Wind of change? Nein, danke!
Der Wunsch nach Stabilität und Sicherheit steht innovativen Veränderungen häufig im Weg. Obwohl diese Erkenntnis weit verbreitet ist, verharren viele Leute in einer abwehrenden Haltung. Um sich auf Neues einzulassen, braucht es für sie unerschütterliche Argumente, bei denen kein Zweifel aufkommen darf.
Die größten (technischen) Fortschritte der Menschheit haben zwangsläufig auch Veränderungen mit sich gebracht: Die Einführung der Krankenversicherung 1883 durch Bismarck, die das Gesundheitssystem revolutionierte; die Erfindung von Fortbewegungsmitteln wie Autos oder Flugzeugen, wodurch mühsame und langwierige Reisen auf dem Pferd, mit der Kutsche oder zu Fuß fortan der Vergangenheit angehörten. Deutlich zeigt sich diese Entwicklung auch im Kleinen: Ohne Smartphones ist Kommunikation heutzutage nicht mehr denkbar. Und trotzdem: Wir Menschen scheuen Veränderung im Grunde genommen. Das Altbekannte und Vertraute scheint uns stets das Bessere zu sein. Selbst wenn wir die Erfahrung machen, dass das Neue eine echte Verbesserung an Lebensqualität ermöglicht oder eine Erleichterung im Alltag mit sich bringt – die Abneigung gegen (die nächste, unkontrollierte) Veränderung bleibt.
„Veränderung ist für unser Gehirn immer bedrohlich“, erklärt Myriam Vorderwülbecke, psychologische Psychotherapeutin und bekannt auf Instagram – als „psychologin_mvorderwuelbecke“ – unter anderem zum Thema Angst vor Veränderung aktiv. „Gewohntes aufrechtzuerhalten, hat somit immer Priorität. Unser Gehirn hat den Auftrag, unser Überleben zu sichern, und das, was sich bewährt hat, wird eben zur Gewohnheit.“
Je sicherer, desto freier?
Vertrautheit verschafft Sicherheit und diese ist eines der physiologischen Grundbedürfnisse, die der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow im Jahr 1943 definiert hat. Vertrautheit beziehungsweise Sicherheit stehen noch vor den sozialen Bedürfnissen. Zu Sicherheit zählen vor allem die alltäglichen Bereiche des Wohnens, der Arbeit oder des Einkommens. Fühlt man sich in seiner Lebenswelt sicher genug, dann erst ist man frei, sich anderen Bedürfnissen, wie soziale Kontakte, Selbstverwirklichung etc. zuzuwenden. Veränderung sorgt für einen oft harten Bruch mit dieser Vertrautheit und bringt Unsicherheit ins Spiel. Laut Maslow ist das Empfinden von Unsicherheit der Grund für die Angst vor Veränderung – oder, schlimmer noch, die Angst vor der Unsicherheit.
Doch wovor genau haben wir Menschen eigentlich Angst? Bei der Erfindung des Autos war es vermutlich die Geschwindigkeit – irgendwie ja auch beängstigend, dass etwas erfunden wird, das plötzlich so viel schneller ist, als andere Fortbewegungsmittel dieser Zeit. Bei neuen technischen Geräten liegt der Grund wohl darin, sich umgewöhnen, sich einer Herausforderung stellen zu müssen: Neue Smartphones neu zu konfigurieren, sie anders bedienen zu müssen und damit schlicht überfordert zu sein, all diese Situationen können Unbehagen nach sich ziehen.
Führt ein geringes Selbstwertgefühl zu mehr Angst vor Veränderung?
Tatsächlich gibt es ein fast liebevolles Festhalten an den eigenen Gewohnheiten und eine schiere Angst vor den Folgen von Veränderung. Diese beiden sollte man nicht miteinander verwechseln. Letzteres ist bei vielen Menschen real. Laut Vorderwülbecke sind besonders Menschen mit geringerem Selbstwertgefühl, einer geringeren Selbstwirksamkeitserwartung und mit geringer sozialer Unterstützung oder fehlendem sozialen Netzwerk stärker betroffen. „Dafür fällt es Menschen mit dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten leichter, Veränderungen anzunehmen“, erläutert sie, „sie haben somit gleichzeitig mehr Ressourcen zur Verfügung, sich anzupassen, da sie nicht gegen die mit der Veränderung in Zusammenhang gebrachte Furcht angehen müssen.“ Aber insgesamt seien eigentlich alle Menschen mehr oder weniger von dieser Reaktionsweise betroffen. Wie Veränderungen zugelassen werden können, um Neues zu wagen, erklären etliche Ratgeber. Doch wie genau stellt man das an?
Alles beim Alten zu belassen, ist Wahnsinn
Dazu rät Vorderwülbecke zunächst, sich bewusst zu machen, dass es in Ordnung sei, Angst vor Veränderung bei sich festzustellen. Diese Selbstakzeptanz, das Zugeben, dass es ein Problem gibt, ist meist der erste Schritt und er öffnet den Weg, daran zu arbeiten: „Danach“, so die Psychotherapeutin, „muss man sich fragen, warum die Veränderung für einen selbst und das eigene Leben wichtig ist.“ Die Gründe hierfür können vielfältig sein: Vielleicht trägt die Veränderung zu persönlichem Wachstum bei? Oder sie öffnet einem neue Türen? Womöglich hilft sie dabei, endlich aus dem gewohnten Alltagstrott herauszukommen? Zum Umgang mit der Zurückhaltung vor Veränderung gehört, am eigenen Denken zu arbeiten: Was wäre denn das schlimmste Szenario, das man sich vorstellen kann – und wäre daran wirklich so schlimm? Eine pessimistische Erwartung ist ein häufiger Grund für schlimme Szenarien, in die man sich hineinsteigert und dann Angstgefühle davor entwickelt. Gegen diese helfe, so Vorderwülbecke, der dritte Schritt: „Man muss immer wieder aus der eigenen Komfortzone herausgehen, in Richtung Veränderung, aber natürlich noch mit dem Gefühl der Angst. Nur dadurch gewöhnt man sich mit der Zeit an das Gefühl und es kann immer weniger werden.“ Wie Albert Einstein sagte: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Den ersten Schritt muss man immer selbst tun.
Der Text von Frau Zille mit dem Interview der psychologische Psychotherapeutin macht einem echt Mut. Ich werde versuche meine Komfortzone zu verlassen und für Veränderungen, die meistens wirkliche Verbesserungen sind, offen zu sein.
Genau in so einer Zwickmühle befand ich mich vor meinem Umzug. Ich hatte Angst, dass irgendwas schief geht und ich keinen Anschluss in der neuen Stadt finden könnte. Ich war schließlich doch überrascht wie gut der Umzug lief und wie schnell ich Anschluss mit neuen Kontakten knüpfen konnte.
Man sollte öfters offen für neues sein und regelmäßig seinen Horizont erweitern.