseits via VPN-Adresse oder regelmäßiger Löschung von Daten sowie durch Antivirenprogramme und komplizierte Passwörter schützen. Ganz grundsätzlich helfen Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang mit Persönlichem. Ich staune immer wieder über die Naivität diverser Eltern – selbst von prominenten Persönlichkeiten, die es besser wissen müssten – im Umgang mit Fotos und Videos ihres unmündigen Nachwuchses. Dabei sollte sich längst eingebürgert haben, auf Facebook und Instagram ausschließlich Fotos von Kindern zu posten, die mit einem Herzchen oder Smiley unkenntlich gemacht wurden.

Niemand zwingt Eltern, das Recht am Bild ihrer liebsten Sprösslinge abzutreten. Im Jahr 2021 analysierte das Panorama-Team des NDR 142.381 Fotos von Kindern auf der pädosexuellen Plattform Cutie Garden mit dem Ergebnis, dass rund 23,5 Prozent der Fotos von Facebook oder Instagram stammten. Wer unsicher im Umgang mit seinen Daten ist, kann sich problemlos auf Seiten wie www.saferinternet.at informieren. Oder statt eine App zu nutzen, die personenbezogene Daten laut ihren AGB speichert, lieber zu einer App zu wechseln, die solche Daten automatisch löscht. Soziale Medien sind so privat wie wir wollen. Die Entscheidung, Intimes zu teilen, liegt, digitale Datenkrake hin oder her, bei uns selbst.



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