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ProUm Gottes Willen, mehr Glaube für die Pflege!

Von Anna Steinmeier / 30. Oktober 2020
picture alliance / Shotshop | Lutz Wallroth

Grundsätzlich können laut Europäischem Gerichtshof Stellen innerhalb kirchlicher Strukturen mit Menschen besetzt werden, die gar keiner Konfession angehören. Doch in der Pflege sollte das Prinzip der Konfessionszugehörigkeit beibehalten und angepasst werden.

Viele Menschen, die in der Pflege arbeiten, sagen, sie hätten sich ihren Job ausgesucht, da sie gerne mit Menschen arbeiten. Aus Sicht der Patienten bedeutet gepflegt zu werden, dass sie, durch Krankheit oder Alter, nicht (mehr) in der Lage sind, ihren Alltag allein zu bewältigen. Für viele ist es ein äußerst persönlicher Einschnitt, auf jemand anderen angewiesen zu sein, den man bis vor kurzem noch gar nicht kannte und der nun beispielsweise dabei hilft, sich zu waschen.

Dies ist auch der Fall, wenn das Gegenüber die gleiche Konfession hat. Gerade die Themen Altwerden und Ableben betrachten viele Menschen häufig aus einer dezidiert religiösen Perspektive. Bei schweren Krankheiten finden viele Menschen sogar erst nach einiger Zeit zum Glauben, der bis dahin im Alltag oft keinen Platz hatte. Glaube lässt Menschen zusammenfinden und zusammenhalten, gerade in schweren Zeiten. Es ist darum wichtig, dass alternde und kranke Menschen jemanden an ihrer Seite haben, der ihre Einstellung ernst nimmt und im besten Fall sogar positiv unterstützt. 

Religionen als grundlegende Bedürfnisse weiterdenken

Darum müssen wir anfangen, konfessionelle Pflege über das Christentum hinaus zu denken: Gerade Muslime werden derzeit noch viel im familiären Umfeld gepflegt. Im Alter oder bei schwerer Krankheit ist dies oft jedoch nicht mehr machbar. Darum gilt es, eine respektvolle und angemessene Pflege für Menschen jeden Glaubens in Deutschland zu ermöglichen. Doch gibt es nun mal rituelle Vorgänge, die sich Außenstehenden weniger schnell erschließen.

Die Möglichkeit, beispielweise im Krankenhaus Gerichte ohne bestimmte Zutaten – kosher oder halal zubereitet – zu bekommen, ist fast schon eine Selbstverständlichkeit. Aber wüssten Sie, wie Sie einen alternden Muslim beim Beten unterstützen können? Wer hätte gedacht, dass der Waschlappen ein sehr deutsches Hygienekonzept und es in vielen anderen Kulturen üblich ist, sich nur mit fließendem Wasser zu waschen?

Kultursensible Pflege ist wichtig – Kultur und Religion gehen oft Hand in Hand

Der Bedarf nach gläubigem Pflegepersonal ist also ungebrochen. Nun könnte man argumentieren, dass gerade in der nicht-christlichen Pflege private Unternehmen und keine konfessionellen Träger bereits aktiv sind. Doch der Wunsch nach konfessioneller Organisation der Pflege beispielsweise innerhalb eines muslimischen Wohlfahrtsverbands besteht nach wie vor. Inzwischen befindet ein solcher sich auf Bundesebene sogar in der Gründungsphase.

Zuspruch für konfessionelle Pflege bedeutet nicht, dass es keine Probleme gibt

In den letzten Jahren hat es einen extremen Vertrauensverlust in christliche kirchliche Strukturen gegeben und das absolut berechtigterweise. Kirchen verlieren massenweise Mitglieder und sind schrumpfenden Ressourcen ausgesetzt. Nicht nur deshalb muss die rechtliche Sonderstellung der Kirche endlich neu gedacht werden: Und zwar indem sie auf andere Religionen ausgeweitet wird. Nur so können die eingerosteten konfessionellen Strukturen in den großen christlichen Kirchen aufgelockert werden. Im Detail braucht es allerdings viel mehr offene Debatte. Ein einziges EuGH-Urteil reicht nicht aus, bestehende Probleme anzugehen.

Nächstenliebe findet sich überall und bedeutet auch ordentliche Bezahlung

Denn müssen die Strukturen, Arbeits- und Unterbringungsmöglichkeiten nicht überall in der Pflege verändert werden, egal in welcher Trägerschaft? Löhne beispielsweise müssen bundesweit tariflich geregelt werden – für alle Träger. Auch in Pflegeberufen gibt es weit mehr Baustellen, an denen Veränderungen vorgenommen werden müssen, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Verlangt das nicht zuletzt auch die Nächstenliebe?

Das Konzept der Nächstenliebe ist in so ziemlich allen Religionen fest verankert und bietet einen geeigneten Hebel, um für gesellschaftlichen Wandel einzutreten. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“ bedeutet auch: „Setz dich dafür ein, dass sie oder er ordentlich bezahlt wird.“ Konfrontieren wir die konfessionellen Strukturen, so schwerfällig sie auch sein mögen, darum immer wieder mit ihrem eigenen Leitbild und ihrem humanen Selbstanspruch!

Ältere und kranke Menschen brauchen eine Pflege, die auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt – körperlich wie auch mental. Konfessionszugehörigkeit jeder Art wird oft als Problem gesehen. Fangen wir doch an, sie als Teil der Lösung zu sehen! Als Lösung, um Menschen jene Pflege zu geben, die ihren Vorstellungen von Würde und Menschlichkeit entspricht. Als Lösung, die ihre Traditionen nicht negiert, sondern sie in ihrem Glauben unterstützt. Und nicht zuletzt als Lösung, die strukturelle Veränderungen auf Basis der eigenen Ideologie erlaubt.

Das Meinungsforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 14.-16.10.2020 ca. 2.500 Personen befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Der statistische Fehler der Gesamtergebnisse liegt bei ca. 10,3 Prozent


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