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DebatteGefangen im „Hamsterrad“ Trend?

Von Alexander Kloß / 31. Oktober 2022
picture-alliance / Design Pics | -

Jeder kennt den einen oder anderen Trend. Sie kommen und gehen vorüber. Was das mit uns als Gesellschaft macht und ob sogar die Digitalisierung dazu zählen könnte, ist unklar.

Ein kleines Gedankenexperiment: Was haben Gürteltaschen, Ugg Boots, Fidget Spinner, Marvel, die Ice Bucket Challenge, der Boyfriend-Look und die Weltuntergangshysterie 2012 gemeinsam?

Hier noch eine Assoziationsreihe: Was verbindet Big Tech, Nachhaltigkeit, Frauen als Unternehmer, digitales Marketing, künstliche Intelligenz und das Home Office?

Und zu guter Letzt: Was haben alle diese Begriffe gemeinsam?

Die Antwort ist tatsächlich so einfach wie raffiniert: Es sind allesamt Trends und Hypes, die kleinen Geschwister von Trends. Hypes überdauern nur ein paar Monate, manche sind nur Eintagsfliegen, aber fast jeder weiß (kurzzeitig) davon. Trend wiederum ist nicht gleich Trend. Denn auch hier gibt es Unterschiede.

Die lange und die kurze Welle

„Trends sind Bewegungen in eine Richtung“, heißt es auf der Website des Frankfurter Zukunftsinstituts zur Definition. So weit, so vage. Ein Hauptunterscheidungsmerkmal für Trends findet sich zunächst in ihrer jeweiligen Langlebigkeit.

Die trendigen Hypes der erst genannten Gruppe oben dauern oft nur wenige Monate bis einige Jahre an. Im Englischen werden sie mit dem Fantasiewort „fads“ belegt. Dazu zählen Fashiontrends, die bekanntermaßen sehr „fast“ auf der Bildfläche auftauchen; zum anderen aber auch „gadgets“ wie der Fidget Spinner, Dinge mit Popkultur-Bezug wie Superheldenfilme und natürlich Internetphänomene, die kurzzeitig viral gehen.

Im Kontrast zu diesen kurzlebigen Modeerscheinungen stehen längerfristige Entwicklungen wie eben jene aus der zweiten Auflistung. Alle dort genannten Beispiele finden sich auf der Liste der wichtigsten Trenderscheinungen der letzten Dekade, die das Consultingunternehmen Castus Global erstellt hat. Auffällig daran: Auch hier spielt bei fast jedem Trend das Internet oder zumindest die Digitalisierung eine außerordentliche Rolle. Verständlich, denn der Computer ist zur Basistechnologie unserer heutigen Zeit geworden, auf der mittlerweile fast alles aufbaut.

Absoluter Trendsetter ist also in jedem Fall das World Wide Web mit Plattformen wie TikTok und Co.

Der ganz große Wurf

Wie richtungsweisend Trends sind, erforschte vor gut einem Jahrhundert der russische Ökonom Nikolai Kondratjew anhand von Konjunkturwellen in der Weltwirtschaft. Sein Ergebnis: Eine Welle dauert etwa 50 Jahre und durchläuft dabei vier Phasen. Zunächst Wohlstand, Rezession, Depression und schließlich Verbesserung – angefangen mit der Erfindung der Dampfmaschine im späten 18. Jahrhundert über Eisenbahn, Elektro-, Chemie- und Autoindustrie bis hin zum Informationszeitalter. Manche meinen, auch unsere heutige Digitalwelt ließe sich damit quasi selbst zum Trend erklären, der gemäß Kondratjew irgendwann abgelöst werden wird.

Um Trends nicht nur identifizieren, sondern auch zu erforschen, geht man am Frankfurter Zukunftsinstitut den großen systematischen Veränderungen im Zeitverlauf empirisch nach. Und zwar nicht nur solchen, die sich über ein Menschenleben erstrecken, sondern auch denen, die Jahrtausende überdauern. Da gibt es etwa Zivilisationstrends, zum Beispiel den Wandel von Jäger- und Sammlergemeinschaften zu sesshaften Kulturen. Für diese Entwicklung zeigte sich die Ernährungsvorsorge verantwortlich und begründete damit den einhergehenden Vormarsch der Landwirtschaft. Der nächste großen Durchbruch setzte mit der industriellen Revolution ein, die Kondratjew wiederum zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen nahm.

Doch Zivilisationstrends sind nicht das Maß aller Dinge, denn die Welt gab und gibt es auch ohne uns Menschen. Einer der wohl langlebigsten Trends ist die Evolution. Wem das Beispiel zu weit hergeholt ist, muss nur einen Blick in die Tageszeitungen werfen: Hier kommen Naturtrends ins Spiel. Mit dem Klimawandel und der Ausbreitung von Virusepidemien verändern sich vermeintliche Gegebenheiten hautnah und deutlich schneller als gedacht. Nicht zuletzt, weil wir unseren Teil dazu beitragen.

Vom Kleinen und Großen

Trends kann man allerdings nicht bloß zeitlich, sondern auch anhand ihres Einflusses unterscheiden. Besonders hervorstechend sind für das Zukunftsinstitut dabei die sogenannten Megatrends, die als „Blockbuster des Wandels“ ganze Gesellschaften umformen können. Zwölf solcher Megatrends hat das Institut zusammengetragen, darunter den „Gender Shift“, also das Ausbrechen aus tradierten Geschlechterrollen, sowie die „Silver Society“, die uns mit den vielfältigen Folgen des demographischen Wandels konfrontiert.

Ob wir im „Hamsterrad“ der Trends gefangen sind oder selbst entscheiden, ob wir ihnen folgen wollen oder nicht, bleibt vorerst Ansichtssache. Unbedingt nötig sei es, so kommuniziert es die Wissenschaft, über die Phänomene zu reden. Denn nicht nur Mode verhalte sich zum Trend wie das Wetter zum Klima.



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