DebatteDie Basis für zwischenmenschliche Fehlinterpretation?
Tagtäglich sind wir auf sie angewiesen, egal ob privat oder beruflich: zwischenmenschliche Kommunikation. Sie ist DAS Mittel zur Verständigung. Doch ist bloßes Kommunizieren gleichzusetzen mit Verständnis aufbringen oder verbirgt sich dahinter ein Minenfeld?
Eigentlich wissen wir jetzt schon, was gemeint ist, oder? Einfach erklärt, bedeutet Kommunikation die Verständigung untereinander mittels Sprache und Zeichen. Da aber das Gesagte nicht immer so verstanden wird, wie es gemeint war, kommt es oft zu Missverständnissen und Problemen. Wenn während eines Gesprächs der Eindruck entsteht, dass das Gegenüber plötzlich nicht mehr zuhört oder lediglich desinteressiert wirkt, können Irritationen und Spannungen entstehen, obwohl es dafür keinen tatsächlichen Grund gibt.
Verbal, nonverbal, paraverbal
Übersehen wird häufig, dass unsere Kommunikation aus mehreren Komponenten besteht, die erst im Zusammenspiel ein Ganzes ergeben. Die verbale Komponente lässt sich bewusst von uns steuern. Wir können dadurch unseren Wünschen, Ängsten und Gefühlen Ausdruck verleihen – und das alles sogar in verschiedenen Sprachen. Die verbale Kommunikation findet dabei auf zwei Ebenen statt: Die Inhaltsebenen, bei der Sachinhalte vermittelt werden und die Beziehungsebenen, die Emotionen transportieren.
Bei der verbalen Interaktion sendet der/die Sender:in eine Botschaft an den oder die Empfänger:in. Diese:r interpretiert sie und reagiert darauf. Je nachdem, in welcher Beziehung die Kommunikationspartner:innen zueinander stehen, kann verbale Kommunikation Lob oder Aufforderung sein, Kritik ausdrücken oder Neugierde wecken.
Auf der paraverbalen Seite handelt es sich um alles, was neben der Sprache auf tonaler Ebene begleitend zum Ausdruck kommt – unter anderem Lautstärke, Tonlage, Sprechpausen, Sprachmelodie, Schweigen, Seufzen, Lachen oder Räuspern.
Als dritte Komponente wird die nonverbale Ebene gesehen, also unsere Körpersprache. Zu ihr zählen Mimik, Gestik und Körperhaltung. Sie gibt Aufschluss über unser Innenleben und unsere Befindlichkeit. Damit hat sie eine höhere Aussagekraft als die verbale Kommunikation. Man kennt das: Wenn es einem schlecht geht, will man es sich meistens nicht anmerken lassen. Die Frage nach der eigenen Befindlichkeit beantworten wir auch in diesen Fällen mit „gut“. Dabei ist unsere Aussage selten wirklich im Einklang mit der Körpersprache oder Stimmlage. Ein aufmerksames Gegenüber merkt dann sofort, dass etwas nicht stimmt.
Um eindeutige Botschaften auszusenden, sollten verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikation möglichst kongruent sein. Sind sie es aus verschiedenen Gründen nicht, können Worte sehr schnell fehlinterpretiert werden.
Wenn die Kommunikation nicht fließt
Die Wissenschaft geht sogar einen Schritt weiter in ihrer Analyse darüber, wie wir uns mitteilen und welche Auswirkungen Sprache und Gebärden auf unser soziales Leben haben – analog und im digitalen Leben. Wie gesagt: Ist unsere Kommunikation eindeutig, spricht man von einer synchronen Kommunikation. Asynchrone Kommunikation tritt dagegen auf, wenn die drei Komponenten nicht übereinstimmend ablaufen.
Dies ist bei WhatsApp häufig der Fall. Wer lieber chattet und schriftliche Nachrichten verschickt, riskiert, missverstanden zu werden. Die Konversation gerät dabei aus dem Ruder, eskaliert und kann im schlimmsten Fall sogar weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Grafische Behelfsmaßnahmen wie Smileys sollen zwar Worte durch schnell einzuordnende Abbildungen einsparen. Im Grunde unterstreichen sie meist das Geschriebene zusätzlich aus purer Notwendigkeit, weil auf Körpersprache sowie paraverbale Elemente für das Verständnis verzichtet werden muss.
Körpersprache und paraverbales Verhalten, das zum Sprechakt oft unbewusst abläuft, machen also den Großteil unserer zwischenmenschlichen Interaktion aus, digital funktionieren sie jedoch nur eingeschränkt. Dass alles wie von selbst fließt, ja ruhig vor sich hinplätschert, ohne dass Unstimmigkeiten zu erwarten sind, muss in Frage gestellt werden. Das macht auch schnelle, digitale Kommunikation heikel.
Autismus und soziale Interaktion
Kommunikation bedingt aber nicht nur Rhetorik und all die anderen genannten Elemente. Ihr vorgelagert sind zutiefst individuelle Komponenten, konkret gesprochen: Kommunikationsstörungen.
Die psychologische (z.B. Ablenkung, selektive Wahrnehmung, Vorurteile), die physiologische (Hörvermögen), die semantische (Sprachfehler) sowie die technische Störung (schlechte Telefonverbindung). Neurologisch-psychologische Entwicklungsstörungen wie besipielsweise bei Autismus erschweren die soziale Interaktion. Dies muss natürlich nicht für jede:n atypische:n Autist:in zutreffen. Einige haben zum Beispiel eine gute verbale Ausdruckfähigkeit, können aber Ironie und Sarkasmus nicht verstehen oder nonverbale Elemente nicht erfassen. Wenn Kommunikation gelingen soll, fordern unter anderem Betroffene, nicht nur in diesem Fall mehr Aufklärung – und zwischenmenschliches Verständnis.