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Bezahlen, um zu helfen

Von Leonie Sontheimer / 21. März 2018
picture alliance / Caro | Trappe

Jedes Jahr verbringen 1,6 Millionen junge Menschen ihre Ferien damit, in Ländern des globalen Südens soziale Arbeit zu leisten. Woher das Bedürfnis rührt, in der Ferne Schulen zu bauen oder Schildkröten zu retten – ein Erklärungsversuch.

Um 07:20 Uhr zieht Alice die Tür ihres Hostelzimmers hinter sich zu und tritt auf die Straßen Cuscos. 15 Minuten geht sie bis zu ihrer Schule. Eine Gruppe peruanischer Schulkinder wartet bereits ungeduldig im Klassenzimmer auf die neue Lehrerin „Profe Alice“.

Dabei ist die Münchnerin fast noch selbst Schülerin, als sie mit 18 Jahren entscheidet, im Herbst 2017 für zehn Wochen als Lehrerin in Peru zu arbeiten. Vormittags half sie im Unterricht, nachmittags kellnerte sie und bezahlte für diese Erfahrung 1.400 Euro. Die Globalisierung macht’s möglich.

Touristen oder Freiwillige – oder beides

„Voluntourismus“ nennen einige diese Art von Einsatz spöttisch – die Freiwilligen seien in erster Linie zum eigenen Vergnügen im Ausland. „Wenn man ‚Voluntourismus‘ bei Google eingibt, verbirgt sich hinter der Hälfte der Suchergebnisse eine Kritik an Unternehmen, die junge Menschen an Projekte im Ausland vermitteln“, sagt Frank Seidel, Gründer der Plattform wegweiser-freiwilligenarbeit.com. Voluntouristen sind für ihn Menschen, die sowieso im Urlaub sind und dort zur Beschäftigung beim Müllsammeln oder Löwenbaby-Hüten helfen.

Seidel selbst vermittelt „geregelte Freiwilligendienste“ und „flexible Freiwilligenarbeit“. Soziale Dienste wie Weltwärts, Kulturweit, Europäischer sowie Internationaler Jugendfreiwilligendienst, die der ersten Kategorie entsprechen, folgen einem gesetzlich definierten Programm und werden aus öffentlichen Mitteln gefördert. Alle anderen Einsätze fasst Seidel unter dem Motto „flexible Freiwilligenarbeit“ zusammen – von „Biking & Volunteering in Nepal“ bis zur „Tierpflege auf Jamaika“.

Die 25 Organisationen, die auf der Plattform dargestellt sind, entsenden vor allem in Länder des globalen Südens. Etwa 20.000 Deutsche leisten pro Jahr Freiwilligenarbeit, schätzt Seidel. Im Schnitt bleiben sie sieben Wochen im Ausland. Zwei Wochen Unterrichten in Indien kosten etwa 300 Euro, drei Monate Naturschutz in Südafrika bis 9.000 Euro. Flugkosten sind in der Regel nicht enthalten.

Profit dank reicher Freiwilliger?

1.400 Euro für zehn Wochen Peru erscheinen auf den ersten Blick happig. „Von den 560 Euro pro Monat gingen 380 Euro an das Hostel, von dem Rest wurden täglich Frühstück und Mittagessen sowie die lokalen Mitarbeiter der Entsendeorganisation bezahlt“, erzählt Alice rückblickend. Sie findet das fair. „Wer sollte das denn sonst zahlen?“ Häufig wird Unternehmen, die flexible Freiwilligenarbeit anbieten, vorgeworfen, dass sie aus Profitgier zuviel Geld verlangen. In Alices Fall lässt sich dieser Vorwurf weder bestätigen noch wirklich entkräften.

Nach Peru gegangen ist Alice nach eigenen Angaben nicht, um dort Urlaub zu machen, sondern um Kindern zu helfen. Sie hofft, dass sie während ihrer Zeit einen „positiven Impact“ auf deren Alltag hatte. „Ich weiß, dass ich in Deutschland in meiner Familie extrem viel Glück habe. Wir fliegen viel in den Urlaub, können viel shoppen. All das kann ich den Familien in Cusco leider nicht einfach schenken. Aber ich weiß, dass ich durch meine Zeitinvestition geholfen habe.“ Eine Voluntouristin ist sie nach Seidels Definition nicht. Reisen tut sie trotzdem: mittlerweile durch Neuseeland.

Freiwillig arbeiten… in Europa

Auch Marie Jelenka Kirchner, 24, hat schon freiwillig im Ausland gearbeitet. Vor sechs Jahren hat sie einen Europäischen Freiwilligendienst in einer polnischen Grundschule in Krakau geleistet. Seit Ende ihres Studiums ist sie wieder dort und engagiert sich mit den Jungen Europäischen Föderalisten für den Austausch Jugendlicher aus Deutschland, Frankreich und den Balkanländern. Flexibler Freiwilligenarbeit auf anderen Kontinenten kann sie wenig abgewinnen: „Einerseits kenne ich viele Leute, die an super Projekten in der ganzen Welt teilgenommen haben. Andererseits frage ich mich, ob zum Beispiel Schulklassen wirklich für ein Projekt nach Südafrika fliegen müssen. Ist die Kulturerfahrung es wert, einen solch großen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen?“

Marie meint, junge Deutsche könnten ihren Horizont auch immens erweitern, indem sie mal zu den Nachbarn, etwa nach Polen, führen. Sie wünscht sich, dass lokale Freiwilligenarbeit wieder attraktiver wird. Gerade hat sie sich für ein zweiwöchiges Projekt in der Ukraine beworben, wo sie Kindern aus Krisengebieten Deutsch beibringen will. Kostenpunkt: 75 Euro. „Ich finde, wenn man als Freiwilliger arbeitet, sollte das auch gewertschätzt werden“, sagt Marie.

Für die eigene Freiwilligenarbeit im Ausland zu bezahlen, nennt Marie zwar nobel. „Gleichzeitig ist die Sache dadurch aber auch exklusiv – sie erkaufen sich die Möglichkeit, anderen zu helfen und dabei die Welt kennen zu lernen.“ Eine Gelegenheit, die sicherlich auch viele andere Menschen wahrnehmen würden – wenn sie nur könnten.

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