Kanada: Neue Hoffnung für die Umwelt
Umweltschutz ist in Kanada lange Zeit unter die Räder der Politik geraten. Der liberale Premierminister Justin Trudeau, der seit Anfang November im Amt ist, will das nun ändern.
Nach der Wahl des Premierministers Justin Trudeau gab es in Kanada Grund zur Freude. Die kanadische CBC News jubelte: „Die Wissenschaftler erhalten grünes Licht, unter Trudeau frei sprechen zu können. Nach fast einem Jahrzehnt mit immer geringerem Zugang zu den Ministern und ihren Mitarbeitern können Journalisten endlich wieder Informationen von denjenigen Menschen bekommen, die wichtige Entscheidungen treffen.“
In der Global News hieß es: „Die Wissenschaftler sind voller Hoffnung, dass die Liberalen der Politik des Mundtotmachens ein Ende bereiten, warnen jedoch, dies könne eine Zeit lang in Anspruch nehmen.”
Seit Justin Trudeau seinen Vorgänger im Amt des Premierministers, Stephen Harper, abgelöst hat, herrscht in Kanada Aufbruchstimmung. Der konservative Premierminister Harper, nahezu ein Jahrzehnt im Amt, betrieb eine Politik der Angst. Er stellte seine Weltanschauung über wissenschaftlich fundierte Fakten. Seine Politik hinterließ nicht nur in den sensiblen Ökosystemen Kanadas tiefe Spuren. Der Umweltschutz wurde zu Gunsten der Wirtschaft untergraben, indem Wissenschaftler entmündigt wurden.
Laut der New York Times durften Wissenschaftler, die durch öffentliche Gelder finanziert wurden, ihre Ergebnisse unter der Harper-Regierung nicht frei publizieren. Dies galt vor allem für Wissenschaftler, die sich mit Themen wie dem Klimawandel, der Ölförderung oder der Fischindustrie kritisch auseinandersetzten.
Kontrolle der Kommunikation
Der Informationsfluss wurde erschwert. Für Journalisten war es nahezu unmöglich, in kurzer Zeit an valide Fakten von Wissenschaftlern zu gelangen. Der kanadischen Non-Profit-Organisation Democracy Watch zufolge wurden Mitarbeiter des Umweltministeriums seit 2008 im Rahmen des „Media Protocol“ dazu angehalten, den Informationsfluss zwischen Journalisten und Wissenschaftlern zu kontrollieren. Auch der Austausch der Wissenschaftler untereinander wurde behindert.
In Rahmen der Studie „The Big Chill“ der Gewerkschaft Professional Institute of the Public Service of Canada (PIPSC) wurden Wissenschaftler zu ihrer Arbeitssituation unter der Harper-Regierung befragt. Die Ergebnisse sind alarmierend.
90 Prozent der befragten Wissenschaftler, die durch öffentliche Gelder finanziert wurden, hatten laut der Studie den Eindruck, nicht frei zu Medien sprechen zu dürfen – auch nicht, wenn die Nicht-Kommunikation ihrer Ergebnisse eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung darstellte.
Zudem wurde knapp ein Viertel der Wissenschaftler dazu angehalten, ihre Ergebnisse zu verändern. Mehr als 70 Prozent der Befragten befürchteten, dass die starke Einflussnahme der Regierung auf die Wissenschaft wichtige politische Prozesse sowie die Gesetzgebung beeinträchtigen könnte, da die Entscheidungen nicht auf Basis wissenschaftlicher Fakten getroffen wurden.
Vernichtung von Informationen
Erschreckend ist auch der Vorgang, der unter Wissenschaftlern als „libricide“ bekannt wurde. Im Herbst 2013 wurden sieben von neun Büchereien des Ministeriums für Fischerei und Meere unter dem Vorwand geschlossen, die Bücher digitalisieren zu wollen. Letztendlich wurde nur ein kleiner Teil der mehr als 600.000 Bücher digitalisiert. Laut den Wissenschaftlern wurde der Großteil der Bücher verbrannt oder weggeworfen.
Welche Auswirkungen hat eine Politik, wie Harper sie betrieben hat, auf die Bevölkerung Kanadas? Wie hat sie die Meinungsbildung verändert? Die New York Times schrieb: „Er [Harper] hat die Öffentlichkeit in ihrer Möglichkeit eingeschränkt, zu verstehen, was die Regierung macht. Er hüllt sich und seine Partei in Verschwiegenheit und das Land in Ahnungslosigkeit.“
Engagement für Umwelt
Die Kanadierin Annie Phillips schloss im Frühjahr 2015 ihr Studium mit den Schwerpunkten „Geography and Human Environment“ sowie „Ecological Restoration“ ab. Seit Trudeau im Amt ist, ist sie zuversichtlich, in Zukunft frei forschen zu können, „da er den Maulkorberlass der Wissenschaftler rückgängig gemacht hat und es ihnen nun ermöglicht, ihre Ergebnisse mit der Öffentlichkeit und den Medien zu teilen“.
Aus ihrer Sicht habe Trudeau bereits deutlich gemacht, dass seine Regierung sich intensiv mit der Problematik des Klimawandels auseinandersetzen und Erneuerbare Energien fördern würde. „Dieses neue Engagement für die Umwelt zeigt sich auch darin, dass Trudeau einige Kabinettsmitglieder ernannt hat, die bereits zu Umweltschutz und Klimawandel geforscht haben“, so Phillips.
Bei vielen Kanadiern, so auch bei Phillips, ist der Eindruck entstanden, dass die Harper-Regierung im Grunde alle Regularien beseitigt hat, die der Weiterentwicklung der Öl- und Gasindustrie im Wege stehen könnten. Dabei wurde keine Rücksicht auf den Schaden für die Ökosysteme genommen.