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DebatteMit Anerkennung gegen den Fachkräftemangel?

Von Wiebke Johanna Jung / 31. März 2020
Credits: Photo by Marten Bjork on Unsplash;

In vielen Teilen Deutschlands fehlen Fachkräfte. Mit Gesetzen will die Politik Abhilfe schaffen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Einwanderung und Anerkennung. Ein Überblick über die Gesetzeslage

Aus Unternehmersicht ist das Fehlen von Fachkräften das größte Geschäftsrisiko. Dies geht aus der Konjunkturumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) aus dem Herbst 2019 hervor. Eine mögliche Lösung oder zumindest ein Weg zur Entspannung dieser Lage könnten Fachkräfte aus dem Ausland sein. Gesetzliche Regelungen ermöglichen nicht nur deren Einwanderung, sondern sollen diese nun auch erleichtern. Seit 2012 gibt es dafür in Deutschland das sogenannte „Anerkennungsgesetz“ und seit neuestem auch das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Damit stellt sich einigen wieder die Frage, ob das Prozedere einer erleichterten Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse wirklich an hiesige Bedingungen angepasst ist.

Anerkennung per Gesetz

„Gesetz zur Verbesserung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ – das klingt ziemlich sperrig und lautet, kurz gesagt, einfach „Anerkennungsgesetz“. Ein Gesetz also, das Regeln für die sogenannte „berufliche Anerkennung“ schafft. Aber was verbirgt sich hinter dieser „beruflichen Anerkennung“?

Berufliche Anerkennung erlaubt, einen ausländischen Berufsabschluss als gleichwertig zu einem deutschen Abschluss zu werten und damit auch von Amtswegen anzuerkennen. In einigen Fällen ist eine solche Anerkennung sogar unabdingbar, um in Deutschland den eigenen erlernten Beruf überhaupt ausüben zu dürfen. Das gilt für „reglementierte“ Berufe, wozu beispielsweise der Beruf des Anwalts, Arztes oder auch der des Krankenpflegers zählt. Dass nicht jeder sich ohne weiteres „Arzt“ nennen darf, leuchtet ein. Wenn jemand aus dem Ausland in Deutschland als Arzt oder Ärztin praktizieren möchte, muss zunächst geprüft werden, ob er oder sie in seinem oder ihrem Herkunftsland das gleiche Wissen erworben hat. Damit soll sichergestellt werden, dass die Qualität der Arbeit deutschen Standards und Ansprüchen entspricht.

Anders verhält es sich bei „nicht reglementierten Berufen“, wo eine berufliche Anerkennung nicht zwingend notwendig ist. Dazu zählen alle Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel Bäcker oder Elektroniker. Ausländische Arbeitnehmer können sich in diesen Fällen in Deutschland direkt um einen Job bewerben. Um Arbeitgebern die Sicherheit zu geben, dass es sich wirklich um den gleichen oder zumindest vergleichbaren Berufsabschluss handelt, kann eine offizielle berufliche Anerkennung aber weiterhin hilfreich sein. Für die Teilnahme an Fortbildungen oder um sich mit seinem Handwerk selbständig zu machen, ist die amtliche Verifikation auch bei nicht reglementierten Berufen sowieso unerlässlich.

Ein Berufsabschluss kann laut Gesetz aber nicht einfach entweder pauschal „anerkannt“ oder eben „nicht anerkannt“ werden. Möglich ist auch, dass lediglich einige Voraussetzungen für die Anerkennung fehlen, die aber durch bestimmte Kurse nachträglich noch geschaffen werden können. Nach spätestens drei Monaten muss dem Antragssteller mitgeteilt werden, wie sein Abschluss gewertet wird. Diese Frist beginnt allerdings erst dann, wenn der Antragssteller alle nötigen Unterlagen eingereicht hat. Eine Fristverlängerung sieht der Gesetzgeber nur in besonderen Ausnahmefällen vor.

Kostenlos ist das Verfahren der beruflichen Anerkennung nicht. Es fallen Verfahrensgebühren an, die unterschiedlich hoch sein können und von den Antragsstellern selbst zu tragen sind.

Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“

Im März 2020 ist das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ in Kraft getreten. Dieses Gesetz schafft weniger eigene Regeln, als dass es vielmehr Formulierungen und Bestimmungen anderer Gesetze ändert. Vor allem das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist seit diesem Monat deutlich verändert worden.

Das AufenthG regelt unter anderem, aus welchen Gründen Ausländer sich in Deutschland aufhalten dürfen. Da innerhalb der EU für EU-Bürger die sogenannte Freizügigkeit gilt und sie somit grundsätzlich ohne besondere Erlaubnis in jedem Mitgliedstaat der EU leben und arbeiten dürfen, gelten neue Regelungen vor allem für Nicht-EU-Bürger aus Drittstaaten.

Die vorgenommenen Änderungen sollen Drittstaatenangehörigen künftig den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern und damit dem wachsenden Fachkräftemangel entgegenwirken, erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dazu. Darauf zielt zum Beispiel eine Novellierung ab, wonach nicht mehr ausschließlich akademische Fachkräfte uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben sollen, sondern auch Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung („anerkannte Qualifikation“).

Aber wer gilt überhaupt als Fachkraft? Auch dazu liefert das AufenthG eine klare Definition, die Fachkräfte zunächst in zwei wenig überraschende Gruppen unterteilt: Fachkräfte mit Berufsausbildung und solche mit akademischer Ausbildung. Zur ersten Gruppe gehören Ausländer, die eine Berufsausbildung in Deutschland absolviert haben oder eine Ausbildung im Ausland abgeschlossen haben, die in Deutschland als gleichwertig anerkannt ist. Zur zweiten Gruppe zählen Ausländer, die entweder einen Hochschulabschluss in Deutschland oder einen vergleichbaren Hochschulabschluss im Ausland erworben haben.

Einige weitere Hürden, die zu nehmen sind, um hierzulande arbeiten zu dürfen, wurden zwar auch durch entsprechende Gesetzesänderungen gesenkt, jedoch nicht gänzlich abgeschafft. Beispielsweise ist es für Menschen mit einer Berufsausbildung nun zwar möglich, für Arbeitsplatzsuche und Probezeit sechs Monate nach Deutschland einzureisen. Hierzu muss die Fachkraft zuvor allerdings die jeweilige Berufsanerkennung, die notwendigen Deutschkenntnisse und einen gesicherten Lebensunterhalt vor- bzw. nachweisen.

Eines hat sich durch diese angepasste Gesetzesbasis für viele Kritiker aber immer noch nicht geändert: Das gesamte Verfahren bleibe verhältnismäßig kompliziert, bürokratisch und die Anerkennungspraxis als solche weiterhin in ihrer Ausführung fraglich.

Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag der
Friedrich-Ebert-Stiftung 2.500 Personen im März 2020 befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei 3,6 Prozent.


5 Antworten auf „Mit Anerkennung gegen den Fachkräftemangel?“

  1. Von iortly am 24. April 2020

    Gibt es einen Artikel über Coronavirus? Ist es interessant, Ihre Meinung zu lesen

    1. Von Sagwas-Redaktion am 27. April 2020

      Auch wir hier bei sagwas werden uns in Kürze mit einer Geschichte zum Thema Corona äußern. Also bleiben Sie gesund!

      1. Von Sagwas-Redaktion am 29. April 2020

        Hier z.B. verfolgt sagwas-Reporterin Merle die Arbeit der Berliner Tafel im Corona-Modus https://sagwas.net/miteinander-teilen/ und sagwas-Autor Alex reflektiert mithilfe des französischen Philosophen Foucault, was eingesperrt sein bedeutet https://sagwas.net/sehen-und-gesehenwerden-foucaults-gefaengnisse/

    2. Von Helga S. am 30. April 2020

      Ich finde es gut, dass es bei euch nicht soviel über Corona zu lesen gibt. Die Medien sind schon voll genug, da freut man sich, wenn man mal andere Themen präsentiert bekommt.

      1. Von Sagwas-Redaktion am 30. April 2020

        Danke! Wir bemühen uns weiter, eine gute Balance zu finden.

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