ProKlar kommunizieren, wo es sinnvoll ist
Hallo, huhu, hier oben! Eine Wirtschaftswissenschaftlerin grüßt euch aus dem Elfenbeinturm. Zunächst mal ein Geständnis: Ja, es stimmt. Wir können sehr gut so kommunizieren, dass es niemand außer unseren Kolleg*innen versteht.
Wir können aber auch anders. Wenn wir wollen. Aber nicht alle von uns wollen. Wer will und wer nicht? Um diese Frage zu beantworten, bediene ich mich des wissenschaftlichen Instruments der Typologie. Wissenschaftler*innen lassen sich in folgende Typen einteilen:
Typ 1: Der Eigenbrötler. Dieser Typ ist vernarrt in sein Fach. Er hat einen intrinsischen Forschungsauftrag und gibt alles, um ihn zu erfüllen. Ob jemand seine Ergebnisse versteht oder nutzen kann, ist ihm herzlich egal. Ihm geht’s um die Sache. Typ 1 forscht um der Erkenntnis willen.
Typ 2: Der Karrierebewusste. Dieser Typ möchte Ansehen in der Fachcommunity – und eine Professur auf Lebenszeit. Deshalb will er vor allem in den wichtigen wissenschaftlichen Zeitschriften, den sogenannten Journals, veröffentlichen. Typ 2 richtet seine Forschung danach aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Journals seine Ergebnisse veröffentlichen, maximal ist.
Typ 3: Die Rampensau. Dieser Typ suhlt sich in seinem Expertenstatus. Er nutzt jede Gelegenheit, im Rampenlicht zu stehen. Möglicherweise bleibt ihm dabei weniger Zeit für seine Forschung. Aber einen Tod muss man sterben. Typ 3 will gesehen werden.
Typ 4: Der Veränderer. Diesem Typ geht es um’s große Ganze. Er will mit seiner Forschung die Welt ein bisschen besser machen und das Gemeinwohl steigern. Deshalb sorgt er auch dafür, dass seine Arbeit dort ankommt, wo sie umgesetzt werden kann: in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Typ 4 will verstanden werden.
Es liegt in der Natur der “Typologie“ als Methode, dass sie vereinfacht. Dennoch hilft sie zu verstehen, warum manche Wissenschaftler*innen auf Augenhöhe kommunizieren (können/ wollen) und andere nicht.
Die meisten Wissenschaftler*innen vereinen Eigenschaften der verschiedenen Typen zu unterschiedlichen Teilen in sich. Und es gibt natürlich auch solche, die in erster Linie forschen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können.
Nicht alle sind auf Öffentlichkeit angewiesen
Der Eigenbrötler und der Karrierebewusste sind nicht darauf angewiesen, dass die Öffentlichkeit sie versteht. Es gehört nicht zu ihrer Zielfunktion, sich verständlich zu machen. Im Gegenteil, für sie kann es sogar hinderlich sein, ihre Forschungsergebnisse zu vereinfachen, weil sie dann auf wissenschaftliche Feinheiten, auf die es nunmal ankommt, verzichten müssen.
Die Rampensau und der Veränderer hingegen kommunizieren ihre Forschung bewusst eher so, dass sie Menschen auch außerhalb der klassischen Expertenkreise erreicht. Ihre Forschung profitiert von der Verbreitung. Die Forschung des Veränderers lebt darüber hinaus insbesondere von der Umsetzung. Und dazu müssen Politiker*innen, Medienschaffende, Unternehmer*innen und Verbraucher*innen sie verstehen.
Wissenschaftskommunikation gehört in soziale Medien
Die Forschungsergebnisse von Ökonom*innen haben oft politische Konsequenzen und beeinflussen gesellschaftliches Handeln. Deshalb wird Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien immer relevanter. Soziale Medien bieten eine unmittelbare Reichweite, also die Möglichkeit, mit vielen Menschen ortsunabhängig und jederzeit in Kontakt zu treten. Forschende können sich Rückmeldungen aus der Gesellschaft holen und so besser verstehen, wie Menschen jenseits der akademischen Welt ihre Forschung wahrnehmen. So können sie die Öffentlichkeit an ihrer Arbeit teilhaben lassen. Theoretisch.
Auch ich bin beruflich auf Twitter unterwegs und versuche, meine Ergebnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die Herausforderung dabei: die Ergebnisse in simple Botschaften zu übersetzen, die weitestgehend frei sind von Fachjargon und bestenfalls noch Neugier wecken.
Eine weitere Herausforderung ist der harte Kampf um Zeit und Aufmerksamkeit im Internet. Ich kann noch so sehr „auf Augenhöhe kommunizieren“ und spannende Botschaften, am besten überraschend bebildert, aussenden – es ist nicht garantiert, dass sie auch von den Gruppen wahrgenommen werden, mit denen ich in Kontakt treten will. Stattdessen ziehe ich vielleicht sogar Trolle an. Und für die ist meine Zeit auf jeden Fall zu schade.
Klar: Wissenschaftskommunikation gelingt nicht einfach so, nebenbei. Sie zu erlernen ist schwierig und zeitaufwändig, weil sie erfordert, Sachverhalte so zu durchdringen, dass man sich in allen “Sprachkanälen“ ausdrücken kann. Im Studium spielt Wissenschaftskommunikation oft gar keine Rolle, sodass interessierte Forschende sich alles selbst beibringen müssen. Nicht allen gelingt das, aus Unvermögen oder Unwillen. Viele verharren oft in ihrem strategischen „Expertensprech“ aus professioneller Sachkunde und Reputationsbegehren.
Das sollte sich ändern. Ich bin der Meinung, dass bestimmte Themen kommuniziert werden müssen, damit die Forschung überhaupt „etwas nützt“, also das Gemeinwohl steigert (ihr seht, ich bin am ehesten Typ 4). Diese Regel gilt allerdings nicht für alle Forschungsthemen. Die Zeremonienbücher der römischen Kirche im Mittelalter sind vermutlich für die meisten Menschen nicht allzu relevant. Die Regel gilt auch nicht für alle Forscher*innen. Nicht jeder Virologe muss Podcasts machen oder in Talkshows bestehen. Ein paar dürfen ruhig im Elfenbeinturm forschen.