Spricht Deutschland Politik?
An Marokkos Eliteuniversität, der Al Akhawayn University (AUI), studieren Marouane Azennoud und Youssef Maghous. Man kann dort „Business Administration“, „Science and Engineering“ oder „Humanities and Social Sciences“ studieren. Wie die Begriffe schon zeigen, wird an dieser Privatuni in englischer Sprache gelehrt und gelernt. Denn die AUI lehnt sich an das US-amerikanische Universitätsmodell an. Mich interessierte, […]
An Marokkos Eliteuniversität, der Al Akhawayn University (AUI), studieren Marouane Azennoud und Youssef Maghous.
Man kann dort „Business Administration“, „Science and Engineering“ oder „Humanities and Social Sciences“ studieren. Wie die Begriffe schon zeigen, wird an dieser Privatuni in englischer Sprache gelehrt und gelernt. Denn die AUI lehnt sich an das US-amerikanische Universitätsmodell an. Mich interessierte, wie die beiden marokkanischen Engineering- Studenten Deutschland wahrnehmen:
Offen gestanden hätte ich die gleichen Informationen nicht über Marokko nennen können, wenn ich vor meinem Aufent- halt hier gefragt worden wäre. Es scheint also was dran zu sein an dem Begriff der Eliteuniversität … und es ist beileibe nicht die einzige in den so genannten Entwicklungs- oder Schwellenländern. Was mich zu dem Gedanken führt, dass die deutsche Bildungspolitik meines Erachtens immer noch zu sehr mit sich selbst und ihren fruchtlosen Debatten um die Verortung der Verantwortung für Entscheidungen beschäftigt ist.
Ich fordere sie auf, Rahmenbedingungen so zu schaffen und zu kommunizieren, dass Schulen und Universitäten sinnvolle Bildungsangebote für eine zunehmend globale, diversifizie- rte, agilere Welt machen können. Und das besser heute als morgen. Allein schon, damit unsere „leading position in engineering“ weiterhin so positiv wahrgenommen wird.
Zum Beispiel wissen wir seit der bundesweit größten Studie in Deutschland zu Jugend und Politik „Sprichst du Politik?“, dass deutsche Schüler/innen sich früher Politikunterricht in der Schule wünschen, wo sie sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen wollen. Ganz „nebenbei“ würden sie so lernen, sich in Konflikten fair zu behaupten und eine eigene fundierte politische Meinung zu entwickeln. Das wäre ein super Rüstzeug für ihr Leben als künftige Bürger/innen, Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen. Marouane und Youssef belegen zum Beispiel wie alle anderen Studierenden an der AUI Kurse in „Critical thinking“. In der Tat erlebe ich die Studierenden in meinen drei „Communications“- Vorlesungen als freundlich aber durchaus kritisch. Sie stellen häufig Fragen nach der Ethik bestimmter ökonomischer oder politischer Praktiken, die uns interessanten Diskussionsstoff liefern. Und eine konstruktive, (selbst)kritische Grundhaltung ist der beste Nährboden für Innovationen – nicht nur im Ingenieurwesen.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Derzeit haben wir nicht mal in allen Bundesländern Politikunterricht; wir haben ihn nicht in allen Schulstufen und – den Äußerungen der befragten Schüler/innen nach – nicht in zufriedenstellender Qualität. Wie es ihrer Ansicht nach besser gehen kann man in der Studie „Sprichst Du Politik?“ nachlesen.
Als machbare Mindestforderung daraus fordere ich im Namen der befragten 16- bis 19-Jährigen mehr aktuelle Themen im bestehenden Politikunterricht zu behandeln und diesen, z.B. durch die Beteiligung Externer, so neutral wie möglich zu gestalten.
Sinnvollere Bildungsangebote für unsere globalisierten Welt. Das klingt toll. Aber selbst wenn es die gäbe, was würde es bringen, wenn die ausländischen Studenten, die bei uns studieren nach Abschluss nicht hier bleiben. Beinah 60% wollen bleiben, aufgrund undurchsichtigen Regeln sind es aber letztendlich nur 25 Prozent. Was nützen Studienangebote dann, wenn die ausgebildeten Studenten nicht bleiben können?
Mehr Politik im Unterricht ist eine feine Sache. Aber wer schaut hin, ob es auch wirklich neutral ist? Und wer jetzt denkt, das sei ja nicht so schlimm, wenn das nicht überprüft wird, der möge sich mal vorstellen, wie Politikunterricht zum Beispiel im Osten Deutschlands aussehen mag, wenn die „richtigen“ Leute ihn geben…
Sollte Schule nicht neutral sein? Ich habe kein Problem damit mir vorzustellen, dass in den Schulen auf dem Lehrplan Politik steht, und die Schüler lernen, wie der gesamte Apparat funktioniert. Aber wenn es dann um Parteien und ihr Programm geht, da frage ich mich, wie man verhindern will, dass es politisch eingefärbten Unterricht gibt. Und das finde ich bedenklich.