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Verstaubtes Image?

Von Anna Steinmeier / 27. März 2024
picture alliance / imageBROKER | Oleksandr Latkun

Wie gewinnt man Auszubildene und Mitarbeitende für eine Branche, die viele nicht mehr auf dem Schirm haben, ist die Frage. Bunte Bilder alleine reichen nicht, weiß der Zentralverband des Deutschen Handwerks und versucht es trotzdem.

„Was gegen Handwerk spricht? Meine Akademikereltern.“

„Es stimmt, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Schließlich bilden wir jährlich über 100.000 Frauen aus.“

Seit 2010 führt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) eine Imagekampagne, um das Bild des Handwerks nachhaltig zu verändern. Ob auf der Straße als geklebtes Plakat oder als TV-Spot: Überall sind herausfordernde Blicke vor allem junger Leute zu sehen. Ihre Botschaft: Sie sprechen sich für einen handwerklichen Beruf aus.

Wiedererkennungswert hat „Das Handwerk“ nebst Daumen hoch-Logo dank auffällig großer weißer Lettern vor meist rotem Hintergrund auf jedem dieser Plakate. Das Ziel der anhaltenden Aktion ist zugleich ihr Motto: „Handwerk neu denken“. Jedes Jahr variiert der Schwerpunkt der Kampagne. Der Fokus auf junge Auszubildende als Zielgruppe aber bleibt.

In vielen Handwerksberufen sind Fachkräfte rar. Und doch frage ich mich, können bunte Bilder allein das staubige Image einer ganzen Branche verändern?

Lange war das Handwerk von veralteten Vorstellungen geprägt und genoss nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Viele junge Menschen bevorzugten ein Studium. Seit 1995 hat sich die Zahl der Studienanfänger bis 2010 laut des Statistischen Bundesamtes mehr als verdoppelt, während die Zahl der Auszubildenen sank, wenn auch nur leicht. Ein Bachelor erschien vielen Schulabsolventen attraktiver als eine Berufsausbildung.

Handwerk ist vielfältig

Die zurückliegenden Kampagnenmotive 2023 stellten 16 Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Berufszweigen vor. Mit einzigartigen Erfolgsgeschichten betonten sie die Vielfalt und Stärken ihrer Branche. Wer von beiden bringt dich weiter – Friseurmeisterin Annabelle oder Bäckermeister Thomas? Wer von beiden sieht die Welt – Sattlerin Lucy oder Metallbauer Thomas? Die Antwort auf die Fragen ist, richtig, immer: beide.

Klischees werden dabei bewusst vermieden, um ein realistisches und zeitgemäßes Bild des Handwerks zu vermitteln. Individuelle Porträts brechen mit alten Vorstellungen und zeigen das Handwerk als dynamisch, innovativ und zukunftsorientiert. Vorherige Schwerpunkte der Kampagne waren unter anderem das Thema Innovation und „groß zu denken“.

Auch die Imagekampagne selbst ist ein ambitioniertes Marketingprojekt der großen Zahlen. Über 6,3 Millionen Briefumschläge, 400.000 Tüten mit Gummibärchen und 290.000 Autoaufkleber wurden allein zum Startschuss 2010 verteilt. In den ersten fünf Jahren wurden insgesamt 50 Millionen Euro für die verbesserte Wahrnehmung vom traditionellen Handwerk investiert. Die Plakatwände, digitalen Banner sowie eigens produzierte Kino- und Fernsehspots erreichten über 60 Millionen Menschen.

Wieder attraktiv werden

Bisher wurde die Kampagne von drei Kooperationspartnern umgesetzt, zuletzt von der internationalen Agentur Doyne Dane Bernbach (DDB) mit Sitz in Berlin. Dennoch bleibt die Frage, ob die Sichtbarkeit der Kampagne einen nachhaltigen Effekt für das Handwerk schaffen konnte.

Nach dem Einfluss gefragt, betont der Zentralverband, dass das Image des Handwerks in der Öffentlichkeit durch die DDB-Kampagne deutlich gestiegen sei und vermutet, dass dieser Erfolg mit der intensiven Berichterstattung über den Nachwuchsmangel zusammenhängen könnte. „Die Bürger sehen die gesellschaftliche Bedeutung und die guten beruflichen Perspektiven. Jeder fünfte Befragte weiß um das Problem der Material- und Lieferengpässe“, zitiert das Deutsche Handwerksblatt den ZDH.

Das Bewusstsein von der gesellschaftlichen Bedeutung des Handwerks erreichte 2021 einen neuen Höchstwert von 87 Prozent. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des ZDH zum Bild des Handwerks in der Bevölkerung. Für 93 Prozent der Befragten ist Handwerk auch im Privaten sehr wichtig.

Anstoß zur Veränderung

Die Handwerkskampagne wird wahrgenommen – und aufgegriffen: Einige Betriebe nutzen die Angebote der Kampagne für ihre eigene Kommunikation. Ein ausführliches Pressekit mit Bildern und Videos wird den Betrieben dafür kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Bäckerei von Bäckermeister Thomas im brandenburgischen Doberlug-Kirchhain nutzt das Videomaterial für die eigenen Social Media-Kanäle, um neue, potentielle Fachkräfte anzuwerben.

Der Zentralverband will die Einbindung der Betriebe weiter vorantreiben. Ziel ist es, das Handwerk als echte Alternative zum Studium darzustellen und gleichzeitig die Chancen für die eigene berufliche Entfaltung und Karriere zu betonen. Mit Themen wie Kreativität, Internationalität, Klimawende und die Möglichkeit, früh Verantwortung in einem (eigenen) Handwerksbetrieb zu übernehmen sowie einer verstärkten Präsenz in den Medien, die vor allem von Jugendlichen genutzt werden, darunter ein TikTok-Kanal.

Ich weiß inzwischen: Die Anpassung einer ganzen Branche geschieht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit und innovative Ansätze dafür. Durch die Kombination aus analogen Werbemitteln, digitaler Präsenz und einer Fokussierung auf positive Erzählungen konnte das Handwerk zuletzt als vielversprechende Berufswahl mit guten Arbeitsbedingungen, fairen Löhnen und schließlich auch als tatsächliche Karriereoption wahrgenommen werden.

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