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Mensch versus Maschine

Von Julian Schwartzkopff / 28. Februar 2017
picture alliance / Westend61 | Gustafsson

Durch die digitale Revolution verändern sich die Arbeitsmärkte: Roboter verdrängen vor allem Niedrigqualifizierte von ihren Arbeitsplätzen. Einerseits birgt dies die Gefahr großer sozialer Verwerfungen – andererseits aber auch das Potenzial, den Sozialstaat von Grund auf neu zu denken.

Selbstfahrende Autos werden in den kommenden Jahren zu massiven Beschäftigungsverlusten unter Taxi- und LKW-Fahrern führen. Automatisierte Bezahlstationen haben in Großbritannien bereits Kassierer ersetzt und setzen sich auch in Deutschland weiter durch. Immer öfter erledigen Maschinen Aufgaben, die teilweise komplexe Denkleistungen voraussetzen. Die Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich so rasant, dass KI-Programme im vergangenen Jahr den weltbesten Go-Spielern den Rang abliefen. Vor wenigen Jahren galt das noch als unmöglich, da das chinesische Brettspiel weitaus komplizierter ist als Schach. Selbst Juristen bekommen von Computern Konkurrenz.

Neben der voranschreitenden Automatisierung verändern neue Technologien den Markt. Der 3D-Druck etwa hat das Potenzial, den Handel mit Zwischen- und Vorprodukten in einigen Branchen überflüssig zu machen. Es gibt bereits Prototypen, die mit den richtigen Rohmaterialien Autos drucken können – sie brauchen dafür nur eine Designvorlage.

Eine kürzlich erschienene Studie hat berechnet, dass fast die Hälfte aller Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten in den nächsten zwanzig Jahren durch Maschinenarbeit ersetzt werden könnte. In den Entwicklungsländern sind laut einer UN-Studie zwei Drittel aller Jobs in Gefahr. Viele andere Studien erwarten ähnliche Veränderungen auf den Arbeitsmarkt.

Arbeit nur noch für Hochqualifizierte?

Dass Technologien die Wirtschaft verändern, ist an sich nichts Neues. Buchdruck, Webstuhl und Dampfschiff haben die Welt nicht in den Untergang gerissen, genauso wenig wie die verstärkte Automatisierung der industriellen Produktion in den vergangenen Jahrzehnten.

Neu an der Arbeitsleistung intelligenter Maschinen ist die Reichweite und die Geschwindigkeit der zu erwartenden Veränderungen. In der Vergangenheit haben sich die Auswirkungen in der Regel auf einzelne Berufsgruppen beschränkt. Die digitale Transformation jedoch hat Einfluss auf alle Berufsgruppen, von den prekären bis hin zu den wissensintensiven.

In der Vergangenheit hatte der Mensch entscheidende Vorteile gegenüber den neuen Technologien: Flexibilität und die Fähigkeit, auch Transferaufgaben zu lösen, welche Kreativität und komplexes Denken erfordern. Genau diese Vorteile werden aber von der Entwicklung immer intelligenterer Maschinen untergraben.

Zwar entstehen auch in dieser industriellen Revolution neue Jobs – wie in allen anderen zuvor auch. Fraglich bleibt aber, ob das in ausreichendem Tempo und Ausmaß geschehen wird. Und wenn es neue Arbeitsplätze geben wird, dann dort, wo spezielle IT-Fertigkeiten, etwa Programmiersprachen, ein Muss sind. Das stellt gerade für ältere Arbeitssuchende und Niedrigqualifizierte eine große Hürde dar.

Wenn die Realität einer Utopie gleicht

Eine Wahrheit ist: Strukturwandel produziert immer Verlierer. Wenn diese keinen Ausweg sehen, führt das in der Regel zu Aufständen, Revolutionen oder zum Aufflammen von Populismus – so geschehen bei den Weberaufständen 1844 in Deutschland. Der deutsche Weg, vorgezeichnet vom Bismarck’schen Sozialstaat, besteht traditionell aus Kompromiss und sozialem Ausgleich. Die Sozialdemokratie versucht, den Sozialstaat zukunftsfähig zu machen, indem man ihn schlanker und arbeitgeberfreundlicher gestaltet. Das ist der Ansatz der Agenda 2010.

Die fundamentalen Probleme löst das nicht. Stagnierende Löhne, der wachsende Niedriglohnsektor, die steigende Ungleichheit sowie die in einigen Ländern hartnäckig hohe Jugendarbeitslosigkeit stellen fundamentale Bedrohungen des sozialen Gefüges dar.

Das sieht man nicht zuletzt daran, dass sich die Welle des Populismus, die über die westliche Welt zieht, daraus speist. Der neoliberale Konsens ist spätestens seit der Finanzkrise diskreditiert, doch die Wirtschafts- und Sozialpolitik bleibt in den alten Denkmustern verhaftet. Das traditionel arbeitszentrierte Gesellschaftsmodell, mit dem unhinterfragten Ziel der Vollbeschäftigung, könnte bald überholt sein.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sprechen bereits von Alternativen: Post-Wachstumsgesellschaft und Zero Marginal Cost Society sind die Stichworte. Sie sprechen von einer Welt, in der nicht mehr Wirtschaftswachstum sondern individuelle Lebensqualität das eigentliche Ziel wirtschaftlichen Handelns ist. Von einer Welt, in der der technische Fortschritt die Menschheit vom jahrtausendealten Imperativ der Erwerbsarbeit befreit. Es ist eine Welt, in der die menschlichen Grundbedürfnisse abgedeckt sind und in der nicht mehr jeder arbeiten muss.

Grundeinkommen statt Lohnarbeit

Ein Vorschlag, wie wahr werden könnte, was sich diese Wissenschaftler wünschen, gewinnt in letzter Zeit immer mehr Unterstützung: das bedingungslose Grundeinkommen. Statt eines komplizierten Geflechts an Sozialleistungen würde jeder Bürger ohne jegliche Bedingungen eine monatliche Vergütung bekommen.

Finnland, Kanada, Indien und eine Reihe anderer Länder haben bereits Politikexperimente gestartet, die Arbeitsplatzsuchenden ein solches Grundeinkommen bieten. Auch der französische Präsidentschaftsanwärter Emmanuel Macron hat diese Forderung in seine Wahlkampagne aufgenommen.

Ein solches Grundeinkommen könnte die Bedürfnisse der sozial Abgehängten und wirtschaftlich zunehmend – nun ja – Überflüssigen erfüllen. Gleichzeitig wertet es unbezahlte Tätigkeiten wie Ehrenamt, Hausarbeit oder die Pflege von Angehörigen auf. Größtes Hindernis scheint dabei nicht die Umsetzbarkeit, sondern der eingebläute Glaube an die Arbeit als Lebensmittelpunkt. Es handelt sich primär um einen Umbau des Sozialstaats, nicht um einen Ausbau. Arbeitslosen- und Kindergeld, letztlich sogar die Rente, würden nicht mehr benötigt, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe. Sogar der tatsächliche zusätzliche Finanzierungsbedarf hält sich in Grenzen.

Auch die Gefahr, dass dann die Wirtschaft zum Stillstand kommen würde und niemand mehr arbeitet, wird oft überschätzt. In Alaska, wo es seit 1972 ein partielles Grundeinkommen gibt, haben sich diese Sorgen nicht bewahrheitet. Bezeichnenderweise trauen wir anderen Menschen sehr viel eher zu, sich in der sozialen Hängematte auszuruhen, als uns selbst. Laut einer aktuellen Umfrage würden 82 Prozent der Deutschen auch mit einem Grundeinkommen weiter arbeiten. Gleichzeitig glaubt aber die Hälfte der Befragten nicht daran, dass das die meisten anderen Menschen auch tun würden.

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