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Pro„Generation Y“ – viel Lärm um nichts

Von Camilla Lindner / 6. November 2015
picture alliance / Mint Images | Mint Images

„Generation Y“ wird im medialen Diskurs als angepasst, unzufrieden und spießig abgehandelt. Zugleich sei sie zielorientiert, ehrgeizig und hip. „Generation Y“ ist vor allen Dingen eines – ein Begriff, der versucht, junge Erwachsene in eine Schublade zu stecken. Was macht die Lust an der vermeintlich kollektiven Identität aus?

Konstant lassen sich in Zeitschriften und auf Webseiten kurzweilige Abhandlungen über die Generation Y finden. Diese summieren sich unter Titeln wie „Generation Y und Immobilien: Irgendwann kriegen sie euch alle“ (Spiegel Online), „Arbeitsmarkt: Wie läuft es mit der Generation Y?“ (ZEIT ONLINE), „Generation Y: Die Hipster-Börse“ (FOCUS Online) bis hin zu „Führungskräfte: So gewinnen Sie die Generation Y für sich“ (absatzwirtschaft).

Die mediale Berichterstattung über Generation Y kommt nicht zum Stillstand. Auffällig ist die Verknüpfung mit wirtschaftlichen Themen. Selbst Fachbücher begutachten Generation Y aus gewinnorientierter Perspektive.

Vermessung von Gesellschaft

Generation Y ist heute ein gängiger Begriff. „Der Generationenbegriff im Allgemeinen eignet sich dafür, Gruppen voneinander abzugrenzen“, sagt Björn Bohnenkamp, Professor für Marketing, Branding und Consumer Culture an der Karlshochschule International University in Karlsruhe. „Anscheinend gibt es vor allen Dingen in den Medien den Bedarf, die Gesellschaft zu vermessen und einzuteilen.“

Diese Einteilung schafft eine Pseudo-Identität von Y. Wer ungefähr zwischen 1978 und 1994 geboren ist und die vergangenen Jahre medial verfolgt hat, wird sich irgendwann einmal in diese Generationenschublade gesteckt gefühlt haben (die angeblich betroffenen Jahgränge variieren ständig).

An Weihnachten treffen dann alle Generationen zusammen: Generation Y oder auch Generation Handy (ich) trifft auf die Generation Babyboomer (meine Eltern). Später kommt Generation Golf dazu (älterer Bruder). Am zweiten Weihnachtstag geht’s weiter zur Generation Flakhelfer (Oma und Opa). X, Y, Z und Co. sitzen gemeinsam am großen Tisch und sind mit demselben beschäftigt: mit Essen. Und das tun alle in ähnlicher Weise – abgesehen von der Beißkraft, die zum Teil altersabhängig ist.

Sie haben Generation Y nicht verstanden“

Wenn man von der Generation Y spricht, so besteht diese nicht aufgrund von Geburtsdaten, sondern wird vielmehr durch das wiederholte Benennen und Diskutieren in den Medien zu einer kollektiven Einheit gemacht. Deshalb ist sie an sich recht beliebig. Für den Einen bedeutet sie etwas Anderes als für den Anderen.

Die Assoziationsbandbreite wird beim Lesen der Kommentare unter den Generation Y-Artikeln schnell klar. So beschreiben Kommentatoren die Generation Y als „zum großen Teil hoffnungslos linksextrem indoktrinierte Kinder, denen man an Schule und Universität schön das selbstständige Denken abgewöhnt hat“ oder als eine Generation, die „sehr wohl Probleme in der Gesellschaft und in ihrer Umgebung wahrnimmt, aber sie verzichtet darauf, schrill zu reagieren. Sie handelt pragmatisch.“ Jemand anderes antwortet darauf: „Sie haben weder den Artikel noch die Generation Y verstanden“.

Generationenkonstrukt

Verstanden werden kann Generation Y nicht, da es sich bei ihr um eine Erzählung handelt. Die Erzählung sagt zwar, was Y ist, jedoch basiert dies nicht auf Realitäten, sondern auf einem verbalen Konstrukt.

Vor allem auf Familienfeiern kommt es dazu, dass mich meine Oma großkundig bemitleidet, weil sie doch genau wisse, wie ich mich fühle. Schließlich habe sie schon Artikel über mich gelesen – oder besser gesagt über meine Generation. Es stimmt zwar, dass Freunde von mir unregelmäßig arbeiten und keinen gesicherten Arbeitsplatz haben. Der Grund dafür lässt sich jedoch nicht bei den Freunden selbst finden, sondern eher bei den Arbeitgebern, die zu den prekären Arbeitsbedingungen beitragen. Und die Arbeitgeber sind aus der Generation Babyboom oder Generation X.

Durch das Schaffen von Generationen kann Gesellschaft vereinfacht werden. Plausibel würden Generationenerzählungen aber erst dann werden, wenn einer Generation eine geteilte Form der Prägung zugeschrieben werden könnte.

Man spricht beispielsweise in Deutschland von der Generation der Flakhelfer, einer bestimmten Altersgruppe, die im Zweiten Weltkrieg als Schüler mitkämpfen musste. Es lasse sich plausibel erzählen, dass sie sich durch diese Gewalterfahrungen von ihren jüngeren Geschwistern unterscheiden, auch wenn diese nur weniger Jahre jünger sind, meint der Wissenschaftler Björn Bohnenkamp.

Anstatt weiterhin Artikel und Bücher über Generation Y zu publizieren, sollte erst einmal eine (neue) Erklärung für den Begriff geliefert – und die Wirkung von Menschen nicht losgelöst von den Ursachen betrachtet werden. Denn Menschen sind hauptsächlich so oder so, weil sie sich in einem gewissen Rahmen bewegen müssen, der von anderen gesetzt wird.

Ist ein Begriff jedoch einmal kreiert und im Umlauf, wird das Umbenennen oder gar „Entnennen“ ein sehr langwieriger Prozess. Falls Generation Y tatsächlich aus unserem Wortschatz verschwinden sollte, entstehen in der Zwischenzeit schon zig neue Begriffe, die versuchen, unsere komplexe Welt zu ordnen und zu vereinfachen.



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