Wunderwaffe oder Wichtigtuer?
Zisch, süß, wach! Energydrinks sind überall erhältlich als angebliche Helfer in der Not, wenn wir Müdigkeit verspüren oder leistungsstärker sein wollen. Der Effekt hält bei vielen mehrere Stunden an, andere spüren kaum einen Unterschied. Für alle aber gilt: In bestimmten Kombinationen kann es gefährlich werden.
Statistiken zufolge haben zwischen 2017 und 2020 gut 2,42 Millionen Deutsche regelmäßig mehrmals pro Woche Energydrinks konsumiert. Die Anzahl der Befragten, die dagegen angaben, nie Energydrinks zu sich nehmen, erreichte dieses Jahr mit 48,34 Millionen einen Rekordwert. Also, kein Grund, sich darüber Gedanken zu machen?
Der Wachmacher als Dickmacher
Kameramann, Filmproduzent und Storyteller. Das ist Yasar Honneth. 35 Jahre alt und aus Wiesbaden, ein Medienstratege, der in der Welt der Werbung zu Hause ist, wo Deadlines, kurze Nächte und Arbeiten unter Druck normal sind. 2009 hat sich Honneth mit dem Studiengang „Digital Media-Video/ Motion Pictures“ an der Hochschule Darmstadt für eine Arbeit am Computer entschieden.
„Meine Bachelorarbeit bin ich mit jeder Menge Zigaretten, sowie Afri Cola und Effect Energydrinks angegangen“, erinnert sich Honneth. „Ich war relativ spät dran mit der Abgabe und habe mich mit dieser Kombination wach gehalten, da mir Kaffee schnell auf den Magen schlug und auch nicht die gewünschte Erfrischung brachte. Nach drei Wochen intensivem Schreiben und Videoproduktion gab ich dann die Arbeit ab und traf einen Freund aus Island. Er klopfte mir gegen den Bauch und sagte: ‚Oh, you too! That’s an editing belly.‘ Er lachte und klopfte sich auf den eigenen Bauch. Wir kommen beide aus dem Filmschnitt, wo man gerne nachts vor dem Computer arbeitet und sich dann mit entsprechend säurehaltigen und stark gezuckerten Koffeindrinks wachhält. Man ist dann zwar fit, aber danach fett.“
Honneth macht sich nichts vor. „Ich vermute, dass die Zusammensetzung mit dem hohen Zuckergehalt ausschlaggebend für die schnelle Gewichtszunahme ist. Cola und Energydrinks machen wach, bevor das Koffein überhaupt wirkt. Oder es ist die Schockreaktion des Körpers auf die starke Säure.“ Sein Fazit: „Gesund kann das nicht sein! Dennoch muss ich sagen: Ich habe das gerne getrunken. Während der Bachelorarbeit habe ich ein Höchstmaß von sechs Litern Effect Energydrink in drei Tagen erreicht, dazu Afri Cola, weil der Koffeingehalt höher ist als bei Coca Cola und weniger süß schmeckt.“ Übertrieben hat Honneth aber nicht nur mit seinen Wachmachern. „Geschlafen habe ich so gut wie gar nicht. Bei der Abgabe wog ich über zehn Kilo mehr, die ich dank körperlicher Betätigung wieder los geworden bin.“
Wenn es heute mal vor dem Bildschirm länger dauert, greift er lieber auf direkt mit Zucker gebrühten grünen Tee zurück. So wie dieser im Orient seit Jahrhunderten als natürliches Aufputschmittel genutzt wird. „Ansonsten kann ich traditionell gebrühten Matetee empfehlen“, rät er.
Nicht unerheblich: Die rechtliche Lage
Für gesunde Erwachsene stelle der Verzehr von zweieinhalb Dosen Energydrink innerhalb kurzer Zeit kein gesundheitliches Risiko dar, heißt es. Für einige Personengruppen können jedoch derart hohe Koffeindosen zu besonderen gesundheitlichen Risiken führen. Dazu gehören Schwangere sowie koffeinempfindliche Personen, wie zum Beispiel Menschen mit Herzkreislauferkrankungen. Aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) können sich gesundheitliche Risiken ergeben, wenn Energydrinks häufiger in größeren Mengen und insbesondere dann, wenn sie in Zusammenhang mit viel Alkohol konsumiert werden. Und auch in Kinderhände gehören Energydrinks nicht.
„Insofern stellt sich die Frage, ob hier ein Abgabeverbot für Jugendliche nicht sogar erforderlich ist. Hier wäre das Jugendschutzgesetz entsprechend anzupassen“, fordert Rechtsanwältin Edith Krüger. Verkauf und Abgabe von Energydrinks sind in Deutschland aktuell ohne Altersbeschränkung erlaubt. Weil „Forschung, Information und Warnhinweise den Jugendschutz nicht ersetzen können“, drängt sie auf ein bundesweites Verbot. „Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat eine Studie zur Wirkung von chronisch hohem Verzehr von Energydrinks auf das Herzkreislaufsystem bei Jugendlichen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sollen 2022 vorliegen. Vielleicht werden diese maßgeblich zu einem Verbot beitragen“, so Krüger. „Es bleibt abzuwarten.“
Der Wiesbadener Rechtsanwalt und Dozent Wikey Chada ist dagegen der Meinung, dass „ein Verbot für Kinder mit der derzeitigen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner nicht kommen wird“. Seiner Einschätzung nach kann ein allgemeines Verbot von Energydrinks nicht wirksam durchgesetzt werden.
Gesunde Alternativen für einen besseren Energiehaushalt
Zu welchen Alternativen eine Heilpraktikerin in der Sache rät? Freda Börgers, Physiotherapeutin, empfiehlt einen geregelten Tagesablauf als Grundlage, um generell wach und leistungsstark zu sein. „Morgens früh aufstehen, den Tag mit Meditation, Gymnastik, Wechselduschen und einem ausgewogenen Frühstück beginnen“, gibt Börgers vor. Dies beeinflusse jede konzentrierte Arbeit positiv. Im Laufe des Tages sollten auch erholsame Pausen eingeplant werden und schließlich helfe es, abends zeitig schlafen zu gehen. Für die Heilpraktikerin aus Wiesbaden heißt das: „Einschlafen vor Mitternacht, da diese Zeit besonders erholsam für den Körper ist“.
Aber was, wenn der Leistungsschub plötzlich und schnell gehen muss? „Für akute Fälle empfehle ich Powernapping, also einen kurzen, intensiven Schlaf von 20 Minuten, Wasser trinken, Lüften oder Bewegung am offenen Fenster. Außerdem hilft es, im Raum kalte Temperaturen herrschen zu lassen, und wer längerfristig überarbeitet ist, dem empfehle ich von den Schüßler-Salzen die Nummer fünf: Kalium phosphoricum“, so Börgers. Aus homöopathischer Sicht für sie in dem Fall die Nummer eins.