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Zuhause, wo der Koffer steht

Von Christa Roth / 4. August 2023
Foto: Benjamin Eichler

Wer sind wir? Diese Frage stellt sich dem Einen oder der Anderen durchaus häufiger im Leben. Wir stellen sie der Spoken-Word-Künstlerin Jessy James LaFleur.

  • Alter? Alter ist nur ein gesellschaftliches Konstrukt.
  • Wohnort? Als Nomadin ist man praktischerweise überall da zuhause, wo der Koffer steht. Derzeit teile ich mich aber zwischen Prag, Berlin und der Lausitz auf.
  • Hast du Geschwister? Zwei Brüder. Die mögen mich aber nicht, haha.
  • Seit wann bist du Poesie-Fan und Spoken Word-Künstlerin? Seit meinem 13. Lebensjahr.
  • Was ist das Beste an deinem Beruf? Dass ich mich mit den krassesten Themen, von denen ich vorher oft nichts wusste, poetisch auseinandersetzen und Menschen begeistern und zum Nachdenken anregen darf. Und die Tatsache, dass sich mit Poesie die Welt verändern lässt.
  • Andere berufliche Erfahrungen? Ich habe mit 16 die Schule abgebrochen und in allen Ländern, in denen ich gelebt habe, die wildesten Jobs gemacht, um mein Leben zu finanzieren: DJane, Kellnerin, Sales-Managerin, Grafik-Designerin, Event-Managerin, Kabelträgerin, Türsteherin… gefühlt war so gut wie jede Branche dabei.
  • Auch wenn Reisen manchmal schwierig ist: Meer oder Berge? Ich liebe die Berge, aber nichts geht über diese Sehnsucht, die im Herzen pocht, wenn du am Strand stehst und auf’s Meer blickst. Außer es stürmt.
  • Welche weitere Sprache würdest du gern sprechen und warum? Ich spreche bereits 7 Sprachen und bringe mir gerade Obersorbisch und Tschechisch bei. Eine Sprache, die ich in diesem Leben aber auf jeden Fall noch erlernen will, ist Estnisch. Ich habe eine zeitlang in Tartu gelebt und möchte irgendwann wieder dort leben. Außerdem hat Estnisch einen wunderschönen Klang und wird weltweit nur von 1,3 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen. Wäre also gut, etwas zum Erhalt beizutragen.
  • Bei welcher (neuen) olympischen Disziplin bekämst du eine Goldmedaille? Bahngleis-Hopping und Bahnhofstreppen-Sprinten.
  • Über welchen Film musstest du zuletzt laut lachen? Es ist unglaublich schwer, mich mit Filmen und Co. zum Lachen zu bringen. Sad, I know. Die Krimikomödie „Knives out“ hat’s beim letzten Mal geschafft. Guckt diesen Film!
  • Bist du eher ein Gefühls- oder Kopfmensch? Irgendwas dazwischen. Mein Bauchgefühl hat aber in den meisten Fällen recht.
  • Kaufst du bei Amazon? Nicht mehr.
  • Nenne je zwei deiner größten Stärken und Schwächen. Unverwüstlicher Optimismus und meine Kommunikationsfähigkeit. Mangelndes Selbstwertgefühl und chronische Selbstausbeutung.
  • Für welche Eigenschaft bekommst du am häufigsten Komplimente? Für meinen Mut.
  • Darf man in deinem Schlafzimmer rauchen? Auf gar keinen Fall! Das Schlafzimmer ist heilig. Abgesehen davon darf man aber nirgendwo bei mir in der Wohnung rauchen.
  • Was darf in deiner Küche auf keinen Fall fehlen? Portugiesisches Olivenöl, Soja-Soße und Kreuzkümmel.
  • In welcher Situation hattest du richtig Glück? An meinem 18. Geburtstag wurde ich in einen schweren Autounfall verwickelt. Hätten mich die Ersthelfer damals nicht so schnell aus dem Wagen gezogen und sich um mich gekümmert, wäre ich nicht mehr hier. So eine Nahtoderfahrung prägt im Anschluss dein ganzes Leben.
  • Worüber hast du dich zuletzt besonders geärgert? Über die Umfragewerte der AfD.
  • Deine Lieblingsgewerkschaft? (Oder: Dein liebster Verein?) Hier möchte ich mich nicht festlegen. Ich habe einfach zuviele Favourites.
  • Wenn du drei Dinge ändern könntest, welche wären das? Ich würde die schreckliche Leistungsgesellschaft, in der wir leben, umkrempeln, das Schul- und Bildungssystem revolutionieren und unendliche Finanzierungsmöglichkeiten für Jugendkultur schaffen.
  • Wann und wodurch hat sich deine Meinung zu einem Thema zuletzt geändert? Ich bin als ostbelgisches Dorfkind aufgewachsen und habe dieses Dasein gehasst! Nicht umsonst bin ich mit 18 in die Welt hinaus gezogen. Für den ländlichen Raum hatte ich nie ein gutes Wort über. Bis ich meine Projekte in der Lausitz aufgebaut und dabei erfahren habe, wieviel Potenzial die Pampa eigentlich hat und dass sich dort richtig viel entwickeln lässt, sobald die richtigen Menschen zusammenkommen. Ich musste mir selber eingestehen, dass es um einiges leichter ist, eine ländliche Region zu verlassen, als sie zu verändern. Ich kann aber nachvollziehen, wenn man da keinen Bock drauf hat und einfach nur weg will. Der ländliche Raum ist und bleibt ein ganz spezieller Kosmos und ist vor allem eines: eine riesige Herausforderung.
  • Erscheinst du eher zu früh oder zu spät? Ich versuche stets pünktlich zu erscheinen. Wenn überhaupt, bin ich zu spät, weil das mit der Deutschen Bahn zu tun hat.
  • Wenn dein Haus in Flammen stünde, welchen Gegenstand würdest du retten? Traurig, aber wahr: mein Laptop! Der übrigens Bobby James heißt.
  • Denkst du eher über die Vergangenheit oder die Zukunft nach? Ich denke, dass die Vergangenheit die Zukunft bedingt, weswegen ich stets versuche, beides in einen Kontext zu setzen. Mir macht die Zukunft oft Angst; in der Vergangenheit versuche ich dann, stets Menschen und Ereignisse zu finden, die mir wieder den nötigen Mut schenken, um weitermachen zu können.
  • Wie möchtest du sterben? Ich möchte schmerzfrei sterben; am liebsten mit einem Lächeln auf den Lippen einschlafen und wissen, dass alles gut war.
  • Welche Botschaft möchtest du hinterlassen? Lass dir von niemandem einreden, dass deine Träume absurd sind und deine Stimme diese Welt nicht verändern kann!!!

(Hinweis: Die Musik in allen „Angeprangert!“-Podcast-Folgen kommt von der Cellistin Natasha Jaffe.)

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