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ProUnser Geltungsdrang schadet uns

Von Alexander Kloß / 31. August 2023
picture-alliance / Image Source | Image Source/Christopher Robbins

Jeden Sommer fluten Urlaubsimpressionen die Onlinekanäle der meisten Menschen. Der Wechsel von der Postkarte zur elektronischen Variante an sich ist nicht weiter problematisch. Doch man sollte sich der Folgen bewusst sein, wenn man intime Momente im Internet teilt.

Darf es auch etwas weniger sein? In den Sozialen Medien kommt es quasi ständig irgendwo zum Eklat. So Anfang August, als Profikoch und Gastronom Bernd Zehner ein neues Video auf Youtube veröffentlichte. Vor der Kamera testet und empfiehlt er verschiedene Restaurants auf der spanischen Ferieninsel Mallorca. Doch dieser mediale Restaurantbesuch gefiel nicht jedem: Eine Gruppe von Gästen fühlte sich durch Zehner und sein Kamerateam gestört. Einer davon verwickelte den Restaurantkritiker in eine Diskussion, die sogar handgreiflich wurde – und das alles wegen eines kurzen Films.

Das Beispiel ist freilich kein Alltagsfall. Die wenigsten, die an der sommerlichen Flut von Urlaubsfotos und -videos mitwirken, verdienen damit als Influencer ihren Lebensunterhalt. Doch genau deshalb ist es wert, darüber nachzudenken, wie viel Einblick wir Fremden wirklich in unser Privatleben gewähren möchten und sollten.

Das größte Archiv der Welt

Ich bin der Meinung, dass jede(r) auf Social Media teilen können sollte, was er oder sie möchte, solange es niemand anderem schadet. Wer sich auf ausgefallene Art und Weise in Szene setzen möchte, um seinen Geltungsdrang zu befriedigen, soll dies gerne tun. Bedacht werden sollte aber immer: Das Internet vergisst nicht.

Private Bilder und Clips sind sensible Inhalte, die man, stehen sie erst einmal im Netz, nicht so leicht wieder von dort wegbekommt. Einen Instagram-Post oder eine WhatsApp-Story kann man im Nachhinein löschen, aber bis dahin kann das Material beliebig oft abgespeichert und vervielfältigt werden – und zwar ohne, dass irgendjemand davon etwas merkt oder effektiv dagegen tun kann.

Vielen mag dieses Risiko gering erscheinen. Aber jeder, der sich mit Öffentlichkeitsarbeit auskennt, weiß, dass schon ein falscher Tweet eine Karriere ruinieren kann. Das Internet ist das größte Archiv der Menschheitsgeschichte; wer lang genug darin sucht, findet fast alles wieder. Gerade potenzielle Arbeitgeber stellen gerne stichprobenartige Hintergrundrecherchen an. Gut, wenn sich dabei zeigt, dass man mit seinen persönlichen Daten umzugehen weiß und sich wie gewollt, vielleicht sogar eher professionell, präsentieren kann.

Auch Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre

Heikel wird es, wenn auf den Urlaubsaufnahmen Minderjährige zu sehen sind. Beispielsweise wenn Eltern ihren Nachwuchs am Strand, beim Spielen oder Baden fotografieren und derartig private Aufnahmen dann auf ihren öffentlichen Social-Media-Kanälen posten. Früher wurden derlei Erinnerungen in einem Fotoalbum gesammelt. Man stelle sich einmal vor, dieses Album würde man quer durch die ganze Stadt tragen und dabei beliebigen Passanten Einblick gewähren.

Minderjährige sind auch besonders schützenswert, da sie nur bedingt für sich selbst entscheiden können. Kinderbilder, die online auftauchen, werden von Gleichaltrigen oft als Grundlage zum Mobbing missbraucht. Im schlimmsten Fall gelangen sie in die Hände von Pädophilen.

Aus ähnlichen Gründen ist die Nutzung von Sozialen Medien durch Jugendliche immer wieder ein Streitthema. Wenngleich der soziale Raum für junge Menschen Schutz bieten kann, so grassieren insbesondere im Netz auch Ausgrenzung und Cybermobbing. Rund ein Sechstel aller Schüler:innen waren laut einer Umfrage der Techniker Krankenkasse und des Bündnisses gegen Mobbing aus dem Jahr 2022 bereits von Cybermobbing betroffen. Im US-Bundesstaat Utah will man seit April den unbeaufsichtigten Social-Media-Konsum von Minderjährigen unterbinden und Verstöße sogar mit Geldstrafen belegen. Nur wie der medienaffine Wildfang gezügelt werden kann, erklären die Verantwortlichen nicht.

Später und durchdachter

Von einem Irrglauben müssen wir uns wohl verabschieden: dass Erwachsene online weniger peinliche Inhalte als Jugendliche veröffentlichen würden. Egal ob unglückliche Momentaufnahme, ehrenrühriger Party-Schnappschuss oder ungewolltes Selbstbekenntnis: Generation X & Co. steht jüngeren User:innen in nichts nach.

Einen Ratschlag gilt deshalb für alle Altersgruppen gleichermaßen: Viele der allerschönsten Momente lassen sich nicht spontan einfangen und auf ewig festhalten, sondern nur im Augenblick erleben. Eine blindlings gemachte Momentaufnahme wie auch die angestrengte Suche nach der perfekten Perspektive können zwar einen Ausschnitt des Gesehenen transportieren, aber nie die damit verbundenen Gefühle widerspiegeln; eher den Augenblick ruinieren.

Und wenn er denn unbedingt auf Social Media geteilt werden muss, dann geht das auch etwas später – und somit meist durchdachter. Wann die Urlaubsimpressionen in der Timeline der Follower oder Freunde erscheinen, ist letztlich egal. Es gilt das altbekannte Motto carpe diem (oder auf Neudeutsch YOLO): Was zählt, ist der Moment, nicht die Likes!



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