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DebatteVerhindert die EU den Beginn eines grünen Technologiezeitalters?

Von Helen Arling / 31. Januar 2022
picture alliance/dpa | Christian Charisius

Atomkraft als Weg aus der Klimakrise: Die EU-Kommission möchte Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als grüne Energiequelle einstufen und hat einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Während in Deutschland Stimmen dagegen laut werden, befürworten einige EU-Mitgliedstaaten die fortgesetzte Energiegewinnung durch Atomkraft.

Wie so oft begann alles mit einem Zufall. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts experimentierte der Franzose Henri Becquerel mit Uransalzen. Er entdeckte, dass diese Strahlung abgeben – ein Phänomen, das seine Mitstreiterin Marie Curie als Radioaktivität bezeichnete – und legte somit den Grundstein für die Atomkraft.

Zunächst galt diese aufgrund der verheerenden Atombombenabwürfe über Japan im Zweiten Weltkrieg in der öffentlichen Wahrnehmung als Phänomen absoluten Schreckens. Doch dann wurde zu Beginn der 1950er Jahre zum ersten Mal Strom durch Kernenergie erzeugt. 1953 verkündete US-Präsident Dwight Eisenhower vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen das „Atoms for Peace“-Programm. Dessen Ziel war es, Atomkraft positiver zu besetzen und ihren friedlichen Nutzen hervorzuheben. In seiner Rede heißt es unter anderem: „Es reicht nicht aus, diese Waffe aus den Händen der Soldaten zu nehmen. Sie muss in die Hände derjenigen gelegt werden, die es verstehen, sie aus ihrer militärischen Hülle zu befreien und sie an die Kunst des Friedens anzupassen.“

Vier Jahre später, am 31. Oktober 1957, wurde der erste Atomreaktor in Deutschland in Betrieb genommen, der Forschungsreaktor München. Im selben Jahr gründen sich die Europäische Atomgemeinschaft EURATOM und die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA. Zu dieser Zeit berichtete die Presse noch überwiegend positiv über die neuen Entwicklungen. Naturschutzverbände wie der BUND Naturschutz in Bayern standen der neuen Form der Energiegewinnung zunächst aufgeschlossen gegenüber.

Atomkraft? Nein danke?

Ab den 1970er Jahren bildete sich allerdings eine stärkere Anti-Atomkraftbewegung. Die Gründe: Die Kernkraft wurde zu dieser Zeit massiv ausgebaut, immer mehr Anwohner*innen fühlten sich durch den Bau neuer Reaktoren beeinträchtigt. Außerdem beeinflusste vermehrtes Wissen um das Gefahrenpotential der Atomkraft die öffentliche Meinung. Im badischen Wyhl verhinderten Bürger*innen 1977 erfolgreich den Bau eines Kernkraftwerks. Zur selben Zeit ist der Slogan „Atomkraft? Nein danke“ bereits vielerorts zu lesen. Auch die Entstehung der Partei Die Grünen ist eng mit der Anti-Atomkraftbewegung verknüpft.

Bei allen Kontroversen steht fest: Atomkraft ist eine effektive und emissionsarme Methode der Stromerzeugung. Sie könnte dazu beitragen, den Verbrauch an fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Kohle zu verringern. Doch Reaktorunfälle, allen voran die Katastrophe von Tschernobyl 1986, haben sich tief in das öffentliche Bewusstsein eingebrannt. Ein weiteres Problem betrifft die Lagerung von Atommüll. Noch Jahrhunderte später gibt dieser radioaktive Strahlung ab, vor deren Gefahren Gegner*innen der Atomkraft ausdrücklich warnen. Über Jahrzehnte bllieb Atomkraft ein umstrittenes Thema – und ist es noch heute.

Die Sache mit dem Klima

Anfang dieses Jahres hat ein Entwurf der EU-Kommission zur sogenannten Taxonomieverordnung die Diskussion um die Atomenergie neu entfacht. Gemäß den dort festgehaltenen Überlegungen könnte Atomkraft als förderwürdige nachhaltige Wirtschaftsaktivität eingestuft werden. Diese Kategorisierung soll Investor*innen Sicherheit darüber geben, ob von ihnen getragene Projekte als nachhaltig gelten können, also auch förderwürdig wären. Anders formuliert: Handelt es sich um eine indirekte Empfehlung? Über der Debatte schwebt die Frage, ob ein Festhalten an Atomenergie notwendig ist, um das andere selbstgesetzte Ziel der EU zu verfolgen: von fossilen Brennstoffen als Energieträger wegzukommen.

Die Haltungen der EU-Mitgliedstaaten gehen in dieser Sache stark auseinander. Frankreich beispielsweise befürwortet die Einstufung der Atomkraft als nachhaltig. Ausstiegspläne aus der Atomenergie verfolgt das Land nicht, allerdings soll der Atomenergieanteil bis 2030 auf 50 Prozent reduziert werden. Wie der polnische so ist auch der französische Nachbar stark von Kernenergie abhängig und befürchtet, ohne diese die Klimaschutzziele nicht erreichen zu können. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung beschreibt die französische Soziologin Sezin Topçu Atomkraft als „Teil der nationalen Erzählung, der nationalen Größe, der Identität“ Frankreichs. Auch der Fraktionschef der finnischen Grünen, Atte Harjanne, spricht sich gegenüber der Welt für die Nutzung von Atomkraft aus.

In Deutschland hingegen hält der Großteil der Bundesregierung Atomkraft nicht für eine zukunftsfähige Form der Energieerzeugung. Nach der Katastrophe in Fukushima 2011 wurde hierzulande der Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Im Vergleich zu anderen Staaten ist der Anteil des Atomstroms an insgesamt erzeugtem Strom gering – im Jahr 2020 betrug er elf Prozent. Wie es mit dem Entwurf der EU-Kommission weitergeht, steht aktuell noch nicht fest. Die Chancen, dass ein darauf aufbauender Vorschlag von der notwendigen Anzahl an Mitgliedstaaten bzw. EU-Parlamentsmitgliedern abgelehnt wird, ist nicht allzu groß.



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