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Wer will fleißige Handwerkerinnen sehen…

Von Sophia Förtsch / 8. März 2024
picture alliance / photothek | Ute Grabowsky

Bei Handwerkern denkt man sofort an Maler, Dachdecker oder Mechaniker. Weniger ins Bild passen scheinbar eine Klempnerin oder Tischlerin. Handwerksberufe in Deutschland sind im 21. Jahrhundert noch immer männerdominiert. Aber das war nicht immer so.

Spoiler: Haushalt und Kinder sind nicht das Einzige, was Frauen wollen. Frauen sind immer häufiger erwerbstätig. Die Frauenanteile in einzelnen Berufsgruppen verändern sich langsam, aber stetig. Statistiken sprechen da für sich. EU-weit ist der Anteil der Frauen in akademischen Berufen zwischen 2010 und 2022 um 4,1 Punkte auf 53,9 Prozent gestiegen. Im Handwerk lag der Frauenanteil bei 10,9 Prozent. Die meisten Handwerkerinnen gab es in Bulgarien (23,5 Prozent), Litauen (22,7 Prozent) sowie Rumänien (19,2 Prozent).

Textilarbeiten vom Spinnen bis zum Nähen wurden im Frühmittelalter fast ausschließlich von Frauen erbracht, doch auch im Bauwesen waren einige Frauen aktiv. Generell war das weibliche Geschlecht in fast allen Handwerkszünften vertreten – durchaus zum Argwohn der Männer. Obwohl Frauen mit ihrer Arbeit einen großen gesellschaftlichen Beitrag leisteten, wurden sie unter die Vormundschaft von Männern gestellt. Sie hatten weder Zugang zu Ämtern, noch durften sie alleine ein Handwerksbetrieb führen.

Laut Statistischem Bundesamt waren Frauen 2022 bundesweit mit nur 10,8 Prozent in Handwerksberufen stark unterrepräsentiert. Bei den Auszubildenden lag der Frauenanteil bei 16,7 Prozent. Die Gesundheitshandwerke wie Zahntechnikerin (61,9 Prozent), Augenoptikerin (67,3 Prozent) oder Hörakustikerin (53,9 Prozent) weisen hohe weibliche Anteile auf. Besonders viele Frauen sind in kreativen Handwerksberufen vertreten. Weit oben stehen Maßschneiderin (85,7 Prozent), Konditorin (83,9 Prozent) oder Goldschmiedin (73,4 Prozent).

Eine dieser Frauen ist Luca Luana. Die 25-jährige Berlinerin, tätowiert und mit Schmuck behängt „wie ein Weihnachtsbaum“, fängt im September eine Ausbildung zur Goldschmiedin an. Nach Abitur und zwei Jahren Studium bricht Luca ab. In ihrem Studienfach Regionalstudien Asien/Afrika an der HU Berlin fehlt ihr der Bezug zur Praxis. „Ich war schon immer jemand, der gerne mit seinen Händen gearbeitet hat.” Die junge Frau, die hellbraunen Haare zum Dutt zusammengebunden, zeichnet leidenschaftlich gerne, designt ihren Schmuck, den sie trägt, selber und hat jüngst damit angefangen, Tattoos zu stechen: handgestochen statt mit einer Maschine. Ihre Kunst und Kreativität fließen „durch ihre Hand auf‘s Objekt“, wie sie es selbst beschreibt. Bei ihr hat es „schon immer im Herzen gekribbelt“, wenn sie sich austoben und etwas mit ihren Händen schaffen durfte.

Die Leidenschaft zum Beruf machen

Die Zahl weiblicher Auszubildender im Bereich Goldschmied/ Schmuckdesign lag bundesweit im Jahr 2022 bei 317 Personen insgesamt, männliche Azubis gab es im Vergleich nur 111. Zwar zeichnet sich hier ein hoher Frauenanteil ab, allerdings ist Goldschmieden eher eine Seltenheit im Handwerk. Ein Blick auf andere Berufe wie Tischler:in (m: 15.295; w: 2.960), Stukkateur:in (m: 980; w:65), Glaser:in (m:278; w:13) oder Böttcher:in (m:6; w:0) beweist: Das Handwerk ist hier weitgehend männerdominiert.

Ihr Hobby, Schmuckdesign, möchte Luca nun endlich zu ihrem Beruf machen. Aus Goldschmiede-Workshops wurde ein zweimonatiges Praktikum in einer Werkstatt. Dann fiel die Entscheidung für die Ausbildung. Doch einen Ausbildungsplatz in diesem Handwerksberuf zu bekommen, war nicht einfach. Viele der noch knapp 50 Goldschmiedewerkstätten in Berlin bilden nicht mehr aus. Für Lucas Großmutter eine gute Nachricht. Sie solle doch lieber Zahntechnikerin werden, da wäre es einfacher für sie, später auf dem Arbeitsmarkt, argumentierte diese. Der körperlichen Belastung würde Luca nicht standhalten…

Trotz schlechter Jobchancen lässt sich Luca nicht von ihrem Wunsch abbringen. Wahrscheinlich laufe es bei ihr auf eine Selbstständigkeit hin, wie sie erzählt. Für die Berlinerin steht aber eines jetzt schon fest: „Wichtig ist, dass ich was mache, wofür ich brenne”. Sie hat nicht das Ziel, als Goldschmiedin reich zu werden. Im ersten Lehrjahr bekommt Luca rund 650 Euro brutto monatlich. 3,5 Jahre Ausbildung liegen noch vor der jungen Frau.

Das Handwerk wird weiblicher

Der beliebteste handwerkliche Ausbildungsberuf bei Frauen ist heute das Friseurhandwerk. Jedoch merkt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) an, dass auch in vielen anderen Arbeitsbereichen die Zahl junger Frauen gestiegen ist. 2022 gab es mehr Augenoptikerinnen, Elektronikerinnen, Malerinnen und Lackiererinnen als noch vor knapp 20 Jahren. Auch die Anzahl an Kraftfahrzeugmechatronikerinnen (2022: 1209 im Vergleich zu 2004: 16) und Tischlerinnen (2022: 1404 im Vergleich zu 2004: 704) wächst.

Die Klischees und Stereotypen in Handwerksberufen existieren, das ist Fakt. Pin-Up-Kalender und Machosprüche sind immer noch an der Tagesordnung. Der ZDH schreibt dazu: „Umdenken ist angesagt – auch bei Eltern, Lehrern und in der Gesellschaft insgesamt. Mit dem digitalen Wandel werden die körperlichen Belastungen handwerklicher Berufe geringer, zugleich wächst der Bedarf an kreativem, kommunikativem und gestaltendem Potential”.

Ein dickes Fell braucht frau definitiv, wenn sie sich sexistische Sprüche von Kollegen anhören muss und oft unterschätzt wird. Luca fordert mehr Unterstützung für Handwerkerinnen, angefangen mit einer besseren Familie-Beruf-Vereinbarkeit, über eine bessere Bezahlung bis hin zu einer Überwindung bestehender Geschlechterklischees – insbesondere in der schulischen Berufsorientierung.

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