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ContraDas Z-Wort

Von Melina Aboulfalah / 30. Juni 2020
picture alliance / Daniel Karmann/dpa | Daniel Karmann

Hass ist keine Meinung. Er verschwindet nicht, indem man ihn im Internet unsichtbar macht. Und wer überhaupt soll entscheiden, was zensiert gehört? Nationalstaatliches Recht oder eine international agierende Plattform?

„Ihr habt da was falsch verstanden/ zu meinem Verdruss/ Meinungsfreiheit heißt, dass man seine Meinung kundtun darf/ nicht, dass man es muss“, kommentiert der Kabarettist Mark-Uwe Kling die anhaltende Meinungsschlacht im Internet. Ja, das Internet und die ganze Welt wären bessere Orte, wenn manche Leute ihre bösartigen Gedanken nicht kommunizieren würden.

Ist Zensur angesichts zunehmender Hate Speech im Netz also zu rechtfertigen? Nein! Denn löscht man einen Hass-Kommentar im Internet, löscht man damit nicht zugleich das Unwissen und Gewaltpotential, das ihm zugrunde liegt. Es droht der Schein, dass Rassismus, Homophobie, Antisemitismus und andere -phobien und -ismen nicht mehr vorhanden seien. Bei den Urhebern der Posts könnte dies aber eine trotzige „Jetzt erst recht“-Haltung provozieren. Entweder ziehen sich die Verbreiter übler Kommentare in ihre Blase zurück, wo ihnen niemand mehr Paroli bietet und sie ihren Hass unsanktioniert verbreiten, oder sie inszenieren sich selbst als Opfer. Dieses verquere Spiel erleben wir etwa dann, wenn die AFD mit ihrem absurd überhitzten Vokabular à la „Stasi-Methoden“ oder „Genderideologie“ eine „links-grün versiffte“ Endzeit heraufbeschwört.

Strukturelle Probleme

Hass ist keine Meinung und daher auch nicht durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. So gerne man diesem Satz zustimmt – er führt ins juristische Niemandsland. Zunächst gibt es keine verbindliche Definition für Hate Speech. Die Bundeszentrale für politische Bildung versteht darunter Äußerungen, die „sowohl strafbare als auch nicht strafbare Ausdrucksweisen“ einschließen. In einer Broschüre der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW wird Hate Speech hingegen als „abwertende, menschenverachtende und volksverhetzende Sprache und Inhalte, durch die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten werden“ definiert. Also alles löschen, worin der Hass auf eine bestimmte Gruppe kommuniziert wird? Oder geht es speziell um Hass auf Minderheiten, die strukturell unterdrückt werden und nicht um Repräsentanten bestimmter Institutionen? Dürfte weiterhin „ACAB“ („All cops are bastards“) skandiert werden? Denn dieser oft von Linken gebrauchte Protestslogan fällt in Deutschland nicht unter den (anachronistischen) Tatbestand der Beamtenbeleidigung, sondern unter: Meinungsfreiheit. Geht Hate Speech also in erster Linie von rechts aus? Rassismus und andere strukturelle Diskriminierungsformen haben in der Tat keine Daseinsberechtigung. Das Löschen von Facebook-Posts löst diese Strukturen aber nicht auf.

Definiert man Zensur als „Überprüfung und Kontrolle von Druckwerken, Hörfunk-, Fernseh- (…) und Videoproduktionen u. ä. auf ihre (…) Konformität und die ggf. daraufhin erfolgende Unterdrückung bzw. das Verbot der unerwünschten Veröffentlichungen“, wie es im Duden Recht A-Z heißt, dann beginnt Zensur nicht erst mit dem Löschen von Beiträgen. Wäre es aber bereits Zensur, wenn Twitter Trumps irrsinnigen Tweet über „betrügerische“ Briefwahlen mit einem Faktencheck versieht? Helfen rationale Fakten überhaupt gegen die Emotion Hass? Entscheidet der Nationalstaat, was unerwünscht ist? Oder die internationale Plattform? Wenn dem so ist, entscheiden künftig profitorientierte Medienkonzerne, was gesagt werden darf. Dieser Prozess hat schon begonnen, wie die Kontroverse um das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zeigt.

Symptom- vs. Ursachenbekämpfung

In einem provokanten Kommentar in der ZEIT kritisiert der Schriftsteller Maxim Biller, dass linke Identitätspolitik, wenn sie zu Schreib- und Denkverboten greife, die Moral, die sie eigentlich verteidigen will, sabotiere, sie sogar die „linke Seite einer sehr rechten Medaille“ sei. Was Biller überspitzt „orwellhaft-absolutistische“ Methoden nennt, ist gegen in Hass getränkte Gedanken (die anders als Taten schwer fassbar sind) tatsächlich nicht effektiv. Denn hier wird nicht die Ursache behandelt, sondern ihr Symptom unterdrückt. Ein homophober Mensch hört nicht einfach auf, homophob zu sein, weil man seine Tweets zensiert, sondern wenn er begreift, dass Homophobie absurd ist. Die Welt wäre also ein besserer Ort, wenn manche Leute bösartige Gedanken gar nicht erst hätten. Verbote bewirken dies nicht.

Natürlich muss es in einem Rechtsstaat Gesetze geben, die die Kommunikation betreffen. Es gibt Grenzen des Sagbaren! Das Leugnen des Holocaust hierzulande zu bestrafen, ist sicher nicht verkehrt. Es ist aber der falsche Ansatz, den Rechtsstaat mit reaktionären Mitteln auszuhöhlen.

Das Z-Wort, das wir brauchen, lautet darum nicht Zensur, sondern Zivilgesellschaft. Eine Zivilgesellschaft, die couragiert im echten wie im virtuellen Leben dem Hass etwas entgegensetzt. Nur Aufklärung und soziale Projekte können das Problem nachhaltig lösen. Eine Demokratie muss Hassreden standhalten anstatt sie auszublenden. Ja, die Demokratie gerät dabei an ihre Grenzen – aber sie für fragwürdige Methoden auf’s Spiel zu setzen, kann nicht die Lösung sein.



3 Antworten auf „Das Z-Wort“

  1. Von Andrea am 1. Juli 2020

    „Besitzer“ der sozialen Plattformen und damit Verantwortliche im Sinne des Presserechts sind die Betreiber dieser PLattformen. Und natürlich entscheiden diese letztendlich selbst, was sie drauf lassen und was sie löschen.
    Zur Frage, wer dann die Kommunikation kontrolliere, hast Du geschrieben „Oder die internationale Plattform? Wenn dem so ist, entscheiden künftig profitorientierte Medienkonzerne, was gesagt werden darf. “ – Ja. Auf ihren Plattformen. Zeitungen drucken ja auch nicht jeden Leserbrief, sondern entscheiden selbst, was geht. Das Recht hierzu müssen sie auch haben. Das hat dann aber weniger mit Gedankenkontrolle zu tun, sondern damit, wer die PLattform bietet, auf der gepostet wird, und was dessen eigne Einstellungen und Geschäftspraktiken sind.
    Aber es gibt ja zum Glück viele verschiedene Medienanbieter, auf denen ich meinen „Senf dazu geben“ kann. Und: Wenn ich wirklich unzensiert von anderen, etwas schreiben und im Netz veröffentlichen will, muss ich eben meine eigene Seite aufmachen (machen ja auch viele) und bin dann selber ViSdP.
    Dann muss sich die Gerichtsbarkeit direkt mit mir auseinandersetzen, ob meine Posts auf meiner eigenen Seite gegen bestehendes Recht verstoßen.
    Ich denke, man darf das in der Debatte nicht vergessen: wenn ich meine gegen Gesetze verstoßenden Posts bei einem anderen Betreiber veröffentliche, und der das zulässt, macht er sich mit haftbar. Und da hat Zensur für ihn einfach den Sinn, dass er seinen Kopf aus der Schlinge raus haben will.

    1. Von Melina am 3. Juli 2020

      Danke für deinen Kommentar, Andrea. Vielleicht ist dieser Aspekt zu kurz gekommen. Also führe ich meine Gedanken dazu hier aus: Das Problem stellt sich u.a. bei der Frage nach dem geltenden Recht, wenn die soziale Plattform international agiert. Wir sind an einem Punkt, an dem der Nationalstaat mit seinen Gesetzen nicht mehr das Nonplusultra ist. Das hat sicher auch Vorteile, bringt aber auch Unklarheiten mit sich. Die Aussage „natürlich entscheiden diese [die sozialen Plattformen] letztendlich selbst, was sie drauf lassen“, kann ich daher nicht ganz nachvollziehen, denn so klar ist die Sache einfach nicht.
      Die von dir diskutierte Passage bezog sich darauf, dass Facebook, Twitter etc., mit ihrem unvergleichbaren Einfluss auf unsere alltägliche Kommunikation das Potential haben, sich über den Staat zu erheben und das ist eine Entwicklung, die ich bedenklich finde. Erst recht, wenn ein so heftiges Mittel wie Zensur dazu dienen soll – so lese ich es aus deinem Kommentar – dass die Plattform unbestraft bleibt. Das (finanzielle) Interesse der Plattform wird so über die Rechte der Menschen gestellt. Auch wenn sich z.B. Rechtspopulisten rechtliche Grauzonen perfide zu eigen machen, halte ich den Schritt der Zensur aus den im Artikel aufgelisteten Gründen für nicht vertretbar.
      Straftaten müssen bestraft werden, das ist klar. Aber welche Maßnahmen sollten zur Prävention dieser Straftaten eingesetzt werden? Das ist die Frage, die ich interessant finde. Und Zensur, das ist meine hier dargestellte Meinung, ist da keine Option.

      1. Von Andrea am 8. Juli 2020

        Liebe Melina, ich stimme Dir zu, dass der Einfluss von Facebook, Twitter etc. auf unsere Kommunikation bedenklich ist (Ich nehme an, weil die Kommunikation dort gefiltert d.h. einseitig zu werden droht), und auch, dass Zensur, grob gesagt, nicht die Lösung sein kann, aber ist es immer Zensur, die dann stattfindet, wenn in jüngster Zeit Staaten zunehmend den PLattformen vorschreiben wollen, dass sie auf die Inhalte „besser aufpassen“ sollen? Da kommt es auf den Staat an: China steht in der Kritik, ganz viele Sachen zu verbieten. In anderen Staaten wird „nur“ damit gedroht, den PLattformen Bußgelder aufzuerlegen, wenn deren User gegen geltendes Recht verstoßen (Straftatbestände wie Beleidigung oder Verbreitung von Pornografie…). Das halte ich zunächst nicht für Zensur im eigentlichen Wortsinne. Hier wird nur die Verantwortung für eine strafbare Handlung vom User der Plattform auf den Inhaber der Plattform verschoben. (Damit wird z.B. auch Twitter sich strafbar machen, wenn es eine beleidigende Aussage nicht entfernt). Anders gesagt: der Staat schreibt dann keine Zensur vor, wenn er sagt: „haltet Euch an die Regeln und lasst keine strafbaren Inhalte zu“.
        In dem Falle erheben sich die PLattformen ja eben nicht „über den Staat“, wie Du einwirfst, sondern schützen sich mit („Auto-„) Zensur (indem sie User-Posts zensieren) vor möglichen Strafen.
        Ich finde, dafür müsste man ein anderes Wort nehmen als „Zensur“ (wenn man Z. als gesetzlich geregelte Beschneidung der Meinungsfreiheit definieren will), denn der Staat hat nicht verboten, nicht-strafbare Sachen zu kommunizieren, sondern die social Platform entscheidet, was sie auf ihrem Webspace zulässt und was nicht. Der User, der Bürger kann ja immer noch frei seine Meinung äußern, nur eben nicht auf der Plattform, die ihm in „übervorsichtiger Manier“ seine Posts löscht.
        Bedenklicher als diese nun eventuell „zu vorsichtig“ und damit zensierend agierenden Eingriffe der Plattformen auf die Posts ihrer User finde ich die grundsätzlich durch die Plattformen überhaupt erst entstandene Möglichkeit des vertausendfachten (meist gedankenlosen) Wiedergebens und damit der Potentialisierung von Kommunikationen einzelner User, die tatsächlich Straftatbeständen von Beleidigung, Aufruf zu Gewalt, Verläumdung usw. entsprechen. Das war vor Internet und vor der Erfindung der social Media PLattformen gar nicht in dem Ausmaß möglich. Und diese Vervielfältigung möglichst von vornherien einzudämmen, darum geht es den Gesetzgebern, die solche Plattformen in die Pflicht nehmen wollen.
        Sicher, die „Büchse der Pandora“ ist auf, Twitter, Facebook usw. exisitieren bereits und es kommen stets neue hinzu. Letzendlich muss den Leuten, die Posts einstellen oder auch Posts von anderen weiterverbreiten, viel bewusster werden, dass trotz aller Redefreiheit Grenzen des Sagbaren da sind, nämlich da, wo gegen geltendes Recht verstoßen und die Würde anderer Menschen angegriffen wird. Und egal ob man für oder gegen Zensur ist: eine Sensibilität dafür „was geht“ und was nicht, kann bei den Usern wahrscheinlich nicht durch Zensur erreicht werden, und ich denke, wir alle sind gefordert, mehr auf unsere Sprache zu achten und debattieren zu lernen ohne in Beleidigungen abzurutschen. In diesem Sinne, beste Grüße

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