Wenn der Staat nicht fair kauft
Nicht nur wir, sondern auch der Staat kauft ein, und zwar im großen Stil. Leider interessiert er sich dabei nicht immer, unter welchen Umständen die gekauften Waren produziert werden.
Beim Einkaufen kann jeder selbst entscheiden, ob er zu fair gehandelten Produkten greift. Biofleisch aus ökologischem Anbau oder billiges Fleisch aus der Massentierhaltung? Eier aus Käfighaltung oder von freilaufenden Hühnern? Im Kleinen kann der Verbraucher versuchen, ein Zeichen zu setzen.
Eine ganz andere ökonomische Macht hat der Staat. Ob Stadtkämmerer, Ministerien oder Polizeidirektionen – die öffentliche Hand ist ein bedeutender Käufer. „Da geht es um Milliardensummen“, sagt Martin Finke, der für den Verein Eine Welt e.V. in Leipzig arbeitet. Seit mehreren Jahren setzt er sich für fairen Handel ein und hat unter anderem dafür gekämpft, dass sich die Stadt Leipzig „Fairtrade-Town“ nennen darf.
Der Staat als Einkäufer
Der Staat, die Bundesländer und die Kommunen brauchen für die Erfüllung ihrer Aufgaben jede Menge Produkte und Dienstleistungen, darunter Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände für die Verwaltung, Spielzeug für Kindergärten und Uniformen für Krankenhauspersonal und Polizei. Der Bund kauft sie nach speziellen gesetzlichen Regelungen und Vorgaben auf dem freien Markt und schreibt Aufträge aus.
Doch die staatlichen Auftraggeber legen nicht immer unbedingt Wert darauf, woher sie ihre Waren und Dienstleistungen beziehen. Ökologische und soziale Mindeststandards würden oft nicht eingehalten, bemängelt der Leipziger Martin Finke.
„Wenn der Bund oder die Länder so große Geldsummen ausgeben, dann haben sie durchaus auch Einflussmöglichkeiten darauf, wie Produkte hergestellt werden“, sagt Finke. „Der Staat trägt Mitverantwortung dafür, wie die Arbeitsbedingungen in Fabriken in Asien oder in Osteuropa sind, wo die Dienstkleidung für deutsche Polizisten hergestellt wird.“
Sachsen kauft nicht fair
In einem gemeinschaftlichen Projekt hat Finke zusammen mit dem Bremer Entwicklungspolitischen Netzwerk und dem Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen über den sozial verantwortungsvollen öffentlichen Einkauf am Beispiel von Polizeiuniformen recherchiert. Für Sachsen kommt das Bündnis auf ein ernüchterndes Ergebnis: Mit dem Geld der Steuerzahler kaufe der Staat Produkte, die gegen Arbeits- und Menschenrechte verstießen.
„Sachsen hatte viele Jahre lang eine CDU/FDP-Regierung, die haben das ganz bewusst außen vor gelassen“, meint Finke. In einer Begründung des Freistaates zum Vergabegesetz aus dem Jahr 2013 heißt es, Menschenrechte seien für „eine Wirtschaftlichkeit der Beschaffung keine relevanten Aspekte”. Weiter heißt es: „Die Vergabestellen sind nicht daran gehindert, soziale oder Umweltaspekte bei ihren Vergaben zu berücksichtigen, wenn diese mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen.” Der Gesetzgeber schreibe diese jedoch nicht vor. Die Entscheidung obliege der Vergabestelle.
Vergaberegeln unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland
Damit sind die Regelungen in Sachsen viel weicher als etwa in Schleswig-Holstein. Das Bundesland im Norden verfügt über die fortschrittlichsten Regelungen, so die Initiative Sachsen kauft fair. Das breite zivilgesellschaftliche Bündnis strebt eine öko-soziale Beschaffungspolitik der öffentlichen Hand in Sachsen an. Getragen wird die Allianz vom DGB-Bezirk Sachsen, der Evangelisch-Lutherischen landeskirche Sachsen, dem Bistum Dresden-Meißen und dem Entwicklungspoltischen Netzwerk Sachsen.
Das Vergabegesetz in Schleswig-Holstein dient der Allianz als Vorbild. Dem Gesetz liegt die Kernarbeitsnorm der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zugrunde. Diese umfasst beispielsweise die Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit sowie das Recht auf Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Der Hersteller muss die Einhaltung dieser Regeln in Schleswig-Holstein durch Nachweise von unabhängigen Prüfstellen erbringen. Eigenerklärungen reichen nicht aus.
„Die Rahmenbedingungen im Europäischen Recht für einen sozial verantwortlichen Einkauf seitens des Staates sind eigentlich da“, sagt Finke. „Erst vergangenes Jahr wurde rechtlich untermauert, dass die Möglichkeit besteht, Kriterien wie Nachhaltigkeit in so eine Beschaffung mit einzubeziehen. Aber weil es in Sachsen nicht geregelt ist, besteht bei vielen Akteuren Unsicherheit und es passiert gerade nicht ganz so viel.“
In Sachsen fehlen klare Vorgaben
Die Vergabestellen können zwar ökologische oder soziale Kriterien berücksichtigen, aber es fehlen der Mut, der Wille und ein politisches Signal für einen öko-fairen Einkauf. „An dieser Stelle ist es einfach notwendig, dass von öffentlicher Seite Energie reingesteckt wird, um die Grundlagen zu leisten“, findet Finke. Mit dieser Forderung ist der Leipziger nicht allein. Die Initiative Sachsen kauft fair überreichte dem Landtagspräsidenten Matthias Rößler vergangenen Dezember eine Petition mit 4.000 Unterschriften.
Die Petition fordert Regeln für einen sozial verantwortlichen Einkauf des Freistaats Sachsen. Steuergelder, die beispielsweise für Textilien, Blumen, Kaffee, IT und Spielzeug für staatliche Einrichtungen eingeplant sind, sollen nicht mehr für Kinderarbeit, Hungerlöhne und Menschenrechtsverletzungen ausgegeben werden.
Laut sächsischem Koalitionsvertrag soll die Einführung von ökologischen und sozialen Kriterien während dieser Legislaturperiode geprüft werden. Als Tagesordnungspunkt in den Landtag hat es das Thema nach der Übergabe der Petition bis dato allerdings noch nicht geschafft.
„The corruption is a rust of a government authorities“ says Mr. Melnyck, a famous ukrainian lawyer and a scientist in jurisprudence. As a PhD I am working on research concerning corruption in public procurement in Ukraine and European experience in suppression of this issue. Is it possible to get a contact of Mr. Finke or at least to find more information and invistigation about „not fair public procurement“ in Germany?