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Uniform im Einsatz

Von Alexander Kloß / 27. August 2020
picture alliance / dpa | Caroline Seidel

Kleider machen Leute, aber eine Uniform noch keinen guten Polizisten. In anderen Fällen gibt sich der ‚lange Arm des Gesetzes‘ gar nicht erst als solcher zu erkennen. An den Befugnissen dieser speziellen Berufsgruppe ändert das wenig.

Es gibt Dinge mit großer Symbolkraft. Der Daumen nach oben als Zeichen der Zustimmung oder das OK-Zeichen unter Tauchern zählen dazu. Sie repräsentieren Botschaften, die auch ohne viel Erklärung leicht verständlich sind. In manchen Kreisen zumindest. Jenseits dessen sind diese Symbole dagegen vielleicht nicht annähernd so eindeutig, wie wir es gerne hätten. Der Daumen nach oben wird (anders als im Westen üblich) im Irak traditionell als obszöne “Du kannst mich mal!”-Geste gewertet, während die abwertende Bedeutung des OK-Zeichens Autofahrern nicht nur hierzulande gut bekannt sein dürfte. Ein wirklich eindeutiges Symbol? Gibt es eher: nicht.

Manche Symbole rufen jedoch – egal, wo auf der Welt – starke Assoziationen hervor. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang die Symbolkraft einer Uniform. Dabei ist es fast unerheblich, ob sie als religiöse Tracht, Beamtenkleidung oder Fetischaccessoire in Erscheinung tritt – mit Uniformen verbinden viele Menschen eine besondere Palette an Eigenschaften: darunter Zusammengehörigkeit, Gleichheit, Formalität. Uniformen prägen Identitäten, gleichgültig, ob es sich dabei um die von Pfadfindern, Häftlingen oder Nonnen handelt.

Staatlich, autoritär, befugt

Einen weiteren, womöglich interessanteren Grund für die Faszination der Uniformierung besteht zweifellos im Faktor Macht. Die ‚richtige‘ Uniformierung verleiht ihrem Träger besondere Befugnisse. Dies verdeutlicht sich sehr bei der Polizei. Stand 2019 gab es bundesweit laut den Beschäftigtenzahlen des öffentlichen Dienstes 333.300 Polizeibeamte. In Baden-Württemberg, wo die niedrigste Personalstärke Deutschlands verzeichnet wird, kamen im selben Jahr auf einen Polizisten nicht weniger als 453 Einwohner. Beamte zu übersehen, ist aber auch dort nahezu unmöglich.

Abgesehen vom im Alltagsleben eher selten angetroffenen Militär, dem der Brauch des Uniformtragens ursprünglich zugeschrieben wird, strahlt die Polizei als staatliches Exekutivorgan eine Autorität aus wie kaum eine andere Berufsgruppe. Nur Polizisten dürfen als ‚langer Arm des Gesetzes‘ vom anfänglichen Aufnehmen der Personalien bis hin zur Schusswaffe als letztes Mittel Gebrauch machen. Dabei identifiziert die Beamten in erster Linie ihre Uniform unmissverständlich als Staatsdiener.

Mit Recht – nie darüber

Die Rolle des polizeilich uniformierten Gesetzeshüters verspricht, dass durch sein Handeln geltendes Recht umgesetzt wird, ohne dass er dabei selbst über dem Recht stehen darf – so zumindest die Theorie. In der Praxis verschwimmt die Grenze zwischen „auf dem Boden des Gesetzes“ und „über ihm stehend“ erschreckend oft. Dabei scheuen die meisten Menschen eine Konfrontation mit der Polizei – was natürlich auch die Polizisten wissen und manche unter ihnen dazu verleitet, ihren rechtlichen Spielraum zu ihren eigenen Gunsten zu erweitern. Bei Ungehorsam von Berliner Linksautonomen oder vom gewaltbereiten (und aufgrund seiner schwarzen Kleidung und Vermummung ebenfalls uniformiert wirkenden) Hamburger Schwarzen Block sind viele Beamte härteren Durchgriffsmaßnahmen erst recht nicht abgeneigt.

Anlassunabhängige Durchsuchungen von Personen oder Objekten durchzuführen, ist der Polizei allerdings nicht gestattet. Aber wer den Maßnahmen nicht ausdrücklich widerspricht, reicht als Betroffener sein Stillschweigen ein zur Handlungsermächtigung. Hinzu kommt, dass einzelne Polizisten sich oft gegenseitig decken, um in der eigenen Einheit nicht durch vermeintlich unkollegiales Verhalten aufzufallen. Und auch die Justiz scheint hin und wieder nicht gewillt, gegen einzelne fragwürdige Polizeimethoden aktiv zu werden. Was wenig verwundert: Gerichte sind praktisch ständig auf verlässliche Zuarbeit von Seiten der Polizei angewiesen. Diese Asymmetrie zwischen Machtausübung und Kontrolle lässt Polizisten keineswegs gleich zu Übeltätern werden, aber sie erleichtert doch deutlich den potenziellen Machtmissbrauch.

Kennzeichnungspflicht für alle

Während die Polizeiuniform vor allem autoritätshörige Menschen schnell einschüchtern kann, wirkt sie auf bestimmte andere Gesellschaftsgruppen umgekehrt geradezu agitierend. Ihr Erkennungsgrad schützt Polizisten also nicht nur, er lässt sie auch schnell negativ als Angriffsfläche oder Gefahrenquelle hervorstechen. Während sich dies bei diskriminierten Personengruppen etwa in Kontaktvermeidung äußert, um mögliche Ermittlungen, als Drangsalierung empfundene Maßnahmen oder auch nur schlicht eine Aufnahme von Personalien zu vermeiden, macht der hohe Sichtbarkeitsfaktor von Polizisten selbige anderswo leicht zum Ziel von Gewalt.

Nicht umsonst gibt es die Zivilstreife als uniformloses Pendant erkennbarer Beamten. In ihr offenbart sich die eigentliche Krux vereinheitlichender Kleidung. Gerade dank seiner Dienstuniform ergeben sich für den klassischen Streifenpolizisten sowohl Privilegien als auch Pflichten. Ein Zivilpolizist dagegen genießt die gleichen Rechte wie sein uniformierter Kollege, muss aber deutlich weniger Repressalien befürchten. Was in der Strafverfolgung durchaus Sinn ergibt, um nicht sofort von Verdächtigen als Ermittler erkannt zu werden, birgt in letzter Konsequenz dafür noch größere Gefahren des Amtsmissbrauchs.

Möglicher Lösungsansatz dieser bedingt nachvollziehbaren behördlichen Organisation: die allgemeine Kennzeichnungspflicht. Einheitliche Polizeimarken können dabei helfen, das derzeitig angeschlagene Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zu stärken und das Risiko von Übergriffen zu verringern. Doch nur neun Bundesländer haben derartige Marken bisher verpflichtend eingeführt. Im Rest der Republik kann die Polizei weitestgehend ungestört ihren Ermessensspielraum ausschöpfen. Uniformiert oder nicht.

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