DebatteWas ist Macht?
Macht prägt soziale Gemeinschaften und ordnet das Zusammenleben. Die Formen, in denen Macht ausgeübt wird, können ganz unterschiedlich sein. Viele Definitionen sind unscharf.
Wer sich durchsetzen will, spricht ein Machtwort. Wir kennen die Macht der Gewohnheit und fürchten die dunkle Seite der Macht. „Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“, wird der ehemalige US-Präsident Abraham Lincoln zitiert. Und Rio Reiser mit seiner anarchischen Punkband Ton Steine Scherben grölte Anfang der 1970er Jahre: „Schreibt die Parole an jede Wand: Keine Macht für Niemand!“
Macht verbinden wir mit Herrschaft, Stärke und Einfluss, aber auch mit Machtmissbrauch, Machtwahn oder einem unguten Gefühl von Machtlosigkeit und Ohnmacht. Der Begriff der Macht wird in unterschiedlichsten Kontexten verwendet. Dabei bleibt er oft unscharf.
Was ist Macht?
Macht ist ein Phänomen sämtlicher sozialer Gemeinschaften. Sie kann von einzelnen Personen oder Gruppen ausgehen, etwa Parteien, Organisationen, Unternehmen oder Verbänden. Vom Staat auf die Gesellschaft wird Macht ebenso ausgeübt wie im zwischenmenschlichen Bereich, zwischen Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern oder Partnern.
Machtverhältnisse haben grundsätzlich zwei Seiten. Eine Seite hat dabei mehr, die andere Seite weniger Macht. Es besteht ein Austauschverhältnis zwischen dem Mächtigen und dem Beherrschten. Laut Brockhaus ist Macht das Vermögen einer Person oder Gruppe, ihre Ziele gegen Widerstände durchzusetzen, etwa äußere Umstände, den Willen Dritter oder Widerstände in der eigenen Person.
„Hinsichtlich des Machtbegriffs herrscht immer noch ein theoretisches Chaos“, sagt Byung-Chul Han, Autor des Buchs „Was ist Macht?“ und Professor für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin. Der Selbstverständlichkeit des Phänomens stehe eine totale Unklarheit des Begriffs gegenüber. Es gibt unzählige Machtdefinitionen, in der Philosophie ebenso wie in der Soziologie und Politik.
Philosophen haben früh begonnen, sich mit verschiedenen Machtverständnissen auseinanderzusetzen. Erstmals beschäftigten sich die Sophisten in der griechischen Antike damit. Aristoteles (384-322 v.Chr.) sprach von der politischen Herrschaft, bei der ihm zufolge Freie über Freie herrschen, die sich in ihren Machtpositionen abwechseln.
Niccolò Machiavelli (1469-1527), ein florentinischer Philosoph und Politiker, befand, dass Macht anders als Autorität nicht legitimiert werden müsse, sondern eine praktische Tatsache sei.
Für den Staatstheoretiker Thomas Hobbes (1588-1679) ergibt sich aus der natürlichen Aneignungsmacht der Menschen über die Natur und naturbedingten Machtunterschieden die Vorstellung eines Herrschaftsanspruchs aller über alle. Nur durch Machtkonzentration, etwa durch den Staat, könnten daraus folgende Konflikte verhindert werden.
Der Soziologe Max Weber (1864-1920) definiert Macht als „jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“.
Hannah Arendt (1906-1975), politische Theoretikerin und Publizistin, schrieb: „Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln.“ Macht ist für sie im positiven Sinne das Zusammenwirken von freien Menschen zugunsten des Gemeinwesens, nicht die Durchsetzung privater Interessen. Über Macht verfüge niemals ein Einzelner, sie sei nur existent, solange die Gruppe zusammenhalte.
Der französische Philosoph Michel Foucault (1926-1984) spricht von einer Allgegenwart von Machtbeziehungen. Machtverhältnisse bestimmen laut Foucault die gesamte Lebenswelt einer Gemeinschaft.
Doch alle Versuche, Macht zu ergründen, haben eines gemeinsam. Sie haben ein Problem. Eines, das allen Machtbegriffen innewohnt, ist: Wo Macht herrscht, besteht immer auch die potentielle Gefahr eines Machtmissbrauchs.
Wie kann Macht gesteuert oder eingeschränkt werden?
Damit nicht Einzelne alle Macht als Summe aller Einflussmöglichkeiten in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht ausüben, gibt es institutionelle Beschränkungen und Grenzen, etwa die Gewaltenteilung in Legislative, Exekutive und Judikative sowie die Medien als vierte Gewalt. Machtmittel staatlicher Gewalt, also Gerichte, Polizei und Militär, sorgen für die innere Ordnung und äußere Sicherheit.
Das Prinzip der Öffentlichkeit, das heißt Information, Transparenz und ein öffentlicher Diskurs, kann die Macht Einzelner mindern. Zudem resultiert aus Macht oft eine Gegenmacht, die sich dieser gegenüberstellt und sie kontrolliert.
Was bedeutet politische Macht?
Macht ist vor allem aus dem politischen Kontext bekannt. Hans Morgenthau (1904-1980), Politikwissenschaftler und Jurist, hat festgestellt, dass Politik immer ein Kampf um die Macht sei: „Das unmittelbare Ziel ist stets die Macht.“
Mao Tse-Tung (1893-1976), Begründer der Volksrepublik China, sagte einst den vielzitierten Spruch: „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.“ Dem ist glücklicherweise nicht so, zumindest nicht in einer fortschrittlichen Demokratie. Im Fall von Politikern oder Parteien legitimiert sich der Machtanspruch durch die freiwillig abgegebenen Stimmen der Wähler. Macht bedarf damit also der Zustimmung einer gewissen Mehrheit, frei nach dem Leitwort „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, wie es im Grundgesetz festgehalten ist.
Wer wird mächtig und warum?
Die Mittel, mit denen Macht erlangt werden kann, sind vielfältig. Wissen kann für einen Machtvorteil sorgen. Es entsteht eine „Expertenmacht“ durch spezielle Informationen oder besondere Kenntnisse des Machtausübenden, die ihm einen Vorteil verschaffen.
Darüber hinaus gibt es viele andere Machtmittel: Neben einem Wissensvorsprung können etwa finanzielle Mittel, die Familie oder ein höherer sozialer Status dabei helfen, Macht und somit mehr Einfluss zu erlangen. Bestes Beispiel hierfür ist der mehrfache italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der seine politische Macht auch seinen Milliarden und seinen Medienunternehmen zu verdanken hatte.
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