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ProRein in die Timeline!

Von Barbara Engels / 30. April 2019
picture alliance / PantherMedia | General

Wirtschaft ist Werbung – seit Urzeiten. Je passender, desto weniger ist sie ein potenzielles Ärgernis. Personalisierte Werbung ist deshalb eher Segen als Fluch. Unter einer Bedingung.

Das Geschäftsmodell der Internetgiganten ist so simpel wie verfänglich. Sie speichern und analysieren persönliche Daten ihrer Nutzerinnen und Nutzer und verkaufen diese Daten an Unternehmen, die so passgenaue Werbung auf diesen Plattformen schalten können.

Anders formuliert: Unsere persönlichen Daten sind der Tauschwert dafür, dass uns Google den Weg zum besten Brauhaus der Stadt zeigt; dafür, dass Facebook uns mit den Urlaubsbekanntschaften in Fernost kommunizieren lässt; dafür, dass wir über Instagram unser Wohnzimmer durch den Äther jagen können. Dafür schaltet Obi kurz nach unserem Umzug Werbung für eine Bohrmaschine und die Anzahl geposteter Pärchenfotos korreliert mit den Links zu Umstandsmode und Kinderspielzeug in meiner Timeline.

Wir wollen die Dienste, wir geben die Daten

Sagt jetzt nicht, ihr hättet das nicht gewusst! Wer sich an personalisierter Werbung – Marketingsprech: Targeting – stört, sollte sich erstmal am eigenen Schopf packen und prüfen, was er bereitwillig an Informationen über sich in die Welt hinausbläst. Ihr klickt die Datenschutzerklärungen in regelmäßigen Abständen weg. I accept, I accept, I accept – statt einen Onlinedienst nicht zu benutzen, weil er offensichtlich persönliche Daten abgreift.

Zugegeben: Wir haben kaum eine andere Chance. „Doch mag es in der Theorie auch möglich sein, sich bestimmten Online-Diensten zu entziehen, so kommt dies in der Praxis oftmals einer Verweigerung der modernen Welt eo ipso gleich“, kommentiert der Thinktank Stiftung Neue Verantwortung. „Selbst wenn es alternative, datenschutzfreundliche Dienste gibt, so sind die Netzwerk-Effekte anderer Dienste so stark, dass sich für die Verbraucher immer ein Nachteil ergeben wird, wenn sie ganz auf die Nutzung verzichten.“

Ein gewisser Fatalismus tut der Diskussion um personalisierte Werbung also gut. Wir wollen Instagram nutzen, wir füttern es bereitwillig mit unseren Daten, diese werden verkauft, sodass anschließend die Werbung auf sie zugeschnitten wird. Was ist das Problem? Solange die in Europa geltenden Datenschutzregeln gewahrt werden, soll es mir recht sein.

Schließlich liefert personalisierte Werbung dem Kunden Angebote, die ihn interessieren könnten. Endlich vorbei die Zeiten der Werbebeschallung nach dem Gießkannenprinzip, bei der jungen Männern Binden für Blasenschwäche gezeigt und ältere Damen mit Computerspielen traktiert werden. Angesichts der sowieso schon überbordenden Fülle an Informationen, die mein Gehirn scannen, sortieren und analysieren muss, darf die Werbung, also das, was mich ungefragt in meinem Tun bremst und eigentlich stört, gerne schon vorsortiert sein. Dann stört es mich nämlich angenehmer.

Datenschutz ist kein Argument

Welche Nachteile hat Targeting? Das Argument, es verletze die Privatsphäre, zählt nicht – das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Oder habt ihr eine Idee, wie das Geschäftsmodell von sozialen Medien alternativ aussehen könnte? Würdet ihr für mehr Privatsphäre zahlen? Das habe ich im vergangenen Jahr 3.000 Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 21 Jahren im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie für das Institut der deutschen Wirtschaft gefragt. Zwar finden es rund drei Viertel der Befragten nicht gut, dass Whatsapp, Youtube und Co. Nutzerdaten speichern. Aber noch nicht einmal die Hälfte ist theoretisch bereit, auch nur einen Cent dafür auszugeben, dass diese Praxis aufhört.

Soziale Medien nutzen, aber nichts dafür zahlen: Das funktioniert nicht. „There is no such thing as a free lunch”, wusste bereits 1975 der Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman.

Schneller finden, schneller kaufen, schneller zufrieden

Was auch gerne vergessen wird: Targeting findet ja auch statt, wenn ich schon ein festes Kaufvorhaben habe. Ich bin auf einer Unternehmenswebseite oder einer Verkaufsplattform und suche ein mehr oder weniger vordefiniertes Produkt. Die Auswertung meiner Daten führt dazu, dass mir Produkte angezeigt werden, die ich wahrscheinlich kaufen will. Dadurch verringern sich meine Suchzeiten – ich stoße schneller auf das Produkt, das ich im Kaufsinn habe. Im Einzelhandelsjargon: Finden Verbraucher im Webshop exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Angebote, erhöht das den Kundennutzen und damit die Zufriedenheit.

Es ist leicht, zu vergessen, inwiefern Targeting uns den (Konsum-)Alltag erleichtert. Es fällt uns vor allem dann auf, wenn es mal daneben liegt, wenn uns die Künstliche Intelligenz falsch einschätzt. Wenn eine Freundin, gertenschlank, zu Weightwatcher-Kursen eingeladen wird. Wenn Birkenstock wochenlang meine Timeline mit der neuen Kollektion penetriert, obwohl ich doch gerade erst ein neues Paar aus ebendieser gekauft habe. Aber irgendwie ist das auch beruhigend – auch Technologieunternehmen wissen nicht alles.



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